Mehr Ertrag mit weniger Wasser

Dürren bedrohen die globale Ernährung. Um Hungersnöte abzuwenden, sind neue Pflanzensorten nötig. Werden Forscher sie finden?

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Mehr Ertrag mit weniger Wasser

(Bild: Shutterstock)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Edda Grabar

Ein Auto rattert über vor Hitze gleißende Straßen. Der Mann, der es fährt, will nicht erkannt werden. Er ist Schwarzmarkthändler, seine Ware: frisches Wasser. Das ist in seiner Stadt streng rationiert. Aber der Händler hat Glück. Eine kleine Quelle entspringt auf seinem Grundstück. Denen, die es sich leisten können, transportiert er Fässer voll davon direkt vor die Tür. Der Großteil der Bevölkerung aber steht mit Kanistern Schlange vor den öffentlichen Wasserstellen. Das ist keine Utopie, das ist Kapstadt im Mai 2018.

"Wasser ist das neue Öl", sagt ein anderer Händler in die Kameras der "Tagesschau". Trotz Beginn der Regenzeit und ersten Regenfällen werden die Restriktionen nicht gelockert. Immer noch stehen den Menschen lediglich 50 Liter Wasser am Tag zu, Landwirte dürfen nur noch 60 Prozent ihres früheren Bedarfs für die Bewässerung ihrer Felder einsetzen. Der Wirtschaftsminister Alan Winde rechnet mit 20 Prozent Ernteeinbußen. Es sei die schlimmste Dürre seit Jahrhunderten, heißt es.

Folgt man den Debatten der Klimaforscher, sind sowohl die Dürre als auch der illegale Wasserhandel nur ein Vorgeschmack dessen, was Teile der Welt erwartet. "So unterschiedlich die Klimamodelle auch sein mögen, sie alle kommen zu dem Ergebnis, dass vor allem in Afrika, Indien, dem südlichen Asien, also in den ärmsten Erdregionen, die Dürrezeiten zunehmen werden – sowohl was die Fläche als auch was die Dauer der Trockenperioden angeht", sagt Matin Qaim. Der Agrarökonom von der Uni Göttingen entwirft Modelle, wie man die Welternährung in Zeiten des Klimawandels sicherstellen kann. Mehr als ein Drittel der 13,5 Milliarden Hektar Landfläche auf diesem Planeten dienen der Ernährung und verbrauchen "mehr als 70 Prozent der globalen Frischwasserreserven", so Qaim.

Und der Bedarf wird zunehmen: Während der Grundwasserspiegel sinkt, steigt die Zahl der Menschen, die ernährt werden wollen. Bis 2050 muss die Landwirtschaft 50 Prozent mehr produzieren und noch mal 15 Prozent mehr Wasser verbrauchen, um für die globale Bevölkerung zu sorgen, wenn sich nicht grundlegend etwas ändert, schreibt Tariq Khokhar von der Weltbank. Und da alle Versuche, den Klimawandel entscheidend zu bremsen, derzeit nicht fruchten, bleibt die Frage: Was ist zu tun, wenn Teile der Welt auszutrocknen drohen?

Antworten soll die Wissenschaft liefern, vor allem die Pflanzenforscher. Sie sollen die Nahrungsmittelproduktion wassereffizienter machen, am besten bei gleichbleibendem Ertrag. Weltweit suchen sie daher nach Pflanzen, die diese Eigenschaften besitzen und deren Erbmaterial sich in ertragreiche Nutzpflanzen einbauen lässt. Sie entdecken, dass sie unter Umständen gar nicht weit reisen müssen. Als Molekularbiologen vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie die Ackerschmalwand aus Nordafrika, Spanien, Mitteleuropa und Nordschweden im Test extremer Trockenheit aussetzten, zeigte sich: Nicht nur die afrikanischen, auch die spanischen und selbst die schwedischen Pflanzen kamen mit der Stresssituation zurecht. Ganz anders sah es bei den in Deutschland heimischen aus.

Wie aber lässt sich diese Fähigkeit auf Nutzpflanzen übertragen? In einem der Gewächshäuser des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln erforscht Maria von Korff Gerste. Für die Pflanzengenetikerin ist sie ein idealer Getreide-Modellorganismus. Die Gerste verfüge im Gegensatz etwa zum Weizen über einen recht übersichtlichen Satz an Genen. Aber sie ähneln sich. Das mache es möglich, Erkenntnisse auf den genetisch viel komplizierteren Weizen zu übertragen.

