Zahlen, bitte! - 273,15 °C - die Temperatur, die den Nullpunkt definiert

Ist es zu warm? Wie wärs mit 0 K, dem absoluten Nullpunkt? Ist aber nicht sehr gesund - und auch nicht wirklich einfach zu erreichen.

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Zahlen, bitte! - 273,15 °C – Die Temperatur, die den Nullpunkt definiert
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Inhaltsverzeichnis

Als Kontrast zum Hochsommer und den Hundstagen gibt es heute eine ultracoole Zahl: -273,15 °C ist der absolute Nullpunkt und die kleinste mögliche Temperatur überhaupt. Doch was bedeutet das? Und wie ist die Celsius-Skala entstanden?

Die Celsius-Skala geht zurück auf den schwedischen Astronomen Anders Celsius, der am 27. November 1701 im schwedischen Uppsala das Licht der Welt erblickte. In eine adelige Akademikerfamilie hineingeboren, unterrichtete er ab 1730 Astronomie an der Universität Uppsala, wie sein Vater und Großvater vor ihm.

Aus Ermangelung einer Sternwarte in Schweden ging er ab 1732 auf Studienreise nach Nürnberg, Rom und Paris. Nach dieser Tour, die ihn an verschiedene Observatorien führte, engagierte er sich ab 1737 für eine eigene schwedische Sternwarte, die nach drei Jahren tatsächlich fertiggestellt wurde. Neben neuen Erkenntnissen im astronomischen Bereich – wie z. B. die ersten Helligkeitsbestimmungen von Sternen anhand von Instrumenten – befasste sich Celsius um 1742 mit der Temperaturbestimmung.

Er wollte die bisher genutzte und etwas willkürliche Fahrenheit-Einteilung verbessern. Dabei schlug er vor, den Bereich zwischen Siedepunkt und Gefrierpunkt von Wasser in 100 gleiche Teile zu teilen: Der Gefrierpunkt war dabei 100° Celsius und der Siedepunkt 0° Celsius.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Er berücksichtige bei seinem Modell zudem den Luft-Normaldruck von 1013,25 Hektopascal oder 760 Millimeter Quecksilbersäule und strebte damit eine globale Vergleichbarkeit an. Erst nach seinem Tod 1744 drehte sein Freund Carl von Linné die Skala um auf die heutige, gebräuchliche Darstellung, die wenig später die Welt (außerhalb der USA) erobern sollte .

Der absolute Nullpunkt war zu dem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Anhand von ersten Versuchen, u. a. 1787 vom französischen Physiker Jacques Alexandre César Charles, wurde bekannt, dass sich ideale Gase mit steigender Temperatur ausdehnen. Jedoch fehlte diesen Messungen noch die Präzision.

Erst mit dem Werk des französischen Physikers Joseph Louis Gay-Lussac, der seine Erkenntnisse 1802 im nach ihm benannten Gay-Lussacschen Gesetz niederschrieb, wurde bestimmt, dass das Volumen idealer Gase unter unveränderten Druck und unveränderter Stoffmenge direkt proportional zur Temperatur ist. Anhand dieser Berechnungen ließ sich mit Abnahme des Volumens nun der Nullpunkt ermitteln, da sich das Volumen nicht negativ entwickeln kann.

Der absolute Nullpunkt, anhand des Gesetzes von Gay-Lussac dargestellt.

(Bild: Johannes Schneider, Lizenz Creative Commons CC BY SA 4.0 )

Diesen Nullpunkt hatte 1848 William Thomson (später: Lord Kelvin of Largh) als Anfang einer eigenen Temperaturskala vorgeschlagen, die von den Abstufungen her allerdings sonst dem Celsius-System ähnelte. Sie ist heute als Kelvin-Skala bekannt.

Ein Gas hat eine umso niedrigere Temperatur, je langsamer die chaotische Bewegung der das Gas bildenden Teilchen ist. Beim absoluten Nullpunkt (0 Kelvin) kommt damit jede Bewegung zum Stillstand - auch daraus ergibt sich, dass es keine negativen Kelvin-Temperaturen geben kann. Allerdings haben Experimente in den letzten Jahren auch verwirrende Ergebnisse mit negativen Kelvin-Temperaturen ergeben – was auch zu eher philosophischen Betrachtungen über Natur und Definition von "Temperatur" ergab.

