Neue Breitensport-Motorräder aus der Neuen Welt

Klartext: Make America Fast Again

Die Zweiradszene kennt Amerika hauptsächlich für die Rolle als Bewahrer des Alten, Schweren, Tourigen, vor allem in Form von Harley-Davidson. Ebendie und der Konkurrent Indian können aber auch anders

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Lange konnten wir dem Motorradhersteller Indian (eine Polaris-Tochter) dabei zusehen, wie sich ein Alien im Bauch des fetten Cruiser-Spezialisten entwickelte. Anders als sein barocker, träger Wirt war es schnell und brutal. Indian-er mit Rennsport-Nagel im Kopf traten mit einem Prototypen beim Pikes-Peak-Bergrennen an, der zeigte, wozu der in der Indian Scout überzahm abgestimmte V2-Motor wirklich in der Lage ist: geradlinig herausgedrückte 120 PS. Jetzt ist die Bauchdecke offen: Indian stellt die Serienversion vor.

Anders als ihre Cruiser-Geschwister trägt sie keinen Namen mit Indianer-Konnotation, sondern heißt technisch „FTR 1200“. Die geschwungene Auspuffanlage erinnert Manche an Ducatis aktuelle Monster-Baureihe, doch ich finde, sie haben das Designthema „American Flat Track Racing“ recht stimmig in die straßenlegale Serie gebracht. Mit angegebenen 225 kg trocken ohne Flüssigkeiten wird der Eisenstuhl keine Leichtigkeitsrekorde brechen oder auch nur europäische Standards erreichen: Eine BMW R nineT wiegt fahrbereit vollgetankt 222 kg. Das Gerät landet am Ende also im Bereich 250 kg vollgetankt – das Territorium massiverer Bigbikes.

Dennoch erfüllt mich dieses Kraftrad mit Vorfreude, wie ich sie schon länger nicht mehr erlebt habe. Hier haben wir ein richtiges Naked Bike, das dennoch ganz eigene Impulse aus dem Land der unbegrenzten Nachfüllmöglichkeiten für Coca Cola bei McDonald‘s gibt. Es erfüllte mich jahrzehntelang mit Gram, dass Harleys sportlichstes Modell eine Gravitationslinse mit Stehaufmännchen-Gewichtsverteilung ohne Schräglagenfreiheit war, deren einziger Sportbezug im Namen lag.

„Hat es uns geschadet?“

Man möchte meinen, das habe Harley nicht geschadet. Letztendlich wissen wir das jedoch nicht. Die spitze Positionierung Harleys in die Nische „Wir verkaufen Bekleidung mit einem Leifsteil und vielleicht etwas von uns finanziertes Eisen dazu“ hat letztendlich einen extremen gegenseitigen Abhängigkeitszyklus zwischen Harley und der homogenen Kundschaft geschaffen, der Harley viel nutzte, aber sie genauso immer wieder in den Arsch biss. Wenn Harley irgendetwas Neues versuchte, straften die alten Herren der Kundschaft das konsequent ab. Sie kauften jedoch auch das neu polierte Alte nicht zuverlässig. Die Verkaufszahlen schwankten also mit den Launen der Herren. Dann kam auch noch dieser Trumpel von Präsident. Stabilität musste her. „More Roads to Harley-Davidson“ schrieb die Company auf ein Whiteboard, übersetzt ins Betriebswirtschaftsdeutsch: „Wir brauchen eine heterogenere Zielgruppe für stabilere Verkäufe.“