IAC 2018: Erst eine Station am Mond, dann auf zu den Eismonden

Auf die ISS könnte eine Raumstation im Mondorbit folgen. Ideen wurden in Bremen ausgetauscht. Aber auch andere Monde rücken in den Fokus.

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IAC 2018: Über eine Station am Mond zu den Eismonden

Der Saturnmond Enceladus

(Bild: NASA/JPL/Space Science Institute)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Was kommt nach der Internationalen Raumstation (ISS)? Zwar wird der orbitale Forschungskomplex, dessen Kommando am Mittwoch von Alexander Gerst übernommen wurde, noch wenigstens sechs Jahre in Betrieb bleiben. Dennoch wird bereits über ein Nachfolgeprojekt nachgedacht. Favorisiert wird derzeit eine Station im Mondorbit.

Als im November 2014 erste Beratungen über die Zukunft der Raumfahrt aufgenommen wurden, habe Einigkeit darüber bestanden, die Präsenz des Menschen im Sonnensystem auszuweiten, sagte Kirk Shireman (Johnson Space Center) auf dem International Astronautical Congress (IAC) in Bremen. Zwar sei der niedrige Erdorbit weiterhin wichtig. Eine Station in Mondnähe könne aber nicht nur zu Forschungen unter Weltraumbedingungen wie auf der ISS genutzt werden, sondern sei auch ein logistischer Knotenpunkt, um Missionen zur Mondoberfläche oder zum Mars zu erleichtern.

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Derzeit sei für diese Station ein elliptischer Orbit mit einer Umlaufzeit von sechs Tagen vorgesehen, erläuterte Jason Crusan (NASA). Allerdings könne die Umlaufbahn auch verändert werden, wenn das für bestimmte Vorhaben erforderlich sei. Mit 125 Kubikmetern biete die Station etwa zehn Prozent des Raums, der gegenwärtig auf der ISS zur Verfügung steht. Das soll für eine vierköpfige Besatzung reichen, die 30 bis 90 Tage an Bord bleiben kann.

Wie die Unterkünfte aussehen werden, stehe noch nicht fest. Sechs Prototypen für Wohnmodule würden gerade geprüft. Der Aufbau solle von 2019 bis 2026 erfolgen. In dieser Zeit sei auch geplant, immer größere Lander zur Mondoberfläche zu bringen. Crusan betonte aber, dass die Raumstation nicht nur für die Erforschung des Mondes konzipiert sei.

Gleichwohl regt vor allem die Nutzung als kosmischer Verkehrsknotenpunkt die Fantasie vieler Forscher an. Timothy Cichan (Lockheed Martin Space) etwa stellte das Konzept für ein Landefahrzeug vor, das bis zu vier Personen zur Mondoberfläche bringen und ihnen dort für bis zu zwei Wochen als Unterkunft dienen könnte. Ein solcher wiederverwendbarer Lander würde ohne eine Raumstation im Orbit, wo er aufgetankt werden kann, erheblich komplexer ausfallen. Der Schlüssel zu einer nachhaltigen Erkundung des Mondes ist Cichan zufolge die Verwendung von Wasserstoff als Treibstoff. Gegenüber Methan bedeute das eine Gewichtsersparnis von 35 Tonnen pro Mission und erlaube die Verwendung einer einstufigen Rakete.

Wasserstoff lässt sich zudem aus dem auf dem Mond vorhandenen Wassereis gewinnen – und in bares Geld verwandeln, wie Forscher am Politecnico di Torino errechnet haben. Paolo Guardabano stellte das Konzept LUPO (Lunar Propellant Outpost) vor, das bis zum Jahr 2035 beim Shackleton Krater am Mondsüdpol eine Produktionsanlage für flüssigen Wasserstoff und Sauerstoff errichten will. Die dafür erforderlichen Investitionen bezifferte er mit etwa 80 Milliarden US-Dollar. Bei einem jährlichen Bedarf etwa für flüssigen Sauerstoff von 17 Tonnen pro Jahr, der für 56 Millionen Dollar pro Tonne verkauft würde, könne die Gewinnschwelle nach 13 Jahren erreicht werden.

Angesichts solcher Geschäftsaussichten muss es verlockend wirken, dass es weiter draußen im Sonnensystem noch erheblich üppiger ausgestattete Wasserreservoire gibt. Die auf dem Jupitermond Europa vorhandene Wassermenge etwa wird auf das Vierzehnfache der irdischen Ozeane geschätzt, so Brent Sherwood (Jet Propulsion Laboratory). Allerdings ist dieses Wasser unter einer Eishülle verborgen, deren Dicke auf 3 bis 30 Kilometer geschätzt wird.

Hinzu kommt, dass dieses Eis nicht ohne weiteres mit irdischen Gletschern vergleichbar ist, da es bei niedrigen Temperaturen und hohen Drücken seine Kristallstruktur verändert. Dennoch wird bereits über Missionen zu diesen eisigen Welten nachgedacht, allerdings weniger getrieben durch die dort möglicherweise bestehenden Profitaussichten, sondern von der Hoffnung, mehr über die Möglichkeiten außerirdischen Lebens zu erfahren oder sogar Lebensformen zu finden.

Leben siedele sich bevorzugt an Grenzschichten an, sagte Oliver Funke (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt), also an der Unterseite des Eises oder am Boden des Ozeans. Es gelte also, eine Sonde zu entwickeln, die sich durch das kilometerdicke Eis bewegen und an dessen Untergrenze ein autonomes Unterwasservehikel absetzen kann. Allerdings sei bislang noch völlig unklar, wie scharf diese Grenze zwischen Eis und Wasser beschaffen sei und ob dort ein Roboter verankert werden könne. Auch gebe es auf dem Weg durch das Eis viele Unwägbarkeiten. Überreste von Meteoriten könnten die Sonde ebenso gefährden wie Staub oder Hohlräume. Sie muss daher manövrieren können.

So könnte es unter Europas Eis aussehen.

(Bild: NASA/JPL-Caltech/Southwest Research Institute)

Beim DLR wird für die Fortbewegung durch das Eis gegenwärtig eine Schmelzprobe favorisiert. Tom Cwik (Jet Propulsion Laboratory) gab zu bedenken, dass dafür viel Energie erforderlich sei. Er setzt mit dem Projekt Slush auf einen hybriden Ansatz, eine Kombination aus mechanischem Bohrer und Schmelzsonde. Allerdings müsse hierfür noch einige Entwicklungsarbeit geleistet werden.

Ein weiteres Problem ist die Übermittlung der von den Eis- und Wassersonden gesammelten Daten zur Erde. Ein Kabel, das die Sonde mit einer Station auf der Oberfläche des Mondes verbindet, müsste von der Sonde abgespult werden, da das Bohrloch wieder zufrieren kann – bei einer Länge von mehreren Kilometern nicht gerade leicht zu realisieren. Kommunikation per Funk oder Akustik ist auch denkbar, hängt aber sehr von den genauen Gegebenheiten ab.

Neben Europa zählen die Saturnmonde Enceladus und Titan zu den bevorzugten Eiswelten, die auf diese Weise erkundet werden sollen. Es dürfte aber noch Jahrzehnte dauern, bis solche Missionen realisiert werden können. Dagegen erscheint die Umwandlung von Eis auf dem Erdmond in Dollars schon fast wie ein Kinderspiel. (mho)