Baden-Württemberg: Schul-Portal Ella verzögert sich wohl um Jahre

Die Regierung Baden-Württembergs zieht bei Ella die Reißleine. Die Bildungsplattform soll mit einem neuen technischen Partner umgesetzt werden. Das kann dauern.

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Baden-Württemberg: Schul-Portal Ella verzögert sich wohl um Jahre

(Bild: Kultusministerium Baden-Württemberg)

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Von
  • dpa
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Die Schulen in Baden-Württemberg müssen zunächst ohne eine zentrale Bildungsplattform auskommen. Der Start des Online-Projektes Ella (für "elektronische Lehr- und Lernassistenz") verzögert sich wohl um mehrere Jahre. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) forderte die für die IT zuständige Landesbehörde BitBW am Donnerstag im Bildungsausschuss im Landtag auf, Vorschläge zur Weiterführung von Ella zu machen – allerdings ohne den Zweckverband Iteos, der bislang mit der technischen Umsetzung beauftragt ist.

Die Leistungen müssten wohl europaweit ausgeschrieben werden. Das dauere neun Monate. Es gehe jetzt Gründlichkeit vor Schnelligkeit, weil die Bildungsplattform am Ende tatsächlich funktionieren müsse. Eisenmann sagte, das Vorgehen sei mit dem für Digitalisierung zuständigen Innenressort abgestimmt.

Der Start von Ella musste im Februar dieses Jahres wegen gravierender technischer Probleme verschoben werden. Für Ella waren bis 2019 insgesamt 28,7 Millionen Euro veranschlagt. Das System soll später einmal von 1,3 Millionen Lehrern und Schülern genutzt werden.

Eisenmann machte klar, dass sie auch mit der Steuerung des Projekts durch BitBW nicht zufrieden sei. Sollte sich dies nicht ändern, werde das Kultusministerium das Projekt in Eigenregie mit externen Partnern umsetzen. Auf jeden Fall werde ihr Haus aber eine Stabsstelle einsetzen, die das Projekt begleite. Die Grünen-Bildungsexpertin Sandra Boser sagte, damit sei fraglich, ob es bis zur nächsten Landtagswahl 2021 überhaupt noch eine Bildungsplattform geben werde.

SPD-Bildungsexperte Stefan Fulst-Blei sagte, damit verliere man eine komplette digitale Generation. "Das ist bitter für die Schulen." Zudem gebe es einen finanziellen Schaden von mindestens 6,5 Millionen Euro. Dieser Betrag ist bislang an Iteos geflossen. Ob das Land ihn zurückbekommen und Schadenersatzansprüche abwehren kann, ist offen.

Vertreter von Iteos hatten zuvor im Ausschuss den Eindruck erweckt, dass die Probleme mit Ella weniger gravierend sind als von der Landesregierung beschrieben. Sie beteuerten, das Projekt fortführen zu wollen und dazu auch technisch in der Lage zu sein. Zugleich stellten sie nicht näher bezifferte Schadenersatzforderungen in den Raum, wenn das Land die Zusammenarbeit aufkündigen sollte.

FDP-Bildungsexperte Timm Kern hält eine mangelnde Projektsteuerung durch die Landesregierung für mitursächlich für die Probleme. Iteos habe sich mit vielen Ansprechpartnern auseinandersetzen müssen. "Verbindliche Absprachen wurden dadurch erschwert, Vereinbarungen wieder in Frage gestellt." Auch hätten die Ministerien und BitBW keinen Wert auf Belastungstests der Plattform gelegt. Seine Fraktion wolle wegen eines Untersuchungsausschusses auf die SPD zugehen.

Deren Bildungsexperte Fulst-Blei sprach von einer "Bankrotterklärung" der grün-schwarzen Landesregierung. Sie habe ihr einziges digitales Leuchtturmprojekt versenkt und sei dafür selbst verantwortlich. "De facto geschah die komplette Projektumsetzung von Anfang bis zum heutigen bitteren Ende unter der Führung Eisenmanns", meinte Fulst-Blei. "Mit im Boot saß nur noch der bis zuletzt völlig desinteressierte Digitalisierungsminister Strobl", sagte er zu Minister Thomas Strobl (CDU), der für BitBW zuständig ist. Er schloss nicht aus, dass die SPD einen Untersuchungsausschuss mittragen wird. (mho)