Duales Studium: Deutliches Wachstum auf niedrigem Niveau

Das duale Studium verbindet Praxiszeiten in Ausbildungsbetrieben mit Theoriephasen an den Hochschulen.

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Büro, Arbeitsplätze

(Bild: 889520, gemeinfrei (Creative Commons CC0))

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Von
  • Peter Ilg
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Wer dual studiert weiß, was ihm beruflich liegt. "Das ist ein riesiger Vorteil gegenüber einem Studium an einer Fachhochschule oder einer Universität", sagt Markus König, 22. Zwar haben auch diese Studierenden Praxisphasen während ihres Studiums, doch diese Pflichtpraktika sind im Vergleich zu einem dualen Studium zeitlich eher kurz. König hatte ein technisches Gymnasium mit der allgemeinen Hochschulreife abgeschlossen und damit die Möglichkeit, an allen Hochschulformen zu studieren.

"Für ein duales Studium habe ich mich entschieden, weil ich kein theoretisches sondern ein Studium mit Praxisbezug machen wollte", betont König. Mechatronik wurde es als Fach, "weil es eine spannende Mischung aus Mechanik, Elektronik und Informatik ist". Vor etwa drei Jahren hat er sein Studium an der dualen Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart angefangen. Sei Ausbildungsbetrieb ist Stihl, bestens bekannt vor allem als Weltmarktführer bei Motorsägen.

Das duale Studium ist eine Erfindung Baden-Württembergs, Fachhochschulen waren die ersten, die eine solche Studienart angeboten haben. Heute gibt es in allen Bundesländern duale Studiengänge, die in den allermeisten Fällen von Fachhochschulen und nur mit wenigen Ausnahmen von Universitäten angeboten werden. Ein duales Studium verknüpft Praxiszeiten in den Ausbildungsbetrieben mit Theoriephasen an den Hochschulen.

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Auswertungen des Bundesinstituts für Berufsbildung zeigen einen klaren Trend hin zum dualen Studium: 2017 gab es erstmals mehr als 100.000 duale Studierende in Deutschland. Seit 2004 hat sich die Anzahl der dualen Studierenden mehr als verdoppelt, die Zahl der Studiengänge die der Kooperationsunternehmen in etwa verdreifacht. Das größte Angebot an Studiengängen gibt es im Ingenieurwesen, dann folgen die Wirtschaftswissenschaften. Bei der Studierendenanzahl ist die Reihenfolge umgekehrt. Das sind zwar gewaltige Zuwächse, doch wenn man die Zahl der dualen zu allen Studierenden in Relation setzt, sieht man, dass das duale Studium eine Nische ist: der Anteil der dualen Studenten liegt bei bescheidenen 5 bis 6 Prozent.

Im Laufe der Jahre hat sich der eigentliche Sinn des dualen Studiums gewandelt. "Der bestand darin, eine Berufsausbildung mit einem Hochschulstudium zu kombinieren. Heute handelt es sich oftmals eher um ein praxisintegriertes Studium mit längeren Aufenthaltsphasen im Unternehmen", sagt Dr. Sigrun Nickel, Leiterin Hochschulforschung am gemeinnützigen Centrum für Hochschulentwicklung CHE in Gütersloh.

Der eigentliche Markenkern des dualen Studiums, die Integration der Berufsausbildung, befindet sich auf dem Rückzug. Das hat verschiedene Gründe: Einer ist die doppelte Belastung durch Berufsausbildung und Studium. Das starke Wachstum des dualen Studiums geht nach Meinung von Nickel nicht auf Kosten anderer Hochschularten. "Durch die Bologna-Reform soll der berufspraktische Teil im Bachelorstudium ohnehin gefördert werden." Wenn die Hochschulen ihr Angebot an dualen Studiengängen weiter ausbauen würden, würde das die Nachfrage weiter erhöhen, prognostiziert Nickel.

Im Oktober beginnen 25 duale Studierende ihre Ausbildung bei Stihl. "Wir konnten alle offenen Stellen besetzten", sagt Claudia Petri, Leiterin Aus- und Weiterbildung. Die 25 sind 7 mehr als 2017. Im nächsten Jahr sollen es 46 werden. "Da wir stark wachsen, sind unsere Fachbereiche auf der Suche nach qualifiziertem Nachwuchs", begründet Petri. Deshalb stockt Stihl seine Ausbildung auf. Petri lobt die enge Verknüpfung von Theorie und Praxis des dualen Studiums während der Ausbildung. "Allerdings gibt es auch Arbeitsplätze bei uns, die ein theoretisches Wissen erfordern, das Studenten eher an einer Fachhochschule oder Universität erwerben." Wer auf welche Stelle passt ist eine Frage der Tätigkeit.

Ein duales Studium dauert drei Jahre und wechselte jeweils nach drei Monaten zwischen Praxis und Hochschule. "Der Aufwand zum Uni- oder FH-Studium ist bei uns ähnlich", weiß Markus König aus Gesprächen mit Freunden, die dort studieren. Um sich ihr Studium zu finanzieren, würden viele seiner Freunde während der Semesterferien irgendwo am Band arbeiten. Er bekommt eine Ausbildungsvergütung, die in etwa auf dem Niveau eines Mechatronik-Auszubildenden liegt: Die beträgt im ersten Ausbildungsjahr etwa 1.000 Euro und steigt im dritten auf 1.200 Euro an. Bafög bekommen duale Studenten nicht. Den wesentlichen Unterschied zu seinen an anderen Hochschularten studierenden Freunden sieht König darin, dass duale Studenten zu einem festen Zeitpunkt fertig sein müssen. "Schieben geht bei uns nicht." Einen Master plant er derzeit nicht, vielleicht später und dann eventuell in Teilzeit.

König war in seinen Praxisphasen zunächst in der Lehrwerkstatt, dann folgten eine Produktions- und drei Entwicklungsabteilung. "Daher wusste ich genau, was mir liegt und ich später einmal machen möchte." Im September wird es sein Mechatronikstudium abschließen. "Einen Arbeitsvertrag bei Stihl habe ich auch schon, ich beginne im Oktober in einer Entwicklungsabteilung unserer Geräte." Neben Motorsägen sind das etwa Motorsensen und Heckenscheren, mit Zweitaktmotoren oder Akkus. König testet die Zuverlässigkeit der Geräte in Dauererprobungen. (jk)