Automaten fürs Heim: Die Grobmotoriker

Haushaltsroboter sind noch immer ziemlich ungeschickt. Woran liegt das, und wie kann man sie verbessern?

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Automaten fürs Heim: Die Grobmotoriker

Noch nicht fürs Heim gedacht: Atlas von Boston Dynamics.

(Bild: Boston Dynamics)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Jens Lubbadeh

Anfangs war Goldfinger mein ganzer Stolz. Nie wieder staubsaugen, nie wieder bücken, mehr Quality Time haben, denn ab jetzt würde der Staubsaugroboter für mich die öde Arbeit erledigen. Roboter nehmen uns die Jobs weg? Wenn's ums Staubsaugen geht, habe ich damit kein Problem.

Mittlerweile aber ist eine gewisse Ernüchterung bei mir eingekehrt. Denn nicht nur muss ich Goldfinger ständig hinterherputzen, weil der pfannengroße, klobige Roboter nicht in Ecken, zwischen Stuhlbeine und in enge Spalten kommt. Er ist zudem betreuungsintensiv wie ein Kleinkind. Nur sind es bei ihm nicht etwa Scheren oder Messer, die man von ihm fernhalten muss, sondern harmloseste Dinge wie Teppichzipfel, Wäscheständer oder Kabel. Hat man die nicht zuvor weggeräumt, springt er irgendwann daran hoch wie ein trotziger kleiner Hund am Bein seines Herrchens. Immer und immer wieder – bis sein Akku leer ist. Fatal sind für ihn herumliegende Stromkabel. Hat er die einmal mit seinen ständig rotierenden Bürstchen erwischt, stranguliert er sich an ihnen selbst. Hilflos wie ein dicker Käfer auf dem Rücken hängt er dann in ihnen, jämmerlich quiekend.

Es tut fast schon weh, ihnen beim Versagen zuzusehen: Fensterwischroboter, die Schlieren hinterlassen; Mähroboter, die herumliegende Sportschuhe klein häckseln. Besonders tragikomisch wird es, wenn sie uns dabei auch noch ähneln wollen. Es erinnert an Slapstick-Stummfilme, wenn humanoide Roboter stumpfsinnig an einem Objekt vorbeigreifen, Getränke neben das Glas schütten, Flaschen in der Luft loslassen, einfach umfallen oder – wie jener Wachroboter von Knightscope – sich in einen Brunnen stürzen statt Störenfriede zu verjagen.

Kurzum: Sich zurücklehnen und die Maschine einfach mal machen lassen, ist nicht. Wenn ich möchte, dass Goldfinger saugt, muss ich vorher alle Stör- und Gefahrenquellen für ihn beseitigen, sie hinterher wieder zurückstellen – und ihm dann noch nachputzen. Was also ist gewonnen? Ehrlich gesagt: wenig.

Das ist das Problem mit Servicerobotern und Robotern im Allgemeinen: Sie sollen uns eigentlich Arbeit abnehmen. Aber dazu benötigen sie eine kontrollierte Umgebung – und um die für sie herzustellen, erzeugen sie neuen Aufwand. "Heutige Roboter sind nicht robust", sagt Stefan Schaal, ehemaliger Direktor des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme und Professor an der University of Southern California (USC). "Sie tun sich schwer mit jeglicher Störung oder Abweichung." Halbwegs erfolgreich sind sie nur dann, wenn sie auf eine ganz bestimmte Aufgabe in einer ganz bestimmten Umgebung programmiert sind.

Der Staubsaugroboter saugt Staub, der Fensterputzroboter putzt Fenster, der Rasenmähroboter mäht Rasen. Es gibt sogar Spezialisten für die Photovoltaikanlage, den Pool, die Regenrinne. In der schönen neuen Welt der Serviceroboter des frühen 21. Jahrhunderts gliche der teilautomatisierte Haushalt also irgendwann einem Fuhrpark. Die Servicerobotik befindet sich quasi noch im Prä-Smartphone-Alter, als es noch kein iPhone gab, das Telefon, MP3-Player, Digitalkamera und Navigationssystem in einem ist.

Wie also kommt man von dort zu einem Robbi-Butler, der den Staub auf dem Regal wegwischt, den Spiegel putzt, das Klo wischt, die Geschirrspülmaschine ein- und ausräumt und die Gartenarbeit erledigt? Natürlich könnte man einen flexiblen Allroundroboter mit einer Saug-, Mäh- und Putz-App ausrüsten. Oder – noch besser: Statt Robbi alles zu diktieren, lernt er selbst, wie er was zu tun hat. Aber das reicht nicht. Denn der Vergleich zum Smartphone hinkt in Wahrheit. Das Gerät muss nicht mit der physischen Welt interagieren, es muss keine Objekte greifen und manipulieren. Hier liegt die wahre Herausforderung. Was uns Menschen so leichtfällt, ist für Roboter das Schwierigste.

Selbst einer der besten und innovativsten Robot-Hersteller der Welt, Boston Dynamics, scheitert noch an dieser Aufgabe. Dabei lief bei einer Demonstration der High-End-Maschinen auf dem Congress of Future Scientists and Technologists im vergangenen Jahr erst alles so gut. Der ganze Stolz der Firma, der beängstigend realistisch laufende Humanoid Atlas, hob Kisten brav auf, die ihm der Boston-Dynamics-Mitarbeiter irgendwohin auf die Bühne gestellt hatte. Atlas schaffte es auch, sich die Box wiederzuholen, wenn man sie ihm wegnahm.

