Post aus Japan: Nippon fürchtet sich nicht vor Robotern

Zwei Studien zeigen, dass Japaner sich weniger vor Kollege Automat als Arbeitsplatzkiller fürchten als Bürger anderer Nationen. Und dafür gibt es gute Gründe.

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Post aus Japan: Nippon fürchtet sich nicht vor Robotern

(Bild: "Robot" / Freddy Alberto Suarez Guerrero / c-by-2.0)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Martin Kölling
Inhaltsverzeichnis

Eine Angst geht um in der Welt, die Angst vor einem Leben ohne Erwerbsarbeit. Selbst einige Propheten künstlicher Intelligenz und Robotern warnen, dass die neuen Technologien dieses Mal mehr Arbeitsplätze vernichten als schaffen könnten. Denn die Automatisierung dringt nun auch in Bereiche geistiger Arbeit vor, die bisher als rein menschliche Domäne galten. Doch nicht in allen Ländern fürchten sich die Menschen gleich. Dies zeigt eine Studie des Pew Research Centers.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Personen aus zehn Nationen befragten die Meinungsforscher jüngst, darunter auch Japaner, Kanadier und US-Amerikaner. Und schon die erste Antwort ist auffällig. Unter den befragten Roboterpioniere aus Ostasien erwarten demnach 89 Prozent, dass Systeme und Maschinen in den kommenden 50 Jahren wahrscheinlich viele Jobs übernehmen werden, die heute noch von Menschen ausgeübt werden.

Nur in Griechenland war der Wert noch höher. In den Schwellenländern Griechenland, Argentinien und Südafrika lag der Anteil derjenigen mit 40 oder mehr Prozent am höchsten, die diesen Trend zum Ersatz von Menschen durch Maschinen als definitiv ansehen. Hingegen glaubten in den USA immerhin 35 Prozent an die Unersetzlichkeit des Homo Sapiens.

In einem Punkt gleichen die sich die Nationen. Wie in vielen Ländern nehmen auch in Japan über 80 Prozent der Befragten an, dass die Schere zwischen arm und reich in der Gesellschaft der Zukunft weiter auseinanderklaffen wird. Aber immerhin sind die Japaner so optimistisch wie keine anderen Befragten, dass dieser Trend die Wirtschaft effizienter macht (74 Prozent). Bei den Italienern sind es nur 33 Prozent. Gleichzeitig glauben nur 75 Prozent der befragte Japaner, dass Menschen es schwer haben werden, Jobs zu finden. Absolut gesehen ist das zwar immer noch hoch. Aber es ist der geringste Wert im Feld der Nationen.

Der relative Optimismus hat seine Gründe, wenn man Wissenschaftlern des Internationalen Währungsfonds folgt. In der Juni-Ausgabe des IWF-Magazins "Finance & Development" erklären sie, dass Japan vielleicht eines der wenigen Länder ist, die selbst die Automatisierung des Dienstleistungssektors derzeit als positiv empfinden.

Ein Grund ist vielleicht, das Japan immer noch ein Roboterpionier ist. Prozentual gesehen hat beschäftigt Südkorea zwar inzwischen doppelt so viele Roboterkollegen wie Japan (und Deutschland). Aber Japans Konzerne exportieren noch immer mehr Roboter als die nächsten fünf Roboterexporteure Deutschland, Frankreich, Italien, die USA und Südkorea zusammen.

Gleichzeitig leidet der Dienstleistungssektor am stärksten unter zwei wichtigen Trends: Erstens schrumpft die Bevölkerung immer schneller. Und der Arbeitskräftemangel trifft besonders die gering bezahlten Jobs. Zweitens ist die Produktivität im tertiären Sektor miserabel. Während die verarbeitende Industrie pro Mitarbeiter den Ausstoß seit 1970 verdreifacht hat, verbesserte der Dienstleistungssektor seine Produktivität gerade mal um 25 Prozent. Dies sei die Hälfte des amerikanischen Zuwachses, so die IWF-Experten. Gleichzeitig sinkt die Qualität vieler Dienstleistungen wegen des wachsenden Arbeitskräftemangels.

Vor diesem Hintergrund versprechen nach Meinung der IWF-Forscher künstliche Intelligenz, smarte IT-Lösungen und Roboter gleich mehrere Probleme zu lösen, ohne dank alternder Gesellschaft und schrumpfenden Arbeitskräftepools wirklich Menschen Jobs wegzunehmen. In immer mehr Restaurants können die Kunden mit Tablets bestellen, in immer mehr Supermärkten an halbautomatisierten Kassen selbst bezahlen. Doch es gibt noch viel Raum für Verbesserungen. Mit vollständig automatisierten Kassen wird zwar experimentiert. Aber in einigen Supermärkten denken selbst die Roboterkassierer noch analog. In meiner Nachbarschaft muss ich zwar selbst bezahlen. Doch die Kasse akzeptiert nur Bargeld und keine Kredit- oder elektronische Geldkarten.

Ein weiterer Grund ist die positive Erfahrung in den Regionen, in denen viele Roboter am Band stehen. Die IWF-Autoren zitieren eine Studie von 2017 in Japan, in der hohe Roboterdichte nicht nur mit größerer Produktivität, sondern auch mit mehr Arbeitsplätzen und höheren Löhnen einhergeht.

Dieser Trend ist eigentlich wenig verwunderlich. Denn Roboter werden vor allem in Großunternehmen eingesetzt, die für den globalen Markt produzieren und deren Arbeiter generell mehr verdienen als die von kleineren, auf den Heimatmarkt fokussierten Unternehmen. Aber die gute wirtschaftliche Lage um die Roboterareale beeinflusst die Sicht der Japaner sicherlich positiv, während in den USA die Menschen eher die Erfahrung machen, dass Maschinen Menschen verdrängen.

Und mehr noch: Die Anwendung von IWF-Theorien auf Japan zeigt, dass in der ostasiatischen Industrienation Roboter nicht unbedingt zu wachsender Ungleichheit führen muss. Wenn der Arbeitskräftepool schrumpft, könne selbst eine Automatisierung, die Jobs voll durch Maschinen ersetzt, Gehälter und Wachstum steigern. "Mit anderen Worten, wenn Arbeitskräfte buchstäblich verschwinden und es kaum Aussichten auf Linderung durch höhere Einwanderung gibt, könne Automatisierung und Robotik eher die Arbeitslücke schließen und höhere Produktion und Einkommen schaffen als die menschlichen Arbeitskräfte zu ersetzen", schreiben die Autoren.

Sie erheben Japan daher zu einem Studienobjekt für den Rest der Welt: Japan sei ein bisher recht einmaliger Fall, der allerdings Lehren für andere schnell alternde Nationen wie China und Südkorea parat halten könnte, so heißt es. Vielleicht sogar für Europa. Allerdings verraten die Autoren nicht genau, wie diese Lehren aussehen. Aber das können dann ja vielleicht noch weitere Studien klären.

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