Elektrotandem Pino Steps: E-Bike-Spaß im Doppelpack

Dank der ungewöhnlichen Sitz-/Liege-Kombination haben Fahrer und Beifahrer des Elektro-Tandem Pino Steps freie Sicht auf Straße und Landschaft. Das Fahren unterstützt ein Shimano-Steps-Motor.

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Elektrotandem Pino Steps: E-Bike-Spaß im Doppelpack

(Bild: Peter Nonhoff)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Georg Schnurer
Inhaltsverzeichnis

Die aktuelle Version des Elektro-Tandem Pino Steps ist mit einen Shimano-Steps-Motor aus der 6000er-Serie und einem mit 500-Wh-Akku ausgestattet. Bei normaler Fahrweise und mäßig bergigem Gelände reicht diese Ausstattung für zügige Fahrt über gut 80 km. Im sparsamen Eco-Modus gelang uns auch die motorunterstützte Fahrt auf Nebenstraßen von Hannover nach Göttingen – das waren immerhin 114 km.

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Das Pino Steps von Hase Bikes nimmt unter den Tandems aber nicht nur wegen seines Motors eine Sonderstellung ein: Während man bei üblichen Tandems aufrecht hintereinander sitzt, handelt es sich beim Pino Steps um eine Sitz-/Liege-Kombination, bei der der Pilot in üblicher Radelhaltung hinten sitzt. Der nichtsteuernde sogenannte "Stoker" liegt vorne, quasi zwischen den Armen des Piloten.

Das hat einige entscheidende Vorteile für das gemeinsame Radfahr-Erlebnis, denn so genießt auch der Mitfahrer einen freien Blick auf die Landschaft -- beim klassischen Tandem hat der Stoker hingegen vor allem einen Blick auf den breiten Rücken des Vordermanns. Auch die Kommunikation ist auf dem Pino einfacher, da die Köpfe der beiden Fahrer recht nah beieinander sind -- niemand muss schreien, wenn er dem anderen unterwegs etwas mitteilen will.

Die Frage, wer beim Pino Steps den Lenker in der Hand hat, ist wie bei allen Tandems schnell beantwortet: Als Pilot fungiert stets der mit den kräftigeren Oberarmen. Wer am Lenker sitzt, muss beim Tandem schließlich das Gewicht der beiden Fahrer ausbalancieren, was besonders bei hohen Geschwindigkeiten oder unruhiger Fahrbahn ganz gut auf die Arme geht. Grade auf längeren Touren hat der Pilot deshalb eher Muskelkater in Armen und Schultern, als in den Beinen.

Wer bereits Erfahrung mit Tandems hat, muss sich beim Pino Steps erst einmal an das Lenkverhalten des Bikes gewöhnen: Damit der Sitz des Stokers zwischen den Armen des Piloten Platz findet, kommt ein Geweih-Lenker zum Einsatz. Die Handposition ist deshalb eher senkrecht als waagerecht. Das erfordert einige Eingewöhnung. Vor allem braucht es mehrere Probetouren, bis die richtigen Positionen für die Lenkergriffe und den Lenkerabstand gefunden sind.

Test des Pino Steps von Hase Bikes (14 Bilder)

Das Pino Steps von Hase Bikes ist ein motorisiertes Tandem, bei dem der Pilot hinten sitzt und der Mitfahrer quasi zwischen seinen Armen liegt.
(Bild: Georg Schnurer)

Das Lenken an sich ist zunächst gewöhnungsbedürftig, denn der Drehpunkt der Lenkung liegt knapp vor dem Sitz des Stokers. Dadurch schwenkt das Rohr mit den Pedalen des Vordermanns bei Kurven aus. Wer das nicht beachtet, kommt vor allem bei engen Durchfahrten in Bedrängnis. Doch keine Sorge: An das pinotypische Lenkverhalten hat man sich schnell gewöhnt. Wer – was bei Tandemtouren ohnehin angebracht ist – vorausschauend fährt, bleibt auch in wuseligen Situationen stets Herr der Lage.

Einige Eingewöhnungszeit erfordert auch die Shimano-11-Gang-Schaltung: Die Wahl der Gänge erfolgt mit einem Hebel oben auf der rechten Seite des Lenkers. Das Schalten an dieser Position braucht einige Kraft und anfangs riskiert man dabei unfreiwillige Lenkbewegungen. Auch wenn man sich mit der Zeit an die Schaltung gewöhnt, wäre hier eine andere Lösung, etwa in Form der elektronischen Schaltung Shimano XT Di2, komfortabler.

