SuperMUC NG: Bayern in der Champions League der Supercomputer

Pünktlich zur Wiesn wurde auch der neue Supercomputer SuperMUC Next Generation in München eingeweiht.

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SuperMUC NG: Bayern in der Champions League der Supercomputer
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Von
  • Andreas Stiller
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Nicht nur auf der Theresienwiese wird gefeiert, auch 12 Kilometer weiter nördlich in München/Garching im Leibniz-Rechenzentrum. Denn hier wurde der SuperMUC Next Generation (NG) heute feierlich eingeweiht – obwohl er noch gar nicht final abgenommen ist. Das LRZ spricht daher lieber von „Inbetriebnahme“.

Wie aber auf heise online schon angekündigt, wollten es sich Ministerpräsident Markus Söder und seine passend zur Wiesnzeit im Dirndl gekleidete Wissenschaftsministerin Prof. Marion Kiechle nicht nehmen lassen, den neuen Supercomputer unbedingt noch vor den Landtagswahlen der Öffentlichkeit zu präsentieren, um so vielleicht noch den ein oder anderen Pluspunkt sammeln zu können. Und in einem ganz wichtigen Hi-Tech-Bereich in den Top 10 der World Champion League mitspielen zu können, gibt dafür natürlich reichlich Munition.

Schließlich ist der von Lenovo mit 90 Racks ThinkSystem SD650 DWC aufgebaute SuperMUC NG nicht nur der mit Abstand schnellste Rechner in Deutschland, sondern nach Stand heute vermutlich auch der schnellste in Europa , denn für die Top500-Liste im November soll er in den nächsten Wochen 26,7 PFlops theoretische Spitzenleistung und etwa 20,4 PFlops im Linpack-Benchmark erzielen. Aktuell führt hier der schweizerische Piz Daint des CSCS mit 19,6 PFlops.

Ministerpräsident Söder (rechts) weihte den SuperMUC NG im LRZ München ein.

(Bild: Andreas Stiller/heise online)

Und so hielt Söder eine frei vorgetragene Wahlkampfrede zum Thema Digitalisierung. Hier verriet er auch, dass er zusammen mit anderen "Freaks“ schon in den 80er Jahren auf dem Commodore C64 gespielt und gehackt hat, einer seiner Computerfreunde ist sogar Informatikprofessor geworden. Außerdem verriet er, dass er ein großer Science-Fiction-Fan sei, die Vision der Zukunft sei die Motivation der Gegenwart (oder so ähnlich). Mit Hinblick auf Deep Thought aus "Per Anhalter durch die Galaxis“ wies er darauf hin, dass man auch die richtigen Fragen stellen müsse, sonst bekomme man als Antwort nach Millionen Jahren Rechenzeit nur ein wenig sagendes 42.

Das Budget für den SuperMUC NG samt Betriebskosten für sechs Jahre beträgt rund 96 Millionen Euro. Den Skeptikern, die etwa ob der Kosten herumgranteln, hielt Söder die Befürchtungen der Kritiker entgegen, die vor der Inbetriebnahme der ersten deutschen Eisenbahnlinie zwischen Nürnberg und Fürth monierten, Geschwindigkeiten über 25 km/h würden das Gehirn zermatschen. Wer immer nur nach unten schaut, um Schlaglöcher zu suchen und nie nach oben zum Himmel, kommt nicht voran und bleibt einsam und allein, so Söder. Es gehe nicht darum, dass Bayern first sein müsse, aber vorne mit dabei. Wettbewerb zwischen den großen Rechenzentren sei wichtig, aber genauso wichtig seien Partnerschaften, insbesondere im Rahmen des deutschen Gauss Centre for Supercomputing (LRZ, HLR Stuttgart, Jülicher SC) oder europäisch mit PRACE. 125 Millionen Kernstunden sind bereits für PRACE 18 vorgesehen.

Deutschlands bislang schnellster Supercomputer, der Juwels im Jülicher Supercomputing Centre, wurde erst letzte Woche eingeweiht, Er erreicht mit circa 7,5 PFlops (geschätzt im aktuellen Vollausbau) etwa ein Drittel des heute eingeweihten neuen Spitzenreiters.

Der SuperMUC NG hat auch andere gute Eckdaten, etwa 70 PByte Storage und 700 TByte Hauptspeicher. Weltspitzenreiter Summit brilliert hier mit 256 PByte Storage, 2,3 PByte normalem Hauptspeicher, 440 TByte GPU-Speicher und 7,4 PByte nichtflüchtigen Speicher. Bedenkt man aber, dass der Summit, wie die anderen Spitzensysteme auch, ihre Performance hauptsächlich aus Beschleunigern speisen, dürfte der SuperMUC NG in der Disziplin „General Purpose“ mit seinen über 310.000 Rechenkernen bei vielleicht 30 Prozent der HPC-Applikationen gar weltweit auf Platz 1 liegen. Im Linpack-Benchmark, der sowohl GPUs als auch AVX-512 voll nutzen kann, läge der SuperMUC NG in der aktuellen Top500-Liste auf Platz 5.

Allerdings berichten Mitarbeiter vieler Rechenzentren von sehr stark wachsender Nachfrage nach KI –und da hat Intels Skylake im Vergleich zu Nvidias Volta nicht viel zu bieten. Zum Ausprobieren hat das LRZ daher eine kleine Cloud mit Nvidia-GPUs vorgesehen. Hier bleibt abzuwarten, was SuperMUC NG Phase 2 in etwa drei Jahren bieten wird. Der logische Weg wird Intels nächste Prozessorgeneration mit speziellen HPC-Xeons mit bis zu 44 Kernen und besserer Unterstützung für Deep Learning sein, wie sie für den Exascale-Rechner A21 der Argonne Labs nach der Abkündigung der Xeon-Phi-Linie für 2021 vorgesehen sind. Um hier frühzeitig auf dem Laufenden zu sein, hat das LRZ bereits eine enge Partnerschaft mit den Argonne Labs geschlossen.

Braucht auch ganz schön Platz: die Adsorptionskältemaschine am SuperMUC.

(Bild: Andreas Stiller/heise online)

Insgesamt laufen jetzt im LRZ drei SuperMUC-Rechner (SuperMUC Phase 1, Phase 2 und der neue SuperMUC NG Phase 1). Der schon recht betagte SuperMUC Phase 1 soll aber in einigen Monaten deinstalliert werden. Eine Besonderheit aller drei SuperMUC-Rechner ist ihre Warmwasserkühlung, bei der Wasser von 40°C eingespeist wird und sich in den Racks auf 60° bis 65° aufwärmt. Diese Wärme kann man für Heizungszwecke nutzen oder auch für Adsorptionskältemaschinen (AKM), die wiederum mit warmen Wasser Kälte erzeugen. Eine große AKM ist am SuperMUC Phase 2 angeschlossen. Ob man weitere AKMs für den NG vorsehen wird, oder in den benachbarten Instituten Abnehmer für die Wärme finden wird, ist derzeit noch unklar. (axk)