"Es interessiert uns nicht, wenn die Welt simpel ist und alles nach Plan läuft", sagte der Boston-Dynamics-Präsentator stolz auf der Bühne, die Flexibilität seines Roboters demonstrierend. "Wir wollen, dass er auch dann arbeitet, wenn die Welt nicht so ist, wie sie sein sollte." Tja, bei seinem Abgang von der Bühne versaute es Atlas dann doch noch: Mit der Box in den Händen übersah er offenbar einen der Scheinwerfer am Rand und fiel filmreif durch den Bühnenvorhang der Länge nach von der Bühne. Das erinnerte stark an Fehltritte lang bekleideter Hollywood-Schauspielerinnen bei Oscar-Verleihungen.

USC-Forscher Schaal will den Robotern daher beibringen, die Unberechenbarkeiten des Lebens zu meistern. Er plant, die Maschinen lediglich mit einem Set an simplen Basis-Algorithmen auszustatten. Den Rest sollen sie sich selbst aneignen – durch Interaktion mit der Umwelt, über Versuch und Irrtum – ganz so, wie ein Kind lernt. Schaals Vorzeige-Robot Apollo setzt nach, wenn er danebengreift, und lernt, welche Objekte wahrscheinlich welche Zugriffskraft erfordern, auch wenn er sie noch nicht kennt.

Flexibel von der Software her zu sein, reicht für einen Allroundroboter jedoch nicht aus. Auch die beste KI wird nicht dafür sorgen, dass Serviceroboter mit filigranen Haushaltsobjekten wie Weingläsern oder Eiern bruchsicher umgehen können. Ihre Metall- und Plastik-Hardware ist für solche Objekte nicht gemacht – das haben Robotiker vor einiger Zeit erkannt.

"Man muss bei Hard Robots für jedes Objekt unterschiedlicher Konsistenz jedes Mal die Software neu anpassen", sagt Dario Floreano, Robotikforscher an der École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) und Mitbegründer des Swiss National Center of Robotics. Die Software muss also die unflexible Hardware des Roboters ausgleichen – ein mühseliger Ansatz, der zudem in einer natürlichen Umwelt nicht praktikabel ist.

Die Forscher wenden sich daher mittlerweile neuen Materialien zu: Sogenannte Soft Robots sind aus unkonventionellen Materialien wie Gummi, Silikon oder gar Papier und Sand gemacht und werden nicht mehr von Motoren angetrieben, sondern mit Druckluft, Flüssigkeiten oder elektroaktiven Kunststoffen und Metallen.

Das bringt kuriose Maschinen hervor, wie die Prototypen Octopus und PoseiDrone von Cecilia Laschi vom Institut für Biorobotik der Scuola Superiore Sant'Anna in Pisa. Sie orientieren sich an wirbellosen Meerestieren. Die künstlichen Tentakel ihrer Soft Robots bestehen aus Silikon mit eingewobenen Metalllegierungen mit Formgedächtnis. Legt man Strom an, heizen sich die Drähte auf und ziehen sich zusammen, stoppt der Stromfluss, springen die Metalldrähte wie eine Feder in ihre ursprüngliche Form zurück. Durch geschickte Quer- und Längsanordnung der Drähte können sich die Tentakel in jede beliebige Richtung bewegen.

Das macht ihre Steuerung aber ungleich schwieriger. "Traditionelle Roboter haben eine bestimmte Anzahl harter Glieder, die sich in begrenzten Freiheitsgraden um Gelenke bewegen", sagt Laschi. "Ein Tintenfisch aber hat keine harten Glieder und viel mehr Freiheitsgrade." Die Forscherin musste daher den gleichen Ansatz verfolgen wie Stefan Schaal mit seinen Robotern: Anstatt alles im Vorfeld zu programmieren, überließ Laschi die weichen Maschinen sich selbst: "Wir ließen Octopus und PoseiDrone zufällig herumschwimmen, mithilfe neuronaler Netze lernten sie dann, sich durch das Wasser zu bewegen und Objekte zu greifen."

Laschis Erkenntnisse mit den Silikon-Tentakeln finden nun Einzug in die Medizin und ins Badezimmer. Ihr Team hat ein Endoskop für Operateure konstruiert, das weich ist, wenn es in die Organe eindringt, und hart wird, wenn die Operation beginnt. Laschi entwickelte außerdem einen weichen Roboterarm, der älteren Menschen beim Duschen helfen soll. Er wird derzeit in einem Altenheim erprobt. Soft Robots sind leichter, kleiner und vor allem sicherer als konventionelle Roboter – ideale Voraussetzungen für ihren Einsatz im Haushalt. Aber sie können keine schweren Dinge heben wie ihre Blechvettern in den Fabrikhallen. Ein Robbi-Butler mit Tentakeln wird also nicht die Einkäufe schleppen können.

Das muss er aber auch nicht. "Man braucht keinen komplett weichen Soft Robot", sagt Cecilia Laschi. "Wichtig ist die richtige Kombination zwischen Soft und Hard Robots." Und an der wird bereits gearbeitet: MIT-Wissenschaftler haben eine Hand mit drei pneumatischen Silikonfingern gebaut, die wie geriffelte Pommes frites aussehen. Man kann sie auf Baxter montieren, und plötzlich kann er damit fragile Dinge wie Eier, CDs, Stifte oder sogar Papierblätter greifen. Die Firma Festo hat eine Tentakelhand mit Saugnäpfen gebaut, die besonders gut mit runden, glitschigen Objekten umgehen kann. Und die mit Sand gefüllte Gummiballhand der Firma Empire Robotics kann sogar Scherben auflesen. Weiche Schale, harter Kern – so könnte die Zukunft der Serviceroboter aussehen.

(jlu)