Auf längeren Touren zeigt das Pino Steps so richtig, was in ihm steckt: Durch die liegende Position des Stokers ist das Gefährt windschnittig. Zudem wandert der Schwerpunkt des Bikes weiter nach unten als bei anderen Tandems. Der tief liegende Motor und der Akku tun ein Übriges. Das sorgt für ein im Vergleich zu klassischen Tandems sehr stabiles Fahrverhalten. Bei rasanten Bergabfahrten wird der Unterschied eklatant: Die beiden "normalen" Tandems des Testers fangen gut bepackt üblicherweise ab etwa 50 km/h an, seitwärts zu schwingen. Mit dem Pino Steps waren dagegen Abfahrten mit gut 67 km/h kein Problem. Das Rad blieb absolut stabil, höhere Geschwindigkeiten verhinderte lediglich der Protest der Beifahrerin.

Die Entfernung der vorderen Kurbel zum Sitz kann man an die Beinlänge des Stokers anpassen.

Apropos Beifahrer: Wer auf dem vorderen Liegesitz Platz nimmt, hat nach kurzer Zeit das Gefühl, über der Fahrbahn zu schweben. Die gute Federung und die breiten Reifen sorgen dafür, dass selbst die Fahrt über Kopfsteinpflaster nicht zur Tortur wird. Dennoch ist dem Stoker zu empfehlen, sich gut an den beiden Griffen unterm Sitz festzuhalten. Für ängstliche Naturen bietet Hase Bikes aber auch ein 5-Punkt-Gurtsystem zum Nachrüsten an.

Generell verlangt die Fahrt mit dem Pino Steps vom Stoker eine gehörige Portion Vertrauen in den Piloten: Man hat direkten Blick auf alles, was einem entgegen kommt, kann aber keinerlei Einfluss auf das Geschehen nehmen. Dafür kann der Mitfahrer dank eines zusätzlichen Freilaufs auch aufhören mitzutreten. Damt ist das Pino Steps auch interessant für Stoker mit Handicap. Hase Bikes bietet deshalb auch eine große Palette an Zusatzoptionen wie etwa Gurte oder modifizierte Pedale für das Pino an. Wer mit kleineren Kindern unterwegs ist, kann das Bike mit wenigen Handgriffen mit einer zusätzlichen Kindertretkurbel ausstatten.

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Das Pino Steps macht aber auch als Lastenrad eine gute Figur: Hase Bikes bietet einen speziellen Gepäckträger – das Porter-Rack – an, das zusammen mit dem Porter-Rack Bag zusätzliches Packvolumen von 80 Liter bereitstellt. Da passt bequem der Wocheneinkauf inklusive des obligatorischen Kasten Wasser rein. Mehr Transportkapazität gefällig? Kein Problem: Statt des Stokers kann man vorn auf dem Pino auch den 120 Liter fassenden Porter Bag installieren.

Das Transportproblem bei typischen Tandems löst Hase Bikes beim Pino Steps sehr elegant: Das Rad lässt sich mit überschaubarem Aufwand in zwei Teile zerlegen. Anschließend passt es in übliche Kombis. Ist man mit dem Pino Steps auf Tour und will Teilstrecken mit der Bahn zurückliegen, ist das Teilen des Rads allerdings nur eine Notlösung: Da man da gut 10 Minuten schraubt, ist es bequemer, das Tandem im Stück im Fahrradabteil unterzubringen. Bei modernen Nahverkehrswagen funktioniert das problemlos. Schwierig wird es aber, wenn man unterwegs auf ältere Waggons mit mehreren Treppenstufen im Einstieg stößt: Das bis zu 2,37**Meter lange Rad lässt sich nur mühsam in diese Wagenvarianten bugsieren.

Wer längere Touren mit Tandem und Bahn plant, tut zudem gut daran, sich vor Fahrantritt über die Beförderungskonditionen der verschiedenen Bahngesellschaften zu informieren. Wir hatten schon diverse unangenehme Diskussionen mit teils übereifrigen Schaffnern, die entweder die Mitnahme des Tandems verweigern wollten, oder zwei Fahrradkarten für das Gefährt verlangten.

