Schwimmende Farmen aus Plastikmüll

Im Hafenbecken von Rotterdam schwimmt eine künstliche Insel aus recyceltem Müll.

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Künstlicher Park und eine Farm auf dem Wasser

(Bild: Recycled Island Foundation)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Reiner Wandler

Wenn die Neue Maas durch Rotterdam mäandert, bringt sie eine gewaltige Fracht an Plastikmüll mit sich. "Das Wasser ist in vielen Städten der tiefste Punkt, deshalb gelangt so viel Müll in unsere Flüsse", sagt der niederländische Architekt Ramon Knoester, Gründer der Recycled Island Foundation. Seit Kurzem aber schwimmen in der niederländischen Hafenstadt dort, wo die Neue Maas am Rijnhaven vorbeifließt, lange Barrieren. Sie leiten den Müll in ein vergittertes Becken. Drei Kubikmeter fischt solch eine Falle pro Tag ab. "Wir gewinnen den Müll sehr nahe der Orte zurück, wo er entsteht", sagt Knoester. "Deshalb ist die Qualität sehr gut."

Der Plastikfang wird manuell sortiert und recycelt. Daraus entsteht dann das eigentliche Produkt der Stiftung, entworfen gemeinsam mit der Universität Wageningen: sechseckige, je fünf Quadratmeter große Pflanzenkübel, ähnlich den riesigen Blumentöpfen aus Waschbeton in den Fußgängerzonen. Mit dem Unterschied, dass die Recyclingwaben schwimmen, denn sie haben einen porösen Kern aus Polystyrolschaum.

Miteinander verbunden, bilden die Pflanzkübel eine künstliche Insel. 140 Quadratmeter treiben bereits im Hafenbecken unweit der Rotterdamer Erasmusbrücke. Jetzt denken Stiftung und Stadtverwaltung über einen Ausbau des Projekts nach. Denn in der Stadt sind riesige Wasserflächen ungenutzt, seit sich das Containergeschäft immer weiter flussabwärts Richtung Nordsee verschoben hat.

Vögel brüten auf der neu entstandenen Insel, kleine Fische finden Lebensraum in einem flachen Kanal, der das Areal durchzieht, größere leben darunter im Wurzelgewirr, das ins Wasser hängt. Besucher können über Holzstege auf das Eiland gelangen und sich dort auf einer Sitzgruppe niederlassen. Knoester hat bereits Anfragen aus anderen Hafenstädten, die sich für seine künstliche Insel interessieren.

Unweit von Knoesters Insel in Merwehaven hat die Immobilienfirma Beladon die Idee noch weiter getrieben. "Floating Farm" heißt das Projekt. Es handelt sich um einen schwimmenden Kuhstall mit drei Stockwerken. "Es gibt eine Menge Lebensmitteltransporte von einem Ort zum anderen", sagt Unternehmenssprecherin Minke van Wingerden. "Also warum nicht frische Lebensmittel in oder in der Nähe der Städte auf dem Wasser produzieren?"

Die 27 mal 27 Meter große Plattform aus Stahl und Beton wird derzeit zu einer künstlichen Weide für 40 Kühe ausgebaut. In den unteren Geschossen befinden sich Besucherräume sowie technische Anlagen. Ganz oben stehen auf einer überdachten Weide die Tiere. Durch eine Membran im Boden fließt die Gülle in die Etage darunter ab, den Mist sammeln Roboter ein.

Auch das Melken übernehmen Maschinen. Mist und Gülle werden vor Ort zu Biobrennstoff sowie Dünger verarbeitet. Letzterer dient dem Anbau von speziellem Gras mit hohem Nährwert. Der Rest des Futters stammt aus dem Umland: Kartoffelschalen, Restprodukte einer Bierbrauerei und einer Mühle. Getränkt werden die Tiere mit Regenwasser, das auf der Plattform gesammelt und mittels Membranen gereinigt wird.

Für van Wingerden gehört Projekten wie der Floating Farm die Zukunft: "70 Prozent der Weltoberfläche bestehen aus Wasser, also warum nicht das Wasser verwenden, um frische Nahrung zu produzieren?"

(bsc)