War die Zukunft nicht wundervoll?

Warum manche Ziele unerreichbar bleiben müssen: Ein Streifzug durch Morgiges und die Aufholjagd der digitalen Gegenwart.

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Von
  • Peter Glaser

Das Gefühl, dass etwas nicht möglich sein könnte, schwindet. Mit dem planetaren Internet, Klonschafen und maschinellem Lernen schreiben wir unsere eigene, reale Science-Fiction-Saga. Viel von dem, was inzwischen alltäglich ist, hatte seinen ersten Auftritt in dem erfolgreichen Genre – die bemannte Raumfahrt bei Jules Verne, das Smartphone als Communicator in Star Trek, geostationäre Kommunikationssatelliten bei Arthur C. Clarke.

Wissenschaft und Technologie haben sich in reale Zukunftsphantasien verwandelt. 1997 "beamte" die Arbeitsgruppe des österreichischen Physikers Anton Zeilinger in einem raffinierten Experiment erstmals Lichtteilchen. 2004 gelang zwei Teams der Universität Innsbruck und des National Institute of Standards and Technology in Colorado die Quantenteleportation mit Atomen, anders ausgedrückt: Es wurde tatsächlich Materie gebeamt. Inzwischen liefert die Wissenschaft kreativen Geistern die futuristischen Inspirationen. Vormals kühne Entwürfe sind im Hier und Jetzt angekommen. 2004 erlaubte die US Food and Drug Administration den ersten klinischen Test, bei dem einem Gelähmten erfolgreich ein "Braingate" genanntes Hirn-Computer-Interface in die Hirnrinde implantiert wurde – über ein aus dem Schädel führendes Glasfaserkabel werden die Neuronen mit dem Computer verbunden.

1851 verwendete der britische Dichter William Wilson erstmals den Begriff Science Fiction; im selben Jahr veröffentlichte Jules Verne seine Kurzgeschichte "Ein Drama in den Lüften" über eine spektakuläre Ballonfahrt. Neuen Fortbewegungsmitteln gilt die Aufmerksamkeit von SF-Freunden in ganz besonderem Maß. Auf Zigarettensammelbildern und Zeitschriftenillustrationen waren spektakuläre Entwürfe einer Welt zu sehen, wie man sie sich in 100 Jahren vorstellte – vielschichtige metropole Verkehrsströme, Zeppelin-Kutschen und fliegende Automobile, die an Landebalkonen von Wolkenkratzern festmachen.

1928 erschien in der "Berliner Illustrirten Zeitung" unter dem Titel "Wunder, die unsere Kinder vielleicht noch erleben werden" ein Bericht, der auch heute nichts von seiner Frische verloren hat: "Seit einigen Monaten hat es den Anschein, dass die Radio-Television, das heißt die Übertragung eines lebenden Bildes von einem Sender aus, im Laboratorium verwirklicht worden ist. In wenigen Jahren wird man bestimmt mit Hilfe eines Apparates, der drahtlos funktioniert und vielleicht Telephotophon heißen wird, seinen Partner zur gleichen Zeit sehen und sprechen hören. Und "Taschenmodelle" werden die Fortsetzung einer angefangenen Unterhaltung mit einen Freund auch auf einer Reise oder einem Spaziergang ermöglichen." Willkommen im iPhone-Zeitalter.

AKWs, die heute noch auf der grünen Wiese stehen, werden zunehmend abgelöst von Data Centern, den Hallen-Arealen der Datenkraftwerke von Google, Apple, Facebook und Konsortee. Von den drei Großtechnologien Raumfahrt, Kernkraft und Internet, mit denen das 20. Jahrhundert aufwartete, bleibt das Internet als digitale Leitströmung in die Zukunft. Gerade wird es einer grundlegenden Erneuerung unterzogen, um es auf die kommenden Konnektivitätsanforderungen vorzubereiten, die etwa autonome Fahrzeuge stellen. Milliarden winziger Sensoren, Aktuatoren und Elektromotoren werden das Netz in eine neue Umweltbedingung verwandeln.

Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen Science Fiction und Utopie – Utopien müssen unerreichbar hohe Ziele bleiben. Science Fiction befaßt sich mit technischen Fragen, Utopie eher mit sozialen Entwürfen. Immer öfter holt die Realität die technologischen Zukunftsvorstellungen ein. Die erste Mondlandung wurde viel schneller verwirklicht als sich viele das hätten träumen lassen – genausowenig, wie dass die bemannte Raumfahrt danach kein triumphaler Selbstläufer würde, sondern schlichtweg banal.

Und auch der fantasiebegabteste Zukunftsromanschreiber hat nicht vorhergesehen, wie klein und leistungsfähig Mikrochips, Computer und Kommunikationsequipment bald sein würden. Utopien dagegen kann man mit der klassischen Navigation nach den Sternen vergleichen. Nur so lange der Polarstern weit genug entfernt ist, dient er der Orientierung. Käme man ihm zu nahe, würde er seine Funktion verlieren.

(bsc)