Der Motor im Pino Steps unterstützt im Eco-Modus angenehm sanft. Man hat stets das Gefühl, noch Fahrrad zu fahren – allerdings mit Rückenwind. Im Normal- und Power-Mode ist die Unterstützung deutlich zu spüren, unangenehme Stöße und Ruckler gab es nicht. Gut gelungen ist auch das Abschalten des Motors, wenn die 25-km/h-Grenze erreicht wird. Dabei stellt der Motor seine Mithilfe nicht schlagartig ein, sondern läuft sanft aus. Bei anderen E-Bikes hat man hier oft das Gefühl, plötzlich in eine Wand aus Watte zu fahren.

Angenehm ist auch das Verhalten des Motors bei leerem Akku: Er kuppelt aus und man kann das Pino Steps mit reiner Muskelkraft gut weiterfahren. Eine kleine Restladung spart das System für die Beleuchtung auf. So steht man nicht sofort im Dunklen da, wenn man den Akku bei längeren Touren in den Abendstunden wirklich mal auslutscht. Allzu lange reicht diese Akku-Reserve allerdings nicht – nach circa zehn Minuten wird es unwidereruflich dunkel.

Auf- und Nachladen kann man den Akku des Pino Steps sowohl am Fahrrad direkt als auch wenn der Akku ausgebaut wird. Für eine volle Ladung sind etwa drei Stunden erforderlich, doch auch die Teilnachladung in der Mittagspause liefert eine ansehnliche Reichweitenverlängerung.

Auch wenn der Shimano-Steps-Motor für das Pino letztlich eine durchaus gute Wahl war, interessierte uns, wie Hase Bikes auf dieses Modell kam. In einem Interview mit Marec Hase, dem Gründer des Unternehmens, erfuhren wir, dass man bei der Entwicklung Motoren verschiedener Hersteller getestet hatte. Nach den ersten Tests sollte das Pino zunächst einen Motor von Bosch bekommen – als deutscher Hersteller von Spezialrädern wollte Hase Bikes möglichst ein deutsches Fabrikat einsetzen. Doch Bosch verlangte eine Abnahmegarantie von stolzen 10.000 Motoren. Das war für Hase Bikes ein zu großes finanzielles Risiko, erklärte uns der Firmenchef. Shimano war hingegen sehr viel kooperativer und so setzt man bei Hase Bikes nun bei allen Radmodellen auf Motoren dieser Marke.

Wie die meisten Fahrradhersteller fertigt Hase Bikes die Rahmen seiner Spezialbikes nicht selbst. Sie werden im Ruhrgebiet in Waltrop entwickelt und dann in Fernost gefertigt. Der besseren Qualität wegen lässt Hase Bikes aber nicht nur in China, sondern auch in Taiwan fertigen. Der Zusammenbau der Räder erfolgt dann aber wieder im Firmenstammsitz in Waltrop.

Ein Trauerspiel ist freilich die beim Shimano-Steps-System immer noch fehlende Lademöglichkeit für ein Smartphone. Doch auch hier ist Abhilfe in Sicht: Auf der Eurobike war der SP-Connect Connector zu sehen. Diese Nachrüstoption für Shimano-Steps- und andere E-Bike-Systeme ist zwar nicht offiziell von Shimano freigegeben, verhilft dem E-Bikes aber zu einem USB-Ladeausgang. Ob kommende Steuergeräte von Shimano eine passende Ladeschaltung mitbringen werden, wollte Shimano nicht kommentieren.

Was dem Pino Steps dann noch fehlt, ist eine Möglichkeit, eine Smartphone-Halterung in sinnvoller Position anbringen zu können. Aktuell bietet das Pino Steps hier nur suboptimale Lösungen: Oben am Lenker kollidiert das Smartphone möglicherweise mit dem Kopf des Mitfahrers, unten, neben dem Steps-Display, ist zwar Platz, doch hier wäre das oft als Navi fungierende Smartphone nicht im Sichtbereich des Piloten. Eine Lösung wäre ein zusätzlicher Bügel am Stoker-Sitz, doch der ist bei Hase Bikes noch in der Entwicklung.

Unterm Strich ist das Pino Steps ein sehr vielseitiges Tandem mit breitem Einsatzspektrum. Es hat allerdings auch seinen Preis: Die Basisausstattung kostet 7490 Euro, das von uns getestete Modell mit Porter Rack, Porter Rack Bag, zusätzlichem Kindertretlager und 5-Punkte-Gurt für den Stoker schlägt mit stolzen 8713 Euro zu Buche. (gs)