Die Kelvin Temperaturskala wurde aber erst ab 1954 bei der Generalkonferenz für Maß und Gewicht (CGPM) verbindlich eingeführt, und aus der Einheit “A“ für Absolut wurde erst Grad Kelvin “°K“ und mit der Zeit “K“ für Kelvin als SI-Einheit. Mit den DIN 1301-1 und DIN 1345 ist die Kelvin-Skala in die DIN-Normen aufgenommen worden (wenn auch etwas abgewandelt gegenüber den SI-Regelungen).

Der Nullpunkt der Kelvinskala liegt dabei im absoluten Nullpunkt bei - 273,15 °C. Diese Temperatur ist nach dem Nernstschen Wärmesatz nicht mess- und erreichbar, weil die Teilchen bei 0 K über keinerlei Bewegungsenergie verfügen (die verbleibende Energie – Nullpunktsenergie – ist eine Aussage der Heisenbergschen Unschärferelation).

Der Bumerang-Nebel im Sternbild Centaurus. Das Gas entfernt sich mit etwa 600.000 Km/h vom Stern. Mit der Temperatur von 1 K gilt er als kältester natürlicher Ort.

(Bild: NASA)

Somit sind 0 °C = 273,15 K. Demnächst soll das Kelvin eine neue Basis erhalten. Noch basiert das Kelvin nämlich auf dem Tripelpunkt des Wassers. Er liegt bei 273,16 K bzw. 0,01 °C und ist die Temperatur, in der Wasser gleichzeitig gasförmig, flüssig und fest sein kann. Um, wie bei SI-Einheiten gewünscht, statt auf einem Material alternativ auf einer Naturkonstante zu basieren, soll zukünftig das Kelvin sich auf die Boltzmann-Konstante beziehen.

Im Gegensatz zum absoluten Nullpunkt sind allerdings Temperaturen nach oben keine Grenzen gesetzt – zumindest theoretisch. Im Labor werden auch schon mal 4 Billionen Grad Celsius erzeugt.

Beim Klimawandel geht es um wesentlich kleinere Dimensionen, aber mit großen Konsequenzen: Klimaforscher haben ermittelt, dass bei einer durchschnittlichen Erderwärmung, die 0,5 °C weniger beträgt als die angestrebte Grenze von maximal 2 °C Erwärmung, die Konsequenzen spürbar kleiner wären. Noch radikaler ist ein Plan von David Mitchell: Er will 160 Tonnen Bismut(III)-iodid pro Jahr in die Wolken verstreuen, um die Erde insgesamt zu kühlen. (Dann hätten die Chemtrail-Aluhüte endlich mal zu Recht was zu meckern.)

Der kälteste Ort ist übrigens im All. Nicht generell, weil Aufgrund der Hintergrundstrahlung der Weltraum im Schnitt 2,73 K über dem absoluten Nullpunkt steht, sondern weil jüngst ein Cygnus-Raumfrachter die Apparatur zum Erzeugen des kältesten Punkts zur ISS brachte (natürlich sofern keine außerirdische Zivilisation eine noch ausgefeiltere Maschine in Benutzung hat). Als alternatives Reiseziel zum Abkühlen böte sich der Bumerang-Nebel im Sternbild Centaurus an, den das Weltraumteleskop Hubble ablichtete. Er liegt im Schnitt nur knapp ein Grad/Kelvin über dem Nullpunkt.

Eine andere kühle Zone knapp über dem Nullpunkt, ein kalter Fleck in der Hintergrundstrahlung des Universums, stellt die Forscher vor einem Rätsel, da sie für die bisherigen Erklärungen zu groß ist. Auch wenn die Temperaturen dort sehr cool erscheinen, so sind sie doch sehr ungesund. Und sehr weit weg. Also bleibt nur noch auf kälteres Wetter zu warten. Am Wochenende sollen es 296,65 K werden. Oder 23,5 °C. Für manche ist das aber schon wieder Anlass, den Pulli aus dem Schrank zu kramen. Kein Wunder, dass Meteorologen von "gefühlter Temperatur" sprechen - Physiker dürften sich aber scheuen, diese in eine objektivierbare Skala, egal ob Celsius oder Kelvin, zu pressen. (jk)