Shampoo-Flasche rettet Kindern das Leben

Kinderarzt Mohammod Jobayer Chisti aus Dhaka in Bangladesch hat eine neue Beatmungsmethode für Kinder mit Lungenentzündung entwickelt.

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Shampoo-Flasche rettet Kindern das Leben

(Bild: Dhaka Hospital / Flickr)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Gregor Heppel

Das Verfahren von Chisti ist günstiger und soll besser funktionieren als andere Ansätze. Im TR-Interview erläutert er seine Idee.

TR: Sie arbeiten am International Centre for Diarrhoeal Disease Research in Dhaka, einer Klinik für Durchfallkrankheiten. Was sind die größten Schwierigkeiten bei Ihrer Arbeit?

Chisti: Wir behandeln hauptsächlich Kinder. Sie kommen mit Durchfall, Mangelernährung, Lungenentzündung und Sepsis zu uns. Lungenentzündung ist die tödlichste Krankheit bei Kindern unter fünf Jahren, nicht nur in Bangladesch, sondern auch in anderen Entwicklungsländern. In meiner ersten Nacht in der Pädiatrie vor mehr als 25 Jahren musste ich erleben, wie drei Kinder vor meinen Augen starben. Obwohl wir all unsere Möglichkeiten nutzten, konnten wir sie nicht retten. Wir fühlten uns so hilflos.

Ist die gängige Therapie nicht effektiv?

Die Beatmung nach der Leitlinie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat bereits vielen geholfen. Sie empfiehlt die Low-Flow-Sauerstofftherapie, bei der Sauerstoff über eine Nasenkanüle zugeführt wird. 1990 starben noch 2,3 Millionen Kinder unter fünf Jahren an Lungenentzündung, mittlerweile sind es nur noch 900000. Dennoch starben in meinem Krankenhaus immer noch mehr als zehn Prozent der Kinder. Und es gibt unzählige kleinere Krankenhäuser, in denen die Bedingungen weitaus schlechter sind.

Gibt es bessere Beatmungsmethoden?

Mechanische Beatmungsgeräte sind in westlichen Ländern sehr verbreitet. Sie kosten allerdings 15.000 Dollar pro Gerät und benötigen sehr gut ausgebildete Ärzte und Schwestern.

Was ist Ihre Alternative?

Eines Tages sah ich eine Shampoo-Flasche, die in der Notaufnahme entsorgt worden war. Ich nahm sie und verband sie über einen Schlauch mit einer Nasenkanüle. Wir führten eine klinische Studie durch, die ergab, dass bei unserer Methode signifikant weniger Kinder starben als bei der Low-Flow-Sauerstofftherapie. Die Sterblichkeitsquote sank von 21 auf 7 Prozent.

Wie kamen Sie auf die Idee?

In meiner Zeit als Masterstudent an der Universität Melbourne in Australien habe ich das Bubble-CPAP-System kennengelernt, das mit einem kontinuier-lichen Atemwegsdruck arbeitet. Der Patient atmet auch hier Sauerstoff über eine Nasenkanüle ein. Beim Ausatmen strömt die Luft jedoch durch einen Schlauch in eine mit Wasser gefüllte Plastikflasche.

In ihr bilden sich Bläschen und erzeugen Druck. Dieser Druck gleicht den Verlust des Lungenvolumens aus, sodass der zugeführte Sauerstoff besser aufgenommen wird. Ein kleiner Unterschied zur WHO-Standardbehandlung, der aber eine große Wirkung hat. Mit der Shampoo-Flasche erhielt ich also im Prinzip ein Bubble-CPAP-Gerät, nur viel günstiger als die 200 bis 300 Dollar, die es in Industrieländern kostet.

Was kostet Ihre Methode?

Weniger als zwei Dollar. Sie rettet nicht nur mehr Kinder, sie senkt auch die Ausgaben für den verbrauchten Sauerstoff. Früher betrugen die jährlichen Ausgaben in unserem Krankenhaus 30000 Dollar, heute nur noch 6000 Dollar.

Könnten von Ihrer Methode auch andere Krankenhäuser profitieren?

Zuerst müssen wir einen einheitlichen Behandlungsstandard in allen Krankenhäusern in Bangladesch etablieren, bevor wir unsere Methode dort implementieren können. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir das in zwei bis drei Jahren erreicht haben. Darüber hinaus gibt es Interesse aus dem Ausland, etwa von der äthiopischen Regierung.

Wir arbeiten daran, unsere Methode in den nächsten Jahren dort einzuführen. Außerdem haben wir Anfragen aus Nepal, Myanmar, Uganda und Indien bekommen. Wenn wir zeigen können, dass unsere Methode auch dort funktioniert, wird sie hoffentlich zum neuen WHO-Standard werden. (bsc)