Die dunkle Macht im Körper

Der Einfluss körpereigener Mikroben auf die Gesundheit ist viel größer als gedacht. Nun sollen erste Therapien folgen – unter anderem bei Krebs.

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Die dunkle Macht im Körper

(Bild: Foto: 123RF/Kateryna Kon)

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Von
  • Inge Wünnenberg

Ein bis zwei Kilogramm bringen unsere kleinen Mitbewohner aus dem Darm gemeinsam auf die Waage, insgesamt sind es geschätzte 100 Billionen Mikroorganismen. Trotzdem scheint kaum etwas in der medizinischen Forschung lange Zeit derart unterschätzt worden zu sein wie ihr Einfluss. Hilfe bei der Verdauung? Klar. Aber dass die bis zu 40000 im Darm beheimateten Arten von Bakterien, Archaeen, Pilzen und Eukaryoten noch weit mehr Einfluss auf den menschlichen Körper haben, bei vielen Krankheiten vielleicht sogar eine treibende Rolle übernehmen, galt lange als absurd. Inzwischen jedoch untersuchen Wissenschaftler den Beitrag des Mikrobioms zu so unterschiedlichen Leiden wie Parkinson, Depression, Autismus, Asthma, Gelenkentzündungen, Bluthochdruck, Diabetes, Darmkrebs und zu Erkrankungen von Herz, Leber und Nieren. Bei nahezu allen chronischen Krankheiten, so scheint es, suchen Forscher nach einem Zusammenhang mit der Darmflora.

Am Anfang stand die simple Frage: Was lebt eigentlich alles im Darm? Lange scheiterte die Antwort schon daran, dass sich die Mikroorganismen nicht im Labor züchten ließen. Denn sie leben anaerob, also unter Ausschluss von Sauerstoff. Sobald die Darmbewohner mit Luft in Berührung kommen, sterben sie ab. Mit neuen molekularbiologischen Sequenziermethoden und einer gestiegenen Computerleistung können Forscher dieses Hindernis nun jedoch umgehen. Sie konzentrieren sich entweder auf einen Abschnitt im Erbgut, der in allen Bakterien vorkommt, sich aber von Art zu Art minimal unterscheidet. Oder sie analysieren die komplette DNA einer Stuhlprobe. Diese Methode dauert länger, ist teurer und sehr rechenaufwendig, liefert dafür jedoch zusätzlich Erkenntnisse über Viren, Phagen und Pilze sowie über Stoffwechselwege.

Die neuen technischen Möglichkeiten erlaubten es Forschern der University of California in San Diego 2012, das American Gut Project ins Leben zu rufen. Weniger höflich könnte man sagen: Rob Knight, Jeff Leach und Jack Gilbert sammeln Fäkalien. Für einen Betrag von 99 Dollar können Menschen eine Probe einreichen und analysieren lassen. Außerdem werden den Teilnehmern Fragen zu ihrer Gesundheit, Krankengeschichte, Ernährung und ihrem Lebensstil gestellt. Denn die drei Forscher wollten nicht nur wissen, welche Bakterien sich finden lassen. Sondern auch, ob es einen Zusammenhang zur körperlichen Verfassung gibt – und wenn ja, ob Bakterien die Ursache oder die Folge sind. Daran knüpft sich eine riesige Hoffnung: dass es gelingen könnte, auf sehr natürliche Art so dramatische Volksleiden wie Parkinson oder Diabetes in den Griff zu bekommen.

(inwu)