Hintergrund: Das Aus für die Handy-Subventionen

Mit billigen Handys ist bald Schluss. Für die Anbieter zählt in Zukunft jede Mark.

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Von
  • Holger Dambeck

"Auswüchse der Subventionitis" schimpft VIAG-Sprecher Michael Rebstock und meint nagelneue Handys, die für den Notfall im Handschuhfach liegen oder Prepaid-Sets, die günstiger sind als ein neuer Akku. Das Ganze sei ein "verbogener Markt", meint Rebstock weiter. Transparenter und damit wünschenswert wäre nach seiner Ansicht ein Markt ohne Subventionen. Ob der jedoch tatsächlich kommt, bleibt abzuwarten. Die Kunden sind es gewohnt, für ein Handy fast nichts zu zahlen und die Kosten über die Grundgebühr oder erhöhte Minutenpreise abzustottern. Zumindest bei den Prepaid-Sets ist damit jedoch bald Schluss. Auf der CeBIT verkündeten die vier deutschen Netzbetreiber unisono ""Runter mit den Subventionen". Das kam dem Bundeskartellamt verdächtig synchron vor, die Wettbewerbshüter prüfen bereits, ob hier wettbewerbswidrige Absprachen vorliegen.

Die Prepaid-Sets entpuppen sich immer mehr als Eigentor der Mobilfunkanbieter. Insbesondere T-Mobil habe im Jahr 2000 mit aggressiven Preisen schnell viele Kunden gewinnen wollen, um bei einem Börsengang gut dazustehen, erklärt VIAG-Sprecher Michael Rebstock. Man habe sich für ein paar hundert Mark Prepaid-Kunden gekauft, die Anleger damals mit mehreren Tausend Mark bewertet hatten.

Doch aus den hohen Erlösen je Mobilfunkteilnehmer wurde nichts, die teure UMTS-Versteigerung und das allgemein schlechte Börsenklima machten ein Going Public für die Mobilfunktochter der Telekom zunächst unmöglich. Auch die Strategie, das Prepaid-Kunden den Spaß am Mobil-Telefonieren entdecken und zu Vertragskunden werden, ging nicht auf (wenn man von SMS-verrückten Teenagern absieht). Mehr als zehn Prozent aller offiziellen Mobilfunkkunden sind nichts anderes als Karteileichen, sie benutzen ihr meist teuer subventieniertes Gerät nicht oder haben es längst als Ersatzteilspender ausgeschlachtet.

Mit anderem Prepaid-Gerät wird zwar telefoniert, aber nicht im dafür vorgesehenen Netz. In Russland stammen heute bis zu zwei Drittel aller verkauften Handys aus Grauimporten, schätzt Inga Churashova, die Motorola-Marketingleiterin für den russischen Markt. Händler kaufen die subventionierten Geräte in Westeuropa, lassen die SIM-Locks knacken und verkaufen sie weiter. VIAG Interkom und D1 räumten gegenüber heise online ein, dass sie "vereinzelt" mit betrügerischen Händlern zu tun hatten. Diese hätten größere Mengen Prepaid-Sets bestellt, die Karten seien aber nie freigeschaltet worden. Bei T-Mobil handele es sich dabei um weniger als zehn Händler, erklärte D1-Sprecher Philipp Schindera. T-Mobil habe die Zusammenarbeit sofort beendet. Bei VIAG Interkom bewege sich der Schaden durch betrügerische Händler "im erträglichen Rahmen", sagte Unternehmenssprecher Rebstock. Der genaue Umfang sei jedoch nicht bekannt.

Dass viele Handys in Osteuropa grau importiert wurden, könnte den Herstellern im Grunde egal sein. Sie haben die Geräte ja zum vollen Preis an die westeuropäischen Mobilfunkanbieter verkauft. Doch die Grauimporte bereiten technische Probleme, einzelne Funktionen sind fehlerhaft. "Wir bekommen sehr viele Beschwerden", berichtete Sergei Kozlov von der Moskauer Motorola-Vertretung. "Die Menschen stellen die Qualität unserer Geräte in Frage." Weil davon nicht nur ein Herstller betroffen ist, schlossen sich Alcatel, Nokia, Siemens, Motorola, Philips, Samsung und Panasonic Anfang März zusammen, um gemeinsam gegen Grauimporte vorzugehen.

Betriebswirtschaftlich gesehen sind günstige Lockangebote für neue Handykunden anscheinend Unsinn. Der Mobilfunkmarkt ist schon lange aufgeteilt: Die umsatzstarken Businesskunden haben ihr Handy bereits seit Jahren, in den letzten Monaten gewonnene Kunden gehören eher zu den Handymuffeln. Die Netzbetreiber werden ihre Anstrengungen zur Kundengewinnung in Zukunft deutlich reduzieren. Es gehe darum, "den Kundenzuwachs in eine ausgewogene Relation zu den hohen Akquisitionskosten zu bringen", wie es D2-Chef Jürgen von Kuczkowski ausdrückte. Dafür intensivieren D1 & Co die Pflege ihrer umsatzträchtigen Kunden. Schließlich sollen sie in ein paar Jahren auch begeistert die UMTS-Geräte ordern und möglichst viel und lange benutzen. D2 kündigte auf der CeBIT zum Beispiel einen Hol- und Bringservice zum Austausch defekter Geräte an.

Für den Durchschnittsverbraucher, der nur wenig mobil telefoniert, dürfte sich die Sache dagegen eher zum Negativen ändern. Die Geräte werden eher teurer als billiger; und bei den Tarifen ist kaum mit weiteren Preissenkungen zu rechnen. Für Wenigtelefonierer dürften sich die Tarife eher noch erhöhen. Denn die Mobilfunkbetreiber haben nichts mehr zu verschenken: Die Zinslast der Kredite für die UMTS-Lizenzen und die notwendigen Infrastrukturinvestitionen ist einfach zu hoch, die Telecom-Carrier gehören inzwischen zu den Unternehmen mit den höchsten Schulden in der gesamten Industrie. (hod)