Waldbrandvorhersage mit dem Computer

Experten nutzen Computermodelle, um den Verlauf von Waldbränden vorherzusagen. Die Verfahren reichen von simplen empirischen Ansätzen bis zu hochkomplexen dreidimensionalen Simulationen.

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Waldbrandvorhersage mit dem Computer

(Bild: US Department of Agriculture / PD)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Gregor Heppel
Inhaltsverzeichnis

Die Tendenz von Häufigkeit und Größe von Waldbränden zeigt nach oben, und nicht nur südliche Länder sind betroffen. Durch den Klimawandel wandere die Waldbrandgefahr nach Norden, erklärte kürzlich Johannes Luchner vom Europäischen Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen im Deutschlandfunk. Der Waldbrandgefahrenindex für Deutschland zeigt im August 2018 für große Regionen Süddeutschlands Gefahrenstufe vier von fünf an, für Teile Ostdeutschlands sogar die höchste Gefahrenstufe. Durchschnittlich gibt es in Deutschland jährlich etwa 1000 Waldbrände.

Wie tödlich es sein kann, nicht vorbereitet zu sein, zeigt der Fall Mati in Griechenland. Ein Brand bewegte sich im Juli 2018 rasend schnell auf das kleine Küstenstädtchen zu, schloss die Anwohner und Touristen ein. Mindestens 91 Tote forderte das Feuer. Berichten der BBC zufolge hätte der Waldbrand viel glimpflicher ausgehen können, wären die Behörden besser vorbereitet gewesen. Illegaler Bau blockierte Fluchtwege, Aktionen der Behörden waren unkoordiniert, manche der Anwohner und Touristen wurden überhaupt nicht gewarnt.

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Die Waldbrand-Veteranen aus Amerika und Australien sind deutlich besser vorbereitet. Neben bewährten Methoden wie Feuerschneisen und kontrollierten Bränden zur Verringerung von brennbarem Material werden hochkomplexe Simulationen im Computer genutzt, um das lokale Risiko von Bränden zu ermitteln und entsprechende Maßnahmen zur Prävention zu treffen.

Außerdem sollen die Modelle bei bereits ausgebrochenem Brand die weitere Entwicklung des Feuers vorhersagen. Das soll es ermöglichen, die Bevölkerung rechtzeitig zu warnen und evakuieren zu können, Ressourcen klug zu verteilen und Einsatzkräfte davor zu bewahren, von den Flammen eingeschlossen zu werden. Gerade wenn mehrere Feuer ausbrechen, sind die Ressourcen schnell am Limit. Dann gilt es Menschen und deren Hab und Gut zu schützen und weniger kritische Feuer erst einmal zu vernachlässigen. Dazu muss man aber wissen, wo sich die Feuer hinbewegen.

Bei der Entwicklung von Wald- und Flächenbränden spielen eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle. Wieviel brennbares Material gibt es, wie entflammbar ist das Holz, wie feucht und wie dick sind die Stämme, wie nah beieinander stehen sie, wie dicht ist das Unterholz? Das Modell OpenWFM (Open Wildland Fire Modeling) kennt alleine dreizehn verschiedene Faktoren, die die Brennbarkeit beeinflussen.

Ist ein Feuer erstmal entzündet, hängt die Ausbreitung von vielen Faktoren ab. Einer der wichtigsten ist die Windgeschwindigkeit. Der Wind heizt durch Sauerstoffzufuhr das Feuer an und lenkt die Flammen. Auch die Topologie spielt eine Rolle: An steilen Hängen und in engen Schluchten beschleunigt sich die Ausbreitung. Südhänge sind wahrscheinlich trockener als Nordhänge. Große Feuer können außerdem Auswirkungen auf die lokale Atmosphäre haben, sie machen „ihr eigenes Wetter“. Die immense Hitze entweicht in die Atmosphäre und kann dabei tornadoartige Winde erzeugen. Auch die Feuchtigkeit aus den verbrannten Bäumen und Büschen steigt nach oben auf.

Für Waldbrandvorhersagen gibt es empirische Modelle, die auf der Erfahrung vorheriger Brände basieren und dabei auf statistische oder phänomenologische Beobachtungen setzen. Andere hochkomplexe Simulationen lassen chemikalische und physikalische Gesetzmäßigkeiten einfließen, wie etwa Windströmungen, Berechnungen zur Ausbreitung des Feuers und hochaufgelöste Wetterdaten .

Das Modell FIRETEC des Los Alamos National Laboratory von 1997 ist ein solches komplexes Modell. FIRETEC soll die Interaktion zwischen dem Feuer, dem Brennmaterial, der Atmosphäre und der Topografie berechnen können. Das Programm berücksichtigt beispielsweise den Wärmeaustausch zwischen festen Brennstoffen und Gasen und die Windstrukturen um Hindernisse. Die zu simulierende Fläche wird dafür in kleine Zellen eingeteilt, quasi 3D-Pixel. Diese Voxel können sehr klein werden und eine Kantenlänge von ein bis zwei Metern haben.

FIRETEC benötigt durch diesen Detailgrad so viele rechenintensive Operationen, dass selbst Supercomputer die Simulationen nicht in Echtzeit berechnen können. Für jede Sekunde der Simulation benötigt er ein bis zwei Minuten und ist damit bis zu 120 Mal langsamer als der Brandverlauf in der Realität.

Der Wildland Fire Dynamics Simulator (WFDS) des US-amerikanischen National Institute of Science and Technology ist dafür gedacht, die Entwicklung von Bränden vorherzusagen, wenn urbane und ländliche Regionen aufeinandertreffen. Das 2007 veröffentlichte Modell kann ebenfalls Voxel mit einer Größe von ein bis zwei Metern in einem Gebiet von 1,5 km² berechnen, bei einer Höhe von 200 Metern. Für eine Simulationssekunde benötigt ein Supercomputer aber sogar über 25 Minuten realer Zeit.

Modelle wie FIRETEC oder WFDS können daher nicht zur Echtzeit-Analyse dienen. Sie helfen vielmehr der Forschung, die komplexen Prozesse innerhalb der Brände zu verstehen, und geben Hinweise, wo Brennmaterial durch kontrollierte Brände entfernt werden sollte und wo Feuerschneisen sinnvoll sind. Will man ein bereits brennendes Feuer analysieren, müssen die Voxel vergrößert oder simplere empirische Modelle herangezogen werden.

Neben den Beschränkungen der Rechenleistung gibt es auch Limitierungen bei den Daten. Um genaue Simulationen durchzuspielen, müssen auch alle nötigen Daten in der entsprechenden Auflösung vorliegen. Hier hat es in den vergangenen Jahren bedeutende Fortschritte gegeben. Geografische, topologische, ökologische und meteorologische Daten werden durch höher auflösende Satellitenbilder immer genauer. Der US Forest Service arbeitet zusammen mit dem Unternehmen Esri an einer Karte der amerikanischen Baumbestände, die eine Auflösung von 30 Metern haben soll.

Wie Technology Review in der Juni-Ausgabe berichtete, könnte demnächst künstliche Intelligenz dabei helfen, Satellitenbilder automatisiert auszuwerten. Forscher am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern nutzten etwa Infrarotaufnahmen, um die Menge an Vegetation und damit auch die Menge an Brennstoff zu bestimmen. Das kanadische Start-up Tanka sucht mittels Satellitenbildern nach Waldbränden und prognostiziert auch gleich deren Ausbreitung.

(ghep)