Technologieforum des FKIE: Technik für den Überblick im Krisenfall

Situationswahrnehmung und Lagebilderstellung waren beherrschende Themen beim Technologieforum des Fraunhofer-Instituts FKIE.

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Technologieforum des FKIE: Technik für den Überblick im Krisenfall

Die Ähnlichkeit zu Computerspielen ist kein Zufall.

(Bild: heise online/Hans-Arthur Marsiske)

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  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Das Meer ist ruhig. Unter wolkenlosem Himmel ist kaum Seegang zu erkennen. Dafür kreuzen einige Schiffe, U-Boote sowie Flugzeuge und Hubschrauber den Kurs des eigenen Schiffs. Freund oder Feind? Zahlen und Buchstaben, die neben den jeweiligen Objekten erscheinen, verraten dem Eingeweihten, ob Handlungsbedarf besteht.

Der Rundumblick auf den Ozean, der den Besuchern des diesjährigen Technologieforums beim Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE) präsentiert wurde, erinnerte auf den ersten Blick an ein aufwendiges Computerspiel und war auch tatsächlich eine Simulation. Zukünftig jedoch sollen die Monitore, die in etwa zwei Metern Höhe rund um die "Operationszentrale der Zukunft" angeordnet sind, die reale Situation in Echtzeit wiedergeben. Bislang fehle in den Operationszentralen von Kriegsschiffen diese Möglichkeit einer 360-Grad-Sicht auf die unmittelbare Schiffsumgebung und damit ein wesentliches Element der Lagebeurteilung, erklärte ein FKIE-Mitarbeiter.

Technologieforum des FKIE (8 Bilder)

Rundumsicht für Schiffsbesatzungen… (Bild: heise online/Hans-Arthur Marsiske)

Die Lösung, Monitore wie Fenster nach draußen zu nutzen, habe den zusätzlichen Vorteil, dass problemlos ergänzende Informationen eingeblendet werden können. Das Geschehen rund ums Schiff würde in erster Linie vom Schiffseinsatzkoordinator verfolgt, der in der Mitte des Raums auf einem erhöhten Podest auf einem Drehstuhl sitzt. Von dort aus kann er Anweisungen an die Operateure geben, die um ihn herum an eigenen Terminals sitzen und dort etwa die Identifizierung der gesichteten Schiffe und Flugzeuge oder den Waffeneinsatz steuern.

Bereits bei der Eröffnung des Forums hatte der Inspekteur Cyber- und Informationsraum Generalleutnant Ludwig Leinhos in seinem Grußwort die zentrale Bedeutung des Lagebilds für die Sicherheitskräfte bei Militär und Polizei betont. Die Zahl der Exponate, die sich auf die eine oder andere Weise diesem Thema widmeten, unterstrich seine Worte. Dabei ging es zum einen um die Lage in der unmittelbaren Umgebung aber auch um das große Ganze.

So sollen ähnlich wie bei der Operationszentrale der Zukunft auch den Fahrern von Panzern und anderen geschützten Fahrzeugen mithilfe von Monitoren eine bessere Situationswahrnehmung ermöglicht werden. Als "Panzer aus Glas" bezeichnete Frank Flemisch die Vision dieses Forschungsprojekts, die derzeit noch mit Monitoren verfolgt werde. Angesichts der rasanten Entwicklung im Bereich der Computerspiele rechne er aber damit, dass sie innerhalb von fünf Jahren durch Head-Mounted Displays, die dem Fahrer einen Rundumblick ermöglichten, ersetzt werden dürften.

Die Forschungen zur Verbesserung gepanzerter Fahrzeuge erfolgten auch vor dem Hintergrund, dass nach Jahrzehnten der Anpassung der Bundeswehr an asymmetrische Konflikte jetzt wieder die Kampfkraft gegen einen symmetrisch ausgerüsteten Gegner stärker ins Bewusstsein rücke. Der Leopard 2 etwa, so Flemisch, sei den neuesten russischen Panzern unterlegen.

Neben der visuellen Wahrnehmung der Umgebung werden für die Lagebeurteilung natürlich auch andere Informationsquellen genutzt. So wurden Verfahren zur automatischen Klassifizierung von Funksignalen vorgeführt. Frank Höller demonstrierte die Messung radioaktiver Strahlung durch einen autonomen Roboter, der die räumliche Verteilung der Messwerte in Echtzeit in einer Karte anzeigt. Ulrich Schade präsentierte den "Social Media Monitor", der durch Analyse von Metadaten und textlichen Inhalten Beiträge aus sozialen Medien herausfiltert, sie analytisch aufbereitet und die Ergebnisse visualisiert. Auf diese Weise ließe sich etwa "Hate Speech" identifizieren. Wie gut das bereits funktioniert, soll beim Wettbewerb GermEval 2018 getestet werden, der im September im Rahmen der Konferenz Konvens zur Verarbeitung natürlicher Sprache in Wien ausgetragen wird.

Wie all diese Daten in ein Gesamtlagebild einfließen können, war das Thema von Jürgen Kaster. Dabei sei weniger die Eingabe der Daten das Problem, betonte er, sondern das Wiederfinden. Unter dem Titel "Theatre Civil Assessment" erläuterte er, wie Informationen zum Zustand der Zivilgesellschaft auf einer Landkarte wiedergegeben werden können. Je nachdem ob etwa bei der Versorgung mit Energie, Wasser oder Nahrung alles glatt läuft, es kleinere Probleme gibt oder eine kritische Situation rasches Handeln erfordert, werden die entsprechenden Orte grün, gelb oder rot gekennzeichnet. Durch Anklicken der entsprechenden Markierung können detailliertere Informationen aufgerufen werden.

Bei der für die Erstellung eines solchen "Recognized Civil Picture" (RCP) erforderlichen zivil-militärischen Zusammenarbeit habe Deutschland innerhalb Europas große Kompetenzen. Trotz wachsender Bedeutung würden RCPs aber noch weitgehend ohne fachspezifische IT-Unterstützung erstellt. Auch gebe es noch zu wenig frühzeitige Nutzerbeteiligung. Wie leistungsfähig ein solches System sein könne, habe sich bei der Vogelgrippe gezeigt, deren Ausbreitung in Deutschland am Monitor nahezu in Echtzeit ("mit maximal zwei bis drei Minuten Verzögerung") habe verfolgt werden können.

Es sei das Ziel des FKIE, "existenzbedrohende Risiken frühzeitig zu erkennen, zu minimieren und beherrschbar zu machen", hatte dessen Leiter Peter Martini, zugleich stellvertretender Leiter des Fraunhofer-Verbunds Verteidigungs- und Sicherheitsforschung (VVS), bei der Eröffnung des Forums betont. Die vom FKIE präsentierten Lösungsansätze wurden von 310 Gästen, überwiegend von Bundeswehr und Polizei, begutachtet. Aber auch viele FKIE-Mitarbeiter schauten sich die Exponate mit großem Interesse an. "Du weißt ja oft nicht, was der Kollege drei Türen weiter eigentlich macht", sagte einer. Insofern dient das Technologieforum auch der Erstellung eines internen Lagebildes. (mho)