Darüber hinaus ist Gerste das geografisch am weitesten verbreitete Getreide. Sie wächst in Mitteleuropa genauso wie in den Trockengebieten Syriens, des Irans und Israels. "Dadurch verfügt sie über einen natürlichen Pool an Genen und Werkzeugen, um sich vor Trockenheit zu schützen", sagt von Korff. Da wären die Anthocyane, rötliche Farbstoffe, die die Gerste in ihren Halmen und Blättern einlagert. Wie Sonnencreme beugen sie Strahlungsschäden vor. Härchen an Blättern und Stängeln reflektieren das Sonnenlicht und fangen Wassertröpfchen ein, bevor sie verdunsten. Zudem bildet Gerste Prolin und Sorbitol, kleine Aminosäuren, die dafür sorgen, dass der Wasserverlust in den Zellen so gering wie möglich bleibt.

Über die Jahrtausende hat Gerste auch ihren Entwicklungszyklus der jeweiligen Umwelt angepasst. In den Trockengebieten des Nahen Ostens wächst vorrangig Wintergerste, die kalte Temperaturen im Winter benötigt und rasch blüht, sobald die Tage im Frühling länger werden. Das Team der Kölner Forscherin hat Genvarianten in Wildgerste aus dem Nahen Osten gefunden, die unabhängig von Tageslichtlänge und Temperatur zur frühen Blüte führen. In mediterranen Gebieten mit starker Sommertrockenheit können diese Varianten den Ertrag steigern – ganz ohne gentechnische Veränderungen.

Das ist durchaus von Bedeutung. Denn auch Europa wird von Dürren nicht verschont bleiben, wie Wissenschaftler vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig kürzlich zeigten. In einem international besetzten Team haben sie Folgen des Klimawandels moduliert. Wenn es nicht gelingt, den Temperaturanstieg der Erde auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, könnte mehr als ein Viertel Europas unter gravierender Trockenheit leiden, schreiben sie. Betroffen wäre etwa die Hälfte des Mittelmeerraumes. "Drei Grad Erwärmung bedeuten außerdem, dass pro Quadratkilometer 35000 Kubikmeter Wasser weniger zur Verfügung stehen", sagt Stephan Thober, Co-Autor der Studie.

Ein Vorgeschmack darauf liefern die USA. In Kalifornien sind nach der Superdürre von 2011 bis 2017 die Grundwasserreserven so nachhaltig verbraucht, dass Experten der Raumfahrtbehörde Nasa bezweifeln, ob sie sich je wieder davon erholen werden. Entsprechend kreativ werden die Forscher. Tatsächlich finden sie ziemlich überraschende Lösungen: Sie nutzen ausgerechnet den ansteigenden Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre, um den Pflanzen ihren Wasserdurst auszutreiben.

Um das zu verstehen, ist ein kurzer Ausflug in den Energiestoffwechsel hilfreich. Mit der Photosynthese gewinnen Pflanzen aus CO2 und Licht für sie verwertbare Energie und Sauerstoff. Um das Kohlendioxid einzuatmen, öffnen sie tagsüber winzige Poren an den Blättern. Dabei tritt allerdings unter anderem Wasser aus. Der Organismus befindet sich also besonders bei Trockenheit in einem Dilemma: Wie kommt er an genügend CO2, ohne zu verdursten? "Was bislang niemand so recht betrachtet hat, ist, dass die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre in den letzten 70 Jahren um etwa 25 Prozent zugenommen hat", sagt Stephen Long. "Das heißt, um genug Rohstoff zur Energiegewinnung zu bekommen, müssen Pflanzen nicht mehr alle ihre Poren öffnen." Long ist Direktor eines Projekts, dem genau dies gelingen soll. "Realizing increased Photosynthetic Efficiency" (RIPE) heißt das Forschungsvorhaben, das die Bill & Melinda Gates Foundation for Food and Agriculture mit dem britischen Entwicklungsministerium ins Leben gerufen hat.

