Genom-Editierung heilt tödliche Muskelkrankheit

Die oft tödliche Duchenne-Muskeldystrophie könnte in absehbarer Zeit mit der Gen-Schere CRISPR bekämpft werden. Aktuell laufen Tierversuche.

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Hunde als Testobjekte im CRISPR-Einsatz

(Bild: "DSC_8145" / Jim Leary / cc-by-2.0)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Antonio Regalado
Inhaltsverzeichnis

Hunde, die an Muskeldystrophie des Typs Duchenne leiden, lassen sich mit Hilfe des CRISPR-Verfahrens heilen. Das zumindest legen erste Ergebnisse nahe, die eine Forschergruppe um Eric Olson vom University of Texas Southwestern Medical Center gerade veröffentlicht hat. Mit Hilfe der Geneditierung könnte sich ein Molekulardefekt, der als Auslöser des Duchenne-Muskelschwundes gilt, umkehren lassen. Von der Erkrankung ist im Durchschnitt einer von 5.000 Jungen betroffen. Der Verlauf endet oft tödlich.

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Olsons Versuche sind einige der ersten, bei denen CRISPR an einem großen, bekannten Tier getestet wird, um Krankheiten zu heilen. Sollte die Methode wirklich wie gewünscht funktionieren, könnten erste experimentelle Versuche an Menschen beginnen. Biotechnikfirmen bereiten CRISPR-Therapien bereits für menschliche Blutkrankheiten vor, zudem für Leberstörungen und genetisch bedingte Sehbehinderungen.

Die Muskeldystrophie könnte jedoch zum wichtigsten Prüfstein für CRISPR werden – und zum spannendsten Anwendungszweck. Das liegt daran, dass die Krankheit relativ häufig vorkommt und nahezu immer tödlich verläuft. Behandlungen gibt es bislang nicht.

Olson hatte CRISPR bereits als potenzielle "Heilung" für die Erkrankung tituliert. Kürzlich brachte er eine Vorschau der neuesten Ergebnisse seiner Gruppe heraus. Forscherin Leonela Amoasii aus seinem Team trat bei einer Konferenz der US-National Institutes of Health auf und berichtet, wie CRISPR in den Blutkreislauf einmonatiger Welpen gegeben wurde, die auf Muskeldystrophie gezüchtet wurden. Ergebnis war, dass die Muskel- und Herzzellen "weitgehend repariert" worden seien. "Wir haben eine breite Korrektur festgestellt", so Amoasii, die auch Bilder reparierter Zellen präsentierte. Die sichtbare Verbesserung sei "bemerkenswert". Im Prinzip handele es sich bei dem Ansatz um eine Einmaltherapie.

Finanziert wurden die Bemühungen von Exonics, einer jungen Biotechnikfirma, die von der Patientenselbsthilfegruppe CureDuchenne im Jahr 2017 gegründet wurde und bislang mehr als 40 Millionen US-Dollar eingeworben hat.

Olsons Labor konnte zuvor die Umkehrung der Muskeldystrophie bei Mäusen zeigen. Der Schritt zu den Hunden ist wichtig, weil eine Behandlung dieser Tiergruppe stärker dafür spricht, dass das Verfahren auch beim Menschen funktionieren könnte.

Versuche an Hunden sind in der Öffentlichkeit umstritten. Die Tierrechtegruppe PETA begann 2016 eine Kampagne gegen ein anderes Labor aus Texas, das an Muskeldystrophie bei Hunden forscht. Auch das Thema Geneditierung wird von PETA beobachtet. Tasgola Bruner, Sprecherin der Organisation, meint, PETA habe nichts gegen CRISPR, spricht sich aber gegen Tierversuche damit aus.

Duchenne-Muskeldystrophie wird durch einen "DNA-Rechtschreibfehler" ausgelöst, der in einem Gen steckt, das für die Produktion des Proteins Dystrophin verantwortlich ist. Es fällt groß aus und dient als eine Art "Stoßdämpfer" in den Muskelzellen. Ohne genügen Dystrophin verlieren die Betroffenen ihre Fähigkeit zu gehen und sterben eines Tages an Herzversagen.

Forscher erwägen schon seit längerem, die fehlerhafte DNA mittels Gentherapie zu ersetzen, wobei bislang Viren verwendet wurden, um eine gesunde Kopie des Gens in die Zellen Betroffener einzuführen. Das Problem liegt aber in der Größe des Dystrophin-Gens. Es ist eines der längsten im menschlichen Genom und zu groß, um es in ein Virus zu packen.

Es gibt mehrere Studien, die Versuchen, um eine gekürzte "Miniversion" des Gens helfen könnte. Firmen wie SolidBio, Sarepta Therapeutics und Pfizer arbeiten allesamt an Therapien basierend auf solch verkürzten Genen. Menschliche Freiwillige wurden Ende letzten Jahres in Studien einbezogen.

Der CRISPR-Ansatz funktioniert anders. Statt ein Ersatzgen einzuführen, wird ein Geneditierungswerkzeug über ein Virus in den Körper eingeführt, wo es dann das genetische Problem beheben kann.

Das Funktionieren des eigenen Gens des Betroffenen wiederherzustellen, gilt als großer Vorteil. Allerdings ist dies ebenfalls eine Herausforderung, weil es mehr als 3.000 Mutationen gibt, die Muskeldystrophie auslösen können. Daher würden mehrere CRISPR-Behandlungen notwendig sein.

Die Teams von Exonics und University of Texas Southwestern Medical Center sind derzeit dabei, eine Genregion anzugehen, die Exon 51 genannt wird und rund 13 Prozent der Patienten helfen könnte. Parallel werden Nebenwirkungen untersucht, etwa Immunreaktionen.

Amoasii zufolge wurden die Tierversuche an Hundemischlingen aus Beagle und Cavalier King Charles Spaniel durchgeführt. Ob die Tiere nach der Behandlung wieder zu Kräften kamen und wieder spielen und laufen konnten, verriet die Forscherin jedoch nicht.

(bsc)