Post aus Japan: Erfindungen, die das Leben erträglicher machen

Not macht erfinderisch, auch in Nippon. Drei erstaunliche Problemlöser vom Spezialstaubsauger bis zur Klimaanlage für Draußen.

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Post aus Japan: Erfindungen, die das Leben erträglicher machen

(Bild: Sekisui Jushi)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Martin Kölling
Inhaltsverzeichnis

Wer hätte gedacht, dass sich die Bestätigung Marxscher Lehrsätze auf japanischen Bahnsteigen findet? Die Menschheit stelle sich immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, schrieb Karl Marx in seiner Kritik der Ökonomischen Vernunft. Und als Grund nannte er, "dass die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Prozeß ihres Werdens begriffen sind." Ok, Marx wendete dies auf die Entwicklung der Produktivkräfte an, aber es passt auch zum Thema Innovation im Generellen und einem Problem von Japans Personennahverkehr im Besonderem: Erbrochenem.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Die Putzkolonnen in japanischen Bahnhöfen stehen jeden Abend vor der unappetitlichen Aufgabe, diese Nachwirkung von Japans traditioneller Arbeitskultur zu entfernen. Noch immer schmieren die Mitarbeiter in vielen Unternehmen die zwischenmenschlichen Beziehungen mit einem abendlichen Umtrunk. Dementsprechend torkeln abends betrunkene Pendler und Pendlerinnen zu den Bahnen, um nach Hause zu fahren. Und nicht alle sind in der Lage, Speis und Trank in sich zu halten.

Am Umsteigebahnhof Shinjuku müssen an normalen Werktagen im Schnitt 20 fehlgeschlagene Versuche des Wiederkäuens entfernt werden, kolportierte jüngst die Zeitung "Yomiuri". An Freitagen sogar 50. Den Spitzenwert erreichte der Bahnhof Shin-Okuba mit 100 Folgen überstarken Alkoholkonsums. Bislang rückten die Reinigungskräfte mit Sägespänen, Handfegern und Schaufeln aus, um die Bahnsteige zu säubern.

Doch der Gestank und die Infektionsgefahren brachten die Reinigungskräfte nun auf eine Idee: Sie entwickelten gemeinsam mit einem japanischen Unternehmen einen Staubsauger, der für Erbrochenes optimiert wurde. Das Produkt soll nun auch an andere Bahngesellschaft und Flughafenbetreiber verkauft werden.

Der Technikkonzern Mitsubishi Electric versucht derweil, ein Problem langer Arbeitszeiten zu entschärfen, das in deutschen Wintern schon beim Acht-Stundentag ein Problem darstellt: die Abwesenheit von Tageslicht. Als kreative Fingerübung entwickelten junge Forscher des Konzerns eine LED-Leuchte, die wie ein Fenster aussieht und über den Tag das himmlische Farbenspiel nachleuchtet – vom Sonnenaufgang über strahlend blauen Himmel bis zum Sonnenuntergang.

Blauer Himmel heißt das Fensterimititat. Und wie der richtige Himmel leuchtet sie zwar blau und taucht nicht den Raum in blaues, sondern Tageslicht. Die Lampe kann entweder in Wänden oder Decken eingebaut werden und soll auch nur ähnlich so viel kosten wie andere LED-Leuchten für den Büroeinsatz. Er wolle damit das Gefühl, auf einer Terrasse zu arbeiten, ins Büro holen, erklärte einer der Entwickler den Zweck des Produkts.

Passend zur gegenwärtigen Sitzung des Weltklimarats nehmen sich Panasonic und der Plastikverarbeiter Sekisui Jushi nach dem heißen Sommer das Geoengineering des Mikroklimas vor. Sie wollen an Fußwegen, Shoppingmalls, Büros oder in Parks "Cool Spots" einrichten, die etwa vier Grad kühler als die Umgebung sind. Die isolierende Bedachung liefert dabei Sekisui Jushi, die Klimaanlage Panasonic.

Der Technikkonzern will dafür seinen "Green Air-Conditioner" nutzen, der einen mit Sprühnebel und Luftstrom einen Klimavorhang erzeugt. Um das Wasser nicht als feucht zu empfinden, wird es von der Anlage auf zehn Mikrometer kleine Tröpfchen zerstäubt. Auf der japanischen Elektronikmesse Ceatec werden Mitte Oktober noch einige aktuelle Ideen ergänzt. Und mögen die Innovationen auch klein sein, sie können immerhin das Leben ein bisschen angenehmer machen.

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