Astronauten fliegen künftig mit Privatunternehmen zur ISS

Unabhängig von Russland werden: Die NASA will Raumtransporter von Boeing und SpaceX für bemannte Missionen einsetzen. Aber zuerst müssen die Testflüge erfolgreich sein.

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Astronauten fliegen künftig mit Privatunternehmen zur ISS

Der CST-100 Starliner.

(Bild: Boeing)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Gregor Heppel
Inhaltsverzeichnis

Am heutigen Freitagnachmittag um 17:00 Uhr deutscher Zeit (11:00 Uhr EDT) wird die NASA die Astronauten bekanntgeben, welche die bemannten Testflüge der Raumtransporter von Boeing und SpaceX und die darauffolgenden Missionen durchführen werden.

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Die Kapseln namens CST-100 Starliner (Boeing) und Crew Dragon (SpaceX) werden im Rahmen des Commercial Crew Programms der NASA entwickelt. Ziel ist, den Transport der Astronauten zur ISS in private US-amerikanische Hände zu legen, nachdem schon der Gütertransport seit 2012 durch SpaceX und Orbital ATK abgewickelt wird. Die NASA will so Ressourcen sparen und sich mit ihrer geplanten hauseigenen Trägerrakete Space Launch System auf interplanetare Missionen konzentrieren. Auch der Bau des Deep Space Gateway soll in naher Zukunft beginnen.

Außerdem will sich die NASA damit von der russischen Sojus-Kapsel unabhängig machen, deren Plätze sie seit dem Ende des Space Shuttles 2011 bucht und die zwischen 70 bis 80 Millionen Dollar pro Astronaut kosten. Neben diesen hohen Ausgaben spielen auch politische Erwägungen eine Rolle, besonders seit der Ukraine-Krise 2014.

Drei Astronauten und eine Astronautin waren bereits im Juli 2015 ausgewählt worden, die Entwicklung beider Gefährte zu begleiten und eine Ausbildung für zukünftige Missionen zu durchlaufen. Die Astronauten Robert Behnken, Douglas Hurley, Eric Boe und die Astronautin Sunita Williams sind Veteranen der Luft- und Raumfahrt: Sie können tausende Flugstunden in verschiedenen Fluggeräten der US-Armee verbuchen, sind alle bereits mit dem Space Shuttle in den Weltraum geflogen und haben einige Zeit im All verbracht. Sunita Williams verbrachte 322 Tage in der Schwerelosigkeit und ist mit über 50 Stunden die Astronautin mit der größten Erfahrung mit Weltraumspaziergängen.

Am Freitag wird nun festgelegt, welche Astronauten mit welcher Kapsel fliegen werden, sowohl auf den bemannten Testflügen als auch auf den ersten Missionen nach der Zertifizierung.

Die Crew Dragon von SpaceX (14 Bilder)

Vorstellung der Kapsel Crew Dragon für bemannte Raumflüge durch Elon Musk im Mai 2014.
(Bild: SpaceX)

Beide Kapseln sind für bis zu sieben Passagiere ausgelegt. Damit legen die Unternehmen den Grundstein für den Weltraumtourismus. Da die NASA nur vier Sitze benötigt, kann der restliche Platz für Ladung verwendet werden – oder für zahlende Gäste. Die Designs der Innenräume sind daher auch entsprechend schick: SpaceX setzt auf Karbon-Optik, Boeing auf Beleuchtung durch LEDs. Batterien von Schaltern und Knöpfen sind passé – die Raumschiffe der Gegenwart bieten elegante Touchscreens. Die Transporter sollen auch völlig autonom fliegen können. Beide Kapseln sind wiederverwendbar.

Die Unternehmen setzen jeweils auf ihre eigenen Raketen – der Starliner wird auf einer Atlas V der United Launch Alliance starten, der Crew Dragon auf einer SpaceX-eigenen Falcon 9. Boeings Kapsel wird mithilfe von Fallschirmen und übergroßen Airbags in einer amerikanischen Wüste landen, SpaceX’ Variante auf klassische Art im Meer.

Mit ihren Entwürfen setzten sich Boeing und SpaceX 2014 gegen die Sierra Nevada Corporation durch, die mit dem Dream Chaser einen dem Space Shuttle ähnelnden Ansatz verfolgte. Sie bekamen für die weitere Entwicklung der Raumkapseln zusammen 6,8 Milliarden Dollar (5,8 Milliarden Euro) von der NASA, wovon 4,2 Milliarden Dollar an Boeing und 2,6 Milliarden Dollar an SpaceX gingen. Das ursprüngliche Ziel, die Zertifizierung bis Mitte 2017 abzuschließen, verfehlten beide Unternehmen deutlich.

Einem Bericht des US-Rechnungshofs (U. S. Accountability Office) vom Mai 2018 zufolge könnte die endgültige Zertifizierung des Dragons womöglich erst im Dezember 2019 und die des Starliners erst im Februar 2020 geschehen. Damit würde die USA kurzfristig den Zugang zur ISS verlieren, weil sie in der russischen Sojus-Kapsel nur Plätze bis Ende 2019 gebucht hat. Diesen Freitag werden zusammen mit der Nominierung der Astronauten auch konkrete Termine der NASA für die Missionen erwartet.

Der CST-100 Starliner von Boeing (13 Bilder)

So soll die fertige Kapsel einmal aussehen.
(Bild: Boeing)

Grund für die Verzögerungen waren neben zu optimistischer Zeitplanung und sehr hohen Anforderungen wohl mehrere unvorhergesehene Probleme. Boeing hatte etwa zwischenzeitlich Schwierigkeiten mit dem Hitzeschild, der bei Wiedereintritt in die Atmosphäre die Fallschirme hätte beschädigen können. Simulationen zeigten außerdem, dass die Kapsel ins Taumeln geraten könnte und damit die Crew gefährden würde. Ars Technica berichtete kürzlich über ausgelaufenen Treibstoff bei einem Test des sogenannten Pad-Abort-Systems, des Startrettungssystems, das im Notfall die Kapsel mit der Crew von der Trägerrakete wegbringen soll.

Auch SpaceX hatte Probleme; hauptsächlich mit der Falcon 9, die die Kapsel transportiert: Die Betankung der Rakete bei Anwesenheit der Crew wurde als gefährlich eingestuft, außerdem gab es Bedenken hinsichtlich der Bildung von Rissen in den Merlin-Triebwerken.

Die NASA stellt sehr hohe Anforderungen an die Sicherheit der Raumtransporter. Auf 270 Flügen soll höchstens ein tödlicher Unfall passieren können. Neben zahlreichen Tests der verschiedenen Systeme und Sicherheitsmechanismen, wie dem Startrettungssystem, müssen die Transporter einen unbemannten und einen bemannten Testflug erfolgreich absolvieren, bevor sie für den Einsatz zertifiziert werden können.

(anwe)