Vermessung der Tiefsee

Schwärme von Robotern sollen künftig die Tiefen der Ozeane scannen und endlich erkunden, wie es dort unten aussieht. Acht Teams wetteifern derzeit um den Ocean X-Prize für die beste Technik. Mit dabei sind auch deutsche Forscher.

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Vermessung der Tiefsee

Eduard Maydanek (links) und Ralph Schönfelder testen ihren autonomen Katamaran.

(Bild: Foto: Daniel Kunzfeld)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Jan Berndorff

Sonnenschein, 30 Grad, das Meer liegt ruhig in der Bucht von Eckernförde. Eigentlich ein idealer Tag für eine Bootstour. Am Anleger des örtlichen Segelvereins liegt ein Katamaran vertäut. Doch Gunnar Brink und seine Crew werden nicht auf die Ostsee hinausfahren. Das muss ihr Katamaran schon ohne sie schaffen. Schließlich ist er kein gewöhnliches Segelboot: Statt des Segels hängt am Mast technisches Gerät. Auf dem sechs Meter langen Rumpf liegen festgezurrte Tanks und mit Kabeln vernetzte Apparate – eine Besatzung ist gar nicht vorgesehen. Der Katamaran, angetrieben von zwei Außenbordmotoren, fährt ganz von allein und dient als Schlepper und Relaystation für einen ebenfalls autonom agierenden Tauchroboter. Im Schwarm mit vier weiteren solchen Tandems sollen die beiden Ende dieses Jahres eine technische Revolution anstoßen: die vollautomatische Vermessung der Tiefsee.

Brink und seine Crew sind Forscher und Ingenieure vom Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung in Karlsruhe (IOSB). Im Moment muss ihre Forschung allerdings warten – darauf, dass der Katamaran wieder funktioniert wie gewünscht. Am Vorabend der geplanten Fahrt haben Eduard Maydanek, der Teamingenieur aus der Ukraine, und Chefinformatiker Ralph Schönfelder festgestellt, dass das Ruder des Katamarans nicht mehr auf die Befehle des Computers reagiert. Die halbe Nacht und den ganzen Vormittag schon suchen sie nach der Ursache, prüfen eine Komponente nach der anderen: ein Computerfehler? Stören die Motoren die Signalübertragung? Vielleicht ein Kurzschluss irgendwo? „Wir finden einfach nicht, woran es liegt“, sagt Schönfelder. Aber keine Panik. Schließlich sei das hier ein Testlauf. „Und da wollen wir ja eben herausfinden, was im Ernstfall ausfallen könnte.“

Der Ernstfall folgt im Dezember. Die Mannschaft des IOSB – sie nennt sich nach der heldenhaften Schiffsmannschaft des Iason in der griechischen Mythologie „Arggonauts“ – ist unter den Finalisten im Shell Ocean Discovery X-Prize. Drei Jahre hatten die Mannschaften Zeit, um ein System zu entwickeln, das binnen 24 Stunden mindestens die Hälfte von 500 Quadratkilometern Meeresgrund in 4000 Metern Tiefe mit einer Auflösung von unter fünf Metern kartiert. Zusätzlich sollte es ein hochauflösendes Foto eines bestimmten Zielobjekts anfertigen, dazu zehn Fotos von archäologischen, biologischen oder geologischen Besonderheiten – Schiffswracks, Tiefseefische oder hydrothermale Quellen zum Beispiel. Und das ohne jeden Eingriff des Menschen. Dem Sieger winken vier Millionen US-Dollar, dem Zweitplatzierten eine Million. 21 Teams traten an, nun sind noch acht übrig.

In der Tiefsee hochauflösende Karten anzufertigen ist schwierig. „Bislang machen dies große Spezialschiffe, von denen es weltweit einige Hundert gibt“, sagt Gunnar Brink. „Der Einsatz eines solchen Schiffs kostet bis zu 150000 Euro am Tag.“ Sie werden deshalb nur dort eingesetzt, wo Tiefseekabel verlegt oder schon heute Bodenschätze wie Erdöl oder seltene Metalle gehoben werden sollen. Den Großteil des Meeresbodens dagegen kennen wir bislang nur von Satellitenmessungen der Erdgravitation. Deren Auflösung beträgt rund fünf Kilometer pro Bildpunkt – da kann man ganze Berge oder Schluchten leicht übersehen.

„Wir wissen weniger über den Boden der Tiefsee als über die Oberfläche des Mars“, sagt Jyotika Virmani von der X-Prize-Stiftung, die mit ihren Ausschreibungen Erfinder, Forscher und Ingenieure zu bedeutenden Durchbrüchen anstacheln will. „85 bis 90 Prozent der Meere liegen buchstäblich noch im Dunkeln – dabei bedecken sie 70 Prozent der Erde.“

(rot)