Kolumne: Vom Reisen, Testen und Teasern – der Fotografie-Monatsrückblick

Sommerzeit ist Reisezeit: Andreas Kesberger kämpfte diesmal mit extremen Brennweiten, erwarteten unerwarteten Konkursen und Gedächtnislücken.

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Kolumne: Vom Reisen, Testen und Teasern – der Fotografie-Monatsrückblick

(Bild: Andreas Kesberger)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Andreas Kesberger
Inhaltsverzeichnis
Ein Kommentar von Andreas Kesberger

Andreas Kesberger ist Fotoingenieur, Autor und Geschäftsführer der Fotopioniere in Berlin. Da er sich seit seinem Studium intensiv mit fotografischen Haltbarkeitsfragen beschäftigt, dreht sich diese Kolumne allmonatlich um das, was vom aktuellen Fotomonat haltbar oder einfach nur übrig bleibt.

Immer öfter liest man bei der Vorstellung einer neuen Kamera – apropos, ach nee, später... – in den Kommentarspalten, dass die Kamera ja gar nicht interessant wäre, weil sie keine fünf Speicherfächer hat oder man damit auch nur fotografieren könne. Und das kulminiert dann in dem Satz: "Da mach ich von dem Geld doch lieber ne schöne Reise." Ja, wenn das denn so einfach wäre. Nach der Sommerpause dieser Kolumne muss ich mich im Rückblick noch mal mit der Fotoreiseplanung beschäftigen. Man will ja was lernen für die nächste Tour.

Die Kamera, die mich lange Jahre begleitet hat, konnte ich nicht mitnehmen. Die wurde mir vor ein paar Monaten gestohlen. Zum Schluss hat sie eh hauptsächlich noch Passbilder gemacht, aber vermissen tu ich sie doch. Hängen so viele Erinnerungen dran. Der "Finder" kann sich bei Gelegenheit ruhig mal das mittlerweile nutzlos gewordene Ladegerät abholen.

Dieses Jahr ging es nach Schottland in die Highlands. Perfektes Fotoziel, Beispielbilder allüberall, auch die Harry-Potter-Brücke ist da. Da könnte man wunderbar Ausrüstung testen. Wenn man genug Zeit zum Planen hätte. Hat man natürlich nicht. Muss noch Kolumnen schreiben. Als ich dann Hasselblad für ein Leihgerät der spiegellosen Mittelformatkamera X1D anfrage, klappt das nicht, weil der zuständige gerade im Urlaub ist. Wo soll er auch sonst sein im Juli. Hmh, dann vielleicht was Exotisches, ein Laowa-Objektivtest. Sind ja im Trend die Chinesen.

Harry Potter meets Holga

(Bild: Andreas Kesberger)

Objektive ohne Kameras zu testen ist sinnlos. Ich hatte mir gerade die neue Fuji X-T100 gekauft und das bestellte Zeiss-Macro fehlte noch (das kam in Berlin an, als ich gerade über den Ärmelkanal schipperte). Aber mit Laowa...? "Ja, wir hätten da ein 9-Millimeter, das 15-Millimeter-Shift-Macro und ein 2,5- bis 5-fach Lupenobjektiv. Wollen Sie das alles mal ausprobieren?" Joah.

Zumindest musste ich mir so keine Sorgen mehr über die Größe des Ferienhauses machen. Ein Blick durchs Objektiv und selbst die kritischsten Kinder würden es riesig finden. Lupe und das Shift gäbe es nur mit Nikon- und Sony-E-Anschluss und mitgeliefertem Adapter. Ja super, dann kann ich ja das immer noch nicht zurückgeschickte – sorry, die Urlaubsvorbereitungen – Voigtländer 1,2/40 mitnehmen und die Normalität ist gerettet. Dass es keine Sony-E-Fuji-Adapter gibt und der Kollege sich vertan hatte, ist mir leider erst beim Packen aufgefallen. Da hätte ich auch selber mitdenken können – Auflagemaß und so. Selbst schuld. Okay, dann eben mit Normalbrennweite analog fotografieren zur Entspannung. Ist ja schließlich Urlaub, und der ist irgendwie auch manuell. Seit meiner letzten Second-Hand-Recherche bin ich schließlich stolzer Besitzer einer Fuji 645. Und die Holga 6x12 darf auch noch mit.

