Vertikale Umleitung

Rund 50 Firmen weltweit arbeiten an Flugtaxis, erste Prototypen sind bereits im Test. Kritiker halten die geplante Luftflotte für den Stadthimmel indes für zu laut, zu gefährlich und zu teuer.

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Vertikale Umleitung
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Joseph Scheppach

Nur noch das Smartphone aus der Tasche ziehen, ein elektrisches Flugtaxi ordern und davonschweben – über alle Staus hinweg. „Der innerstädtische Flug wird kommen“, ist Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) überzeugt. In den nächsten 20 Jahren will er ein bayernweites Lufttaxi-Streckennetz errichten. „Dazu soll ein Testfeld aufgebaut werden, das bayerische Unternehmen und Forschungseinrichtungen zur anwendungsnahen Flugerprobung in einer realistischen Umgebung nutzen können“, erklärt Johannes Frik, Sprecher des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Energie und Technologie. Langfristperspektive sei es, einen Lufttaxibetrieb mit über ganz Bayern verteilten Basisstationen aufzubauen.

Nicht nur in Bayern träumt man vom Abheben. Rund um den Globus tüfteln etwa 50 Unternehmen mit Hochdruck an Senkrechtstartern („Vertical Take-Off and Landing“, VTOL), neben kleinen Start-ups auch große Autobauer und Luftfahrtkonzerne. So unterschiedlich die fliegenden Kisten aussehen mögen – in einem Punkt sind sich dabei alle Entwickler einig: Sie wollen keine Luxusliner für ein paar Eliten bauen, sondern massentaugliche Alltagsgefährte. Fluggeräte werden ein integraler Bestandteil der urbanen Mobilität, prophezeit etwa das Beratungsunternehmen Porsche Consulting in einer Studie. Der Transport von Waren und Passagieren mit den Kleinfliegern habe das Potenzial, bis 2035 ein globaler Markt im Wert von 74 Milliarden Dollar zu werden.

Bereits in den nächsten fünf Jahren, schätzen die Autoren der Analyse, werde das private Flugtaxi Realität. Die CSU-Fraktion im Stadtrat von München hat vorsichtshalber schon mal einen Antrag gestellt, Heliports auf dem Dach des Bahnhofsneubaus zu errichten. Auch Florian Holzapfel, Professor für Flugsystemdynamik an der TU München, vermutet, dass 2020 die ersten pilotengesteuerten Geräte abheben werden. „Fünf Jahre später dürften vollautomatische Systeme marktreif sein“, sagt der Experte.

So will zum Beispiel Dubai am liebsten schon zur Expo 2020, die in dem Emirat stattfindet, einen ersten Regelbetrieb mit Flugtaxis starten. Volocopter, ein Unternehmen aus dem badischen Bruchsal, absolvierte dort letzten September bereits einen Probeflug: acht Minuten lang, rein elektrisch angetrieben und autonom, ohne Pilot an Bord oder am Boden. „Es war der erste autonome Test eines Lufttaxis in innerstädtischer Umgebung“, sagt Firmensprecherin Helena Treeck. Der Flieger von Volocopter erinnert an einen Hubschrauber, nur dass sich auf seinem Dach 18 je 1,8 Meter große Elektropropeller drehen. Sie halten eine Kabine für zwei Passagiere in der Luft. Gesteuert wird der Senkrechtstarter einhändig per Joystick. Diese Aufgabe übernimmt zunächst ein Pilot, später soll der Volocopter sein Ziel im Umkreis von rund 27 Kilometern selbstständig ansteuern.

Einem ähnlichen Prinzip folgen auch die Entwickler der chinesischen Ehang 184. Die eiförmige, elektrisch betriebene Kapsel mit zwei Kufen ist nur rund 100 Kilogramm schwer. Das Einsatzszenario, das den Ingenieuren für ihr 300000 Euro teures Gefährt vorschwebt: Der Passagier tippt auf einem Display seinen Wunschort ein und lässt sich automatisch dorthin fliegen. Bisher hat die Drohne laut unbestätigten Firmenangaben rund tausend bemannte Testflüge in den USA und China absolviert.

Fraglich ist allerdings, ob ein oder zwei Sitzplätze reichen, um ein bezahlbares Lufttaxi anzubieten. Oder ob es damit am Ende doch zum exklusiven Transportmittel für die Reichen wird – allen Beteuerungen zum Trotz. Der Flugzeugbauer Airbus jedenfalls geht davon aus, dass sich nur mit größeren Fluggeräten ein tragfähiges Geschäftsmodell für den innerstädtischen Transport aufbauen lässt. Seine Quadrokopter-Gondel CityAirbus ist daher für vier Passagiere ausgelegt. Sie soll noch dieses Jahr zum Jungfernflug starten. Von acht E-Motoren angetrieben, kann sie bis zu 120 Kilometer pro Stunde fliegen, zunächst mit Pilot, später autonom.

(grh)