Klassiker neu gelesen: Das egoistische Gen

Dawkins reduzierte uns in "Das egoistische Gen" auf reine Erbgutwirte. Und warf die Frage nach dem freien Willen auf.

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Von
  • Inge Wünnenberg

Als Richard Dawkins in den Siebzigern des vorigen Jahrhunderts das „egoistische“ Gen in den Ring warf, brachte er die Evolutionstheorie auf eine erfrischend neue Ebene: weg vom zentralen Dogma der Verhaltensforscher, für die sich in der Evolution alles um die Erhaltung der eigenen Art drehte, hin zum unscheinbaren Träger der Erbinformation.

Seither ist der Brite zwar für seinen Kunstgriff, das Gen zu personifizieren, oft kritisiert worden. Gleichwohl gelang dem 1941 geborenen Biologen mit seinen anschaulichen Bildern ein neuer Blick auf die Evolution. Weg von den Arten, hin zu den Genen. Wobei Dawkins leider damals den Vorschlag seines Verlegers ablehnte, den bis heute faszinierenden Klassiker anders zu benennen. Denn der alternative Titel hätte noch besser vermittelt, worum es eigentlich geht: das unsterbliche Gen.

Besonders spannend ist es heutzutage zu sehen, wie der wissenschaftliche Fortschritt in der Biotechnologie Dawkins’ revolutionären Ansatz quasi aufgreift und weiterführt. Denn erst in den vergangenen Jahren wurde anhand des Genom-Editing-Verfahrens CRISPR/Cas ein wirklich selbstsüchtiges Gen im wahrsten Sinne des Wortes kreiert: Es kann sich nicht nur selbst in das Erbmaterial eines Organismus einfügen, sondern vermag es auch, alle Nachkommen zu kapern. Die Durchmischung des Erbmaterials, bei geschlechtlicher Fortpflanzung das normale Ergebnis, findet nicht statt. Forscher bezeichnen das Phänomen als Gene Drive. Zurzeit wird beispielsweise an Genen geforscht, die Mücken unfruchtbar machen können – und sich per Gene Drive rasend schnell in einer Population ausbreiten können. Die Ausrottung der Überträger-Insekten könnte in bestimmten Gegenden etwa Krankheiten wie Malaria oder das Dengue-Fieber eindämmen.

Zugleich erhärtet die neue Ära der Gentechnik Dawkins’ Modell vom Menschen als einer „Überlebensmaschine“. Damit desillusionierte der Autor bereits in der Vergangenheit seine Leser. Auch diese Debatte über die Existenz eines freien Willens ist bis heute brandaktuell. Dawkins selbst dagegen widmete als erklärter Atheist einen Großteil seiner Arbeit und seines Werks seither einem anderen ebenso fundamentalen Thema: dem „Gotteswahn“.

Richard Dawkins: Das egoistische Gen, Springer Verlag, 264 Seiten, 1. Auflage 1978

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(anwe)