EU-Parlament: Netflix & Co. müssen 30 Prozent europäische Werke zeigen

Die Abgeordneten haben für die lange umkämpfte Reform der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste gestimmt. "Influencer" müssen Werbung deutlicher machen.

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Videoportale: EU-Parlament schreibt Netflix & Co. 30 Prozent europäische Werke vor

(Bild: REDPIXEL.PL/Shutterstock.com)

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Mit der Mehrheit von 452 zu 132 Stimmen bei 65 Enthaltungen hat das EU-Parlament am Dienstag die umstrittene Novelle der Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste beschlossen. Um die kulturelle Vielfalt zu erhöhen und Inhalte aus den Mitgliedsstaaten zu fördern, müssen damit künftig 30 Prozent der Inhalte in Programmen von Fernsehsendern und Streaming-Anbietern wie Amazon Prime, iTunes, Netflix oder Maxdome europäisch sein. Die neue Auflage soll die Video-Anbieter vor allem dazu bringen, ihre Investitionen in Europa zu erhöhen.

Generell werden mit der Initiative auch Videoportale mit nutzergenerierten Inhalten wie YouTube oder Facebook strenger reguliert. YouTuber und andere "Influencer" müssen "kommerzielle Kommunikation" künftig klar kennzeichnen und etwa durch eine Einblendung darauf hinweisen, ob Unternehmen sie finanziell unterstützen oder ihnen Produkte kostenlos zur Verfügung stellen. Eine gerade veröffentlichte Studie der EU-Kommission hat ergeben, dass Social-Media-Multiplikatoren hier oft gegen Bestimmungen verstoßen.

Die Werbezeiten im Fernsehen sollen "flexibilisiert", aber nicht ausgedehnt werden. Um einen angemessenen Verbraucherschutz zu gewährleisten, wird die Hauptzeit von 18 bis 24 Uhr besonders geschützt, der Anteil an Reklame dort auf 20 Prozent begrenzt. Anstelle der bisher erlaubten 12 Minuten pro Stunde können die Programmgestalter sonst freier entscheiden, wann sie im Tagesverlauf Werbung zeigen. Eine Spotquote von 20 Prozent zwischen 6 und 18 Uhr soll nicht überschritten werden.

Mit den neuen Vorgaben wollen die Volksvertretern ferner den Jugendschutz deutlich verbessern. Sie reagieren damit auf Untersuchungen, dass das Betrachten von Videos eine der ersten Internetaktivitäten von Kindern ist. Heranwachsenden soll so weniger Werbung für ungesunde Lebensmittel oder Getränke angezeigt werden. Dazu kommt ein Verbot von Werbung und Produktplatzierung für Tabak, elektronische Zigaretten und Alkohol in Kinderfernsehprogrammen und auf Video-Plattformen mit nutzergenerierten Inhalten.

Die Parlamentarier verbieten mit der Reform auch jegliche Inhalte, die zu Gewalt, Hass und Terrorismus aufrufen. Kostenloser Content, der Gewalt oder Pornografie enthält, darf nur noch eingeschränkt angeboten werden. Video-Sharing-Plattformen müssen zudem schnell reagieren, wenn Nutzer Inhalte als "schädlich" wahrnehmen und diese entsprechen markieren oder melden. Erwachsenes sollten die Möglichkeit haben, "Filterprogramme auf den Geräten ihrer Kinder zu installieren", betonte Ko-Berichterstatterin Sabine Verheyen (CDU). Vorgeschrieben würden auch Systeme zur Altersüberprüfung für Inhalte, die Kinder gefährden könnten.

Die Abgeordneten haben auch festgeschrieben, dass die Rundfunkaufsicht unabhängig vom Staat organisiert werden muss. Zudem haben sie Vorschriften zur barrierefreien Erreichbarkeit für Menschen mit Einschränkungen und zur Förderung von Medienkompetenz verstärkt. Verheyens SPD-Kollegin Petra Kammerevert bezeichnete den Beschluss als "letzten Meilenstein in einem zweieinhalb Jahre dauernden Verhandlungsmarathon". Die Politik habe weder Eltern noch Medienmachern länger verständlich machen können, "warum im Fernsehen andere Regelungen gelten als bei der Online-Verbreitung". Sie unterstrich aber, dass der EU-Gesetzgeber in Haftungsfragen nicht übermäßig agiert habe.

Der verabschiedete Text beruht auf einem Entwurf, auf den sich Verhandlungsführer des Parlaments und des Ministerrats im April geeinigt hatten. Vertreter der Mitgliedsstaaten müssen die Richtlinie noch annehmen, was als Formsache gilt. Danach gilt eine nationale Umsetzungsfrist von 21 Monaten. Der Dachverband Digital Europe, dem unter anderem der Bitkom angehört, forderte die Ratsangehörigen auf, noch nachzubessern und dabei vor allem auf nutzerfreundliche und effiziente Such- und Zugangswerkzeuge im Internet zu achten. Es gebe keinen Bedarf dazu, spezielle Inhalte etwa von öffentlich-rechtlichen Sendern besonders "prominent" in Ergebnislisten oder elektronischen Programmführern anzuzeigen. Die entsprechende Passage im Entwurf müsse gestrichen werden. (mho)