Tolles Team für die Weite: Fuji X-T100 und Laowa 9 mm

(Bild: Andreas Kesberger)

Unterwegs diskutierten wir schon mal die maximale Länge von Fotoausflügen – "Papa, nur ein Foto, wir warten nicht die ganze Zeit auf Dich!" In Schottland angekommen, haben wir gleich das nächste Schloss besichtigt. Mann, ist das weit weg. Im Sucher. Her mit dem Rollfilm. Den ersten Film mit der Fuji belichtet und abends gewechselt und...? Und nix mehr, Transport geht nicht, Verschluss geht nicht. Ab zurück in die Reisetasche mit traurig ausgeklapptem Schnellspannhebel. Na, dann ist das 15er eben die längste Brennweite. Leider hat sich dann gezeigt, dass das Shift im Macro zwar witzig, aber im Unendlichen schärfemäßig ausbaubar war. Also hatte ich ein noch tolles – scharfes – winziges Reise 9er an ner winzigen Kamera, und die Schlösser und Berge waren noch viel weiter weg und noch viel winziger. Besonders schön war der Delfin-Hotspot an der Küste wo neben mir mindestens zehn stativgestützte Superteles auf die abendliche Heimkehr von MacFlipper warteten. Ich hab dann mal die Steine im Meer fotografiert und mich fast gefreut, dass die Delfine an dem Abend auch keine Lust hatten. Fassen wir kurz zusammen: Es hat mal wieder viel Spaß mit der Panorama-Holga gemacht. Planung ist halt alles.

In meinen bizarren Schottland-Objektiv-Park hätten mit Sicherheit auch ein paar Konstruktionen von Meyer-Görlitz gut gepasst. Hätte, hätte, Abbildungskette – welche Objektive denn? Ich muss zugeben, für mich war der Konkurs der Muttergesellschaft Net SE das August-Ereignis, ganz einfach, weil er so logisch war und ich eben trotzdem gar nicht damit gerechnet habe. Mea culpa. Ganz nebenbei: Da ein Teil der nicht erschienenen Objektive ja in Hamburg zusammengeschraubt wurde, hat man dort vielleicht jetzt Zeit meine Fuji 645 nach vier Wochen mal zu reparieren...

Wenn das Geschäftsmodell auf einem Seifenblasenbookeh beruht, muss man sich vielleicht nicht wundern, wenn es platzt...

(Bild: Andreas Kesberger)

Warum ich mit dem Konkurs nicht gerechnet habe? Wahrscheinlich, weil ich schon mal ein Trioplan zum Testen hatte. Echte Objektive schaffen echtes Vertrauen. Auch wenn ich alle Objektive der Kollektion zum Standardpreis für unverkäuflich hielt, fand ich das Kickstarter-Modell doch interessant. Ich dachte immer, der Markt regelt den späteren Preis schon noch, die Cosina-Voigtländer-Connection hat sich ja auch halbwegs auskömmlich entwickelt. Aber dort hat man eben kein unübersichtliches Firmen- und Marken-Geflecht geschaffen, dass meist im Verdacht steht, nur dem eigenen Wohlergehen zu dienen.

Die Abbildungsleistung des Trioplans hätte mich auch dazu bringen müssen, an den Konkurs zu glauben. Aber irgendwie hat es ja auch Spaß gemacht, mal nur nach Spitzlichtern und unscharfen Hintergründen im Wald zu suchen. Und ich gebe zu, hätte ich eine Fuji GFX, ich hätte mir bei Indiegogo das angeblich mittelformattaugliche Primoplan 75 II zum halben Preis bestimmt bestellt. Ich war selbst ohne Kamera kurz davor. Tolles Schnäppchen, kann man ja wiederverkaufen, ach und die Mechanik und der Look. Das Geld wäre jetzt einfach weg. Und den Look hätte es nie gegeben. Höchstens den Look aufs Konto. Dabei kann man dafür eine Reise machen.

Gier macht so blind, was beim Fotografieren doch eher unpraktisch ist. Schade um die neuen und alten Konstruktionen und wenn wirklich ein Autounfall der Insolvenz-Auslöser war, dann kann man nur alles erdenklich Gute gesundheitlich für den CEO Dr. Stefan Immes wünschen, aber Kickstarter und Objektive, das hat sich nun erledigt und das hätte es bei gesunden Menschenverstand sowieso.

War noch was im August? Irgendwas mit ner neuen Kamera? Hmh. Komm jetzt einfach nicht drauf... Bin scheinbar beim 5. Teaservideo eingeschlafen. Seltsam. (ssi)