Schaffen Populisten die Impfpflicht ab?

Masernausbrüche gehören auch 2018 noch nicht der Vergangenheit an. Italien beschritt im Vorjahr mit der Einführung der Impfpflicht einen guten Weg. Nun aber droht schon wieder die Abschaffung.

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Von
  • Inge Wünnenberg

31 Menschen sind in der ersten Jahreshälfte in Europa an Masern gestorben. Das müsste nicht sein, wenn die von der Weltgesundheitsorganisation WHO angestrebte Impfquote von 95 Prozent generell erreicht würde. Aber das gelingt zum Beispiel in Deutschland auch nicht. Da hier außerdem kein Impfregister geführt wird, handelt es sich bei den Zahlen ohnehin nur um Annahmen, die von den bei den Schuleingangsuntersuchungen vorgenommenen Erhebungen abgeleitet werden.

Immerhin lag die Zahl der Masern-Erkrankungen in Deutschland bis Mitte Juni nur bei 357 Fällen, während es im Vorjahr insgesamt zu 929 Infektionen kam, wie das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) berichtet. Trotzdem zeigt der diesjährige Masernausbruch in der Stadt Köln der Website der Ärzte Zeitung zufolge, dass sich die extrem ansteckende Krankheit in einer unzureichend geschützten Bevölkerung ungeheuer schnell ausbreiten kann.

Allein in der Domstadt wurden bis Anfang Juli 135 Erkrankte im Alter zwischen sechs Monaten und 62 Jahren registriert. Gefährlich sind Masern vor allem für Säuglinge und Kleinkinder, zumal es für die Virusinfektion selbst keine Behandlung gibt. Die Infektionen bergen zudem das Risiko für die Betroffenen, später im Leben an einer der gefährlichen Folgeerkrankungen zu leiden.

Deshalb startete die Stadt Köln jetzt eine Impfkampagne. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warnte anlässlich der Europäischen Impfwoche im Frühjahr: "Es ist verantwortungslos, Kinder nicht gegen Masern impfen zu lassen oder eigene Impflücken hinzunehmen." Vielleicht sind von dem umtriebigen Gesundheitspolitiker in dem Zusammenhang künftig ja noch mehr Initiativen auch in gesetzgeberischer Hinsicht zu erwarten.

Heutztage aber stellen Masern etwa bei Auslandsreisen ein nicht zu unterschätzendes Risiko für Ungeimpfte dar: Die meisten Masernfälle gab es in diesem Jahr bis Mitte Juli in Rumänien (4317). Aber auch in Urlaubsländern wie Frankreich (2588) und Griechenland (2238) kam es 2018 zu auffällig vielen Erkrankungen.

Italien dagegen, das 2017 noch 5098 Fälle verzeichnete, registrierte in der ersten Jahreshälfte nur 1716 Fälle. Anscheinend zeitigt hier die im vorigen Sommer eingeführte Impfpflicht gegen zehn Krankheiten – darunter Masern – positive Ergebnisse, wie auch die Süddeutsche Zeitung folgerte. Doch die neue rechtspopulistische italienische Regierung ist dabei, diese Erfolge zu untergraben: "Impfung ja, Verpflichtung nein", beschreibt die Webseite DocCheck das Credo der italienischen Lega-Partei. Wenn es nach Parteichef Matteo Salvini gehe, sollen Eltern selbst entscheiden können, ob sie ihre Kinder impfen lassen oder nicht. Noch herrscht in Italien die Impfpflicht. Ihre Abschaffung wäre ein großer Rückschritt.

(inwu)