Pseudo-KI statt digitaler Bots

Die Künstliche Intelligenz ist in vielen Bereichen noch nicht so weit, wie sich Firmen das wünschen. Deshalb muss ihr der Mensch unter die Arme greifen.

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Pseudo-KI statt digitaler Bots

(Bild: "Mimbo" / langfordw / cc-by-2.0)

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Autonome Autos, die ohne Zutun des Menschen unfallfrei durch unsere Städte sausen, Chatroboter, mit denen man tiefschürfende Gespräche führen kann oder Sprachassistentinnen, die uns stets und auf das Genaueste jeden Wunsch von den Lippen ablesen: Die PR-Strategen der Technikbranche vermitteln der Nutzerschaft heutzutage gerne den Eindruck, als sei die Künstliche Intelligenz schon extrem weit fortgeschritten.

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Verfahren wie das maschinelle Lernen, bei dem Computer aus gigantischen Datenmengen höchst genaue Rückschlüsse ziehen können, auf die der Mensch nie von selbst käme, sollen es in Verbindung mit brutal schnellen Prozessoren möglich machen. Hinzu kommen verbesserte Algorithmen für die Erkennung von Bild und Ton, von denen, so heißt es, unsere Eltern nur hätten träumen konnten.

Wenn man allerdings hinter die Kulissen schaut, zeigt sich, dass die digitalen Bots etwas weniger klug sind, als es uns die Werbung verheißt. Im Gegenteil, sie müssen erstaunlich häufig um menschliche Mithilfe bitten – insbesondere bei Tätigkeiten, die Rechnern extrem schwerfallen, den Menschen aber nur wenige Sekunden seiner Lebenszeit kosten. Die Branche hat dafür auch einen Begriff gefunden: Pseudo-KI – und sie wird noch erstaunlich häufig eingesetzt.

Für den Nutzer kommt dies quasi Betrug gleich: Er glaubt, mit einem Bot zu interagieren, hat es allerdings in kniffligeren Fällen mit einem Menschen zu tun, der nur vorgibt, ein Bot zu sein. Der Branche ist schon klar, dass dieser Ansatz "nicht skaliert", wie kürzlich Gregory Koberger, Chef des Start-ups ReadMe, das interaktive Softwarehandbücher entwickelt, gegenüber der britischen Zeitung "The Guardian" freimütig zugab. Man führe aber quasi ein Prototyping der Künstlichen Intelligenz mithilfe des Menschen durch. Ergo: Die Entwickler hoffen, dass die KI eines Tages mindestens genauso schlau ist wie der Mensch.

Für den ist der Pseudo-KI-Job übrigens kein Spaß. Er wird gerne an ein Heer sogenannter Click- oder auch Crowdworker ausgelagert, die sich auf Plattformen wie Amazons "Mechanical Turk" zusammenfinden und pro Arbeitsschritt ein paar Cents verdienen. Andere sind bei einer Firma fest angestellt und machen den lieben langen Tag nichts anderes, als als Pseudo-KI zu agieren.

Nutzer merken von alldem nichts, loben die Technik solcher Firmen sogar als "besonders menschenartig".

Hier und da kommt es auch zu ersten Skandalen. So deckte das "Wall Street Journal" diesen Sommer auf, dass ein Start-up Millionen von E-Mails, die eigentlich von Algorithmen bearbeitet werden sollten, durch Softwareingenieure gefiltert wurden, die so zumindest theoretisch sensible Einblicke in die Daten der Nutzer hätten nehmen können. Entsprechend scheinen die KI-Start-ups einem alten Managment-Trick zu folgen: Fake it until you make it – tu' so als ob, bis Du's geschafft hast.

(bsc)