Nun steht Long in Urbana mitten im Nirgendwo von Illinois vor prachtvoll gedeihenden Tabakpflanzen. Seinem Team sei ein Durchbruch gelungen, sagt er: Ihr Tabak verbrauche 25 Prozent weniger Wasser als seine Artgenossen. Dafür hätten die Forscher lediglich ein Gen verändern müssen. Ein genetisch gesteuerter Lichtsensor gaukelt Tabakpflanzen einen Lichtmangel vor und veranlasst Pflanzen, ihre Poren zu schließen. Was Long besonders optimistisch stimmt, ist die Tatsache, dass "wir diesen Lichtsensor in allen Pflanzen finden. Wir gehen also davon aus, dass dieses Prinzip auch in Nutzpflanzen gut funktioniert."

Klappt der Trick auch ohne Gentechnik? Vierzehn Stunden weiter westlich, fast genau auf der anderen Seite der Erdhalbkugel, arbeiten Fuminori Takahashi und Kazuo Shinozaki am Riken Center für Nachhaltigkeitsforschung genau daran. Die japanischen Wissenschaftler setzen auf eine besondere Art des Düngens: Sie nutzen Pflanzenhormone. Einige davon sind bekannt. Etwa ABA, das in den Blättern als Antwort auf Trockenstress gebildet wird und ebenfalls dafür sorgt, dass die Blätter im wahrsten Sinne des Wortes "dicht machen".

Wo aber kommt das Signal dafür her?, fragten sich die Japaner. Die Antwort fanden sie im Boden. Von dort sendeten ihre Versuchspflanzen – wiederum die Ackerschmalwand – eine chemische Botschaft an die Blätter, um die Produktion von ABA hochzuregeln. Dieses Hormon bauten die Forscher nach und führten es den Wurzeln zu. "Innerhalb von drei Stunden fanden wir in Kontrollpflanzen siebenmal mehr ABA und einen deutlich geringeren Wasserverlust", sagt Takashi. Nun überlegt er, einen Dünger zu entwickeln, "der diese funktionellen Peptide und Chemikalien enthält, um die Stressresistenz der Pflanzen auf dem Feld zu erhöhen". Ob das künstliche Hormon die Entwicklung der Pflanzen oder die im Boden lebenden Mikroorganismen beeinflusst, kann er allerdings noch nicht beantworten.

Bei den Wurzeln setzt auch eine Vielzahl weiterer Untersuchungen an. Eine der offensichtlichsten Maßnahmen einer Pflanze, an Wasser zu kommen, ist, ihre Wurzel zu vergrößern. Dabei verfolgen Pflanzen eine einfache Formel: Je länger und dünner die Wurzeln sind, umso größer ist ihre Oberfläche und umso schneller kann sie Wasser aufnehmen. Bakterien helfen ihr dabei. Wissenschaftler haben mittlerweile eine ganze Reihe solcher Mikroben ausgemacht. Sie laufen unter dem Begriff Pflanzenwachstum verstärkende Wurzelbakterien.

Wie die Keime genau wirken, ist großenteils noch unverstanden. Klar aber ist, dass die Bakterien Schutz- und Wachstumsvorgänge stimulieren. Sie sorgen etwa dafür, dass sich die Wurzeln vergrößern. US-Forscher fanden bei bakteriell gedoptem Weizen, dass die Mikroben einen Biofilm um die Wurzel legten, der die Wasseraufnahme fördert. Andere Mikroben steigerten die Bildung der Aminosäure Prolin, die auch in der Gerste hilft, das Wasser in Blättern zu halten. Zudem scheinen die Pflanzen, denen Bakterien zugeführt wurden, mehr Wachstumshormone und weniger Hemmstoffe zu produzieren. Und was zur Arbeit der japanischen Forscher passt: Die bakteriell behandelten Pflanzen zeigten eine höhere Konzentration des Stresshormons ABA.

Noch ist nicht ausgemacht, ob Bodenbakterien, Pflanzenhormone oder Genveränderungen das Rennen machen – oder ob eine Kombination der drei Ansätze nötig ist. Bei all diesen Versuchen sollten die Beteiligten aber eines nicht vergessen, mahnt Agrarökonom Qaim. "Gentechnisch veränderte Pflanzen allein helfen den Bauern nicht. Anpassung an den Klimawandel erfordert auch, Straßen zu bauen und die Infrastruktur zu verbessern", sagt er. Denn wohin mit der wertvollen Ernte, wenn kein Markt in der Nähe sei, wo man sie verkaufen könne?

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