Cyborgs im Büro

Mitarbeiter eines Technologie-Unternehmens haben sich vor einem Jahr RFID-Chips in die Hand implantieren lassen. Experten äußern Datenschutz-Bedenken, aber die Nutzer sind zufrieden.

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Cyborgs im Büro

(Bild: Three Square Market)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Rachel Metz
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Wenn Patrick McMullan bei der Arbeit eine Dose Cola aus dem Automaten möchte, bezahlt er mit einer kurzen Handbewegung. Weil zwischen seinem Daumen und Zeigefinger ein Mikrochip implantiert wurde, kann der Automat automatisch den Preis für die Dose abbuchen. In seinem Büro ist McMullan einer von Dutzenden Mitarbeitern, die seit inzwischen einem Jahr das Gleiche tun.

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McMullan ist President von Three Square Market, einem Technologie-Unternehmen, das Mini-Märkte zur Selbstbedienung in Krankenhäusern, Hotels und Pausenräumen von Unternehmen einrichtet. Im vergangenen August entschied er sich als einer von rund 50 Beschäftigten im Hauptquartier des Unternehmens im US-Bundesstaat Wisconsin dafür, sich den Chip in die Hand einsetzen zu lassen.

Die Idee entstand Anfang 2017, wie McMullan berichtet. Er war auf einer Geschäftsreise in Schweden, wo manche Leute mit Mikrochips unter der Haut bereits sichere Gebäude betreten oder Zugtickets buchen. Schweden ist eines der wenigen Länder, in dem Chip-Implantate, die es bereits seit einer Weile gibt, auf breiteres Interesse gestoßen sind.

Die Chips in McMullan und seinen Kollegen sind ungefähr so groß wie ein großes Reiskorn. Sie sollen den Zugang zum Büro, das Anmelden an Computern oder den Kauf von Essen und Getränken in der Kantine erleichtern. Wie viele RFID-Chips sind sie passiv, enthalten also keine Batterien, sondern beziehen Energie, wenn ein RFID-Lesegerät Daten von ihnen abruft. Auf dem Chip von McMullan zum Beispiel sind auch Daten für den Zugang zum Bürogebäude und einige medizinische Informationen gespeichert.

Ein Jahr nach Beginn des Experiments sagen McMullan und andere, sie würden den Chip bei der Arbeit weiterhin für all die Aktivitäten nutzen, die sie im vergangenen Sommer begonnen haben. Seit damals haben sich 30 weitere Beschäftigte die Chips implantieren lassen, so dass inzwischen fast jeder dritte Mitarbeiter des Unternehmens eine Art Cyborg ist.

„Man gewöhnt sich daran, kein Problem“, sagt McMullan. Soweit er wisse, hätten sich nur zwei Mitarbeiter von Three Square Market den Chip wieder entfernen lassen – als sie das Unternehmen verließen.

Der Software-Entwickler Sam Bengtson sagt, er nutze den Chip 10- bis 15-mal am Tag. Für ihn mache es keinen Unterschied mehr, ob er mit seiner Hand über ein RFID-Lesegerät an seinem Computer wischt oder mit der Tastatur sein Passwort eingibt.

Steve Kassert, Vice-President für Finanzen, hat sich sogar schon fest an den Chip gewöhnt: Als der RFID-Leser am Getränke-Automaten vor ein paar Monaten ausfiel, sei er verärgert gewesen, berichtet er. „Er ist einfach zum Teil meiner Routine geworden“, sagt Kassert.

Außerdem experimentiert das Unternehmen mit Möglichkeiten, den Chip außerhalb des Körpers einzusetzen. Laut McMullan gab es im August und September Tests in zwei Krankenhäusern, bei denen verifiziert werden sollte, wann Ärzte und Pflegepersonal ihre Hände waschen. Sie sollten Armbänder mit einem Chip tragen, der gescannt wird, um einen Wasserhahn anzustellen, was früher schon einmal versucht wurde.

Nick Anderson, Associate Professor für öffentliche Gesundheitswissenschaft an der University of California in Davis nennt als offensichtliche Probleme Datenschutz und Sicherheit für sämtliche Daten, die auf den Chips gespeichert werden. Die Lesegeräte könnten reichlich Informationen über das Kommen und Gehen von Mitarbeitern sammeln, die theoretisch auch von fremden Personen mit Lesegeräten abgerufen werden könnten.

Wie McMullan erklärt, ist nur ein Teil der auf seinem Chip gespeicherten Daten verschlüsselt. Ähnliche Informationen könnten aber auch aus seiner Brieftasche gestohlen werden, argumentiert er.

Zudem besteht die Möglichkeit, dass die Technik im Körper der Beschäftigten veraltet – auf Dauer ist das fast sicher. Bengtson zumindest bereitet diese Überlegung Sorgen: „Es wird möglicherweise – darf ich das so sagen? – ein Upgrade-Programm oder etwas in der Art geben müssen.“

(sma)