Weltbank-Tagung ins Internet verlegt
Aus Sorge vor Krawallen tagt die Konferenz der Weltbank im Web, doch Globalisierungsgegner drohen bereits mit virtuellen Sit-Ins.
Seit etwa 10 Uhr findet heute eine umstrittene "Online-Demonstration" statt, die als Protest gegen die Lufthansa geplant war. Ähnlich könnte es einer Konferenz der Weltbank über wirtschaftliche Fragen der Entwicklungspolitik ergehen, die aufgrund der Angst vor gewaltsamen Krawallen der Globalisierungsgegner, wie sie sich gerade wieder in Göteburg während des EU-Gipfels ereignet hatten, in den Cyberspace verlegt wurde. ABCDE Europe 2001 sollte eigentlich am 25. und 26. Juni in Barcelona stattfinden und die Themen "Globalisierung, Reichtum und Armut" und "Regulation in einer globalisierten Welt" verhandeln. Weil aber, so die Weltbank-Sprecherin Caroline Anstey, "eine Konferenz über die Reduktion der Armut in einer friedlichen Atmosphäre stattfinden und nicht von Gewalt und Einschüchterung beeinträchtigt werden" sollte, habe man sich entschlossen, sie virtuell abzuhalten.
Die Organisatoren der Proteste, die Barcelona "entglobalisieren" (desglobalizar) wollen, feierten die Absage natürlich als Sieg und kündigten an, trotzdem die geplanten Aktionen und Veranstaltungen durchzuführen, u.a. die Börse von Barcelona am 24. Juni umzufunktionieren. Die Weltbank hingegen hofft, dass diese Konferenz ein Modell für weitere Treffen werden könnte, an denen Menschen aus der ganzen Welt über das Internet teilnehmen können. Wer sich registriert, kann nicht nur die Beiträge der Sprecher verfolgen, sondern diesen auch Fragen stellen. Jean-Christoph Bas von der Weltbank äußert zwar den Wunsch, dass möglichst provokative Fragen gestellt werden, um die Debatte zu stimulieren, aber man behält sich das Recht vor, die Fragen auch zu zensieren, wenn sie für "ein allgemeines Publikum nicht geeignet sind und/oder mit den geplanten Zielen dieser Veranstaltung nicht übereinstimmen".
Ob der Rückzug in den Cyberspace allerdings die erhoffte Sicherheit gewährt und eine ungestörte Diskussion ermöglicht, scheint doch sehr fraglich zu sein, da die Globalisierungsgegner sich in starkem Maß gerade über das Internet organisieren. Der Guardian berichtet heute, dass, wie zu erwarten, virtuelle Sit-Ins geplant sind, wie sie heute auch gegen die Lufthansa stattfinden. Eine virtuelle Konferenz kann auch schon von Einzelnen lahm gelegt werden, weswegen sie wesentlich empfindlicher ist als eine Konferenz im wirklichen Raum. "Wenn die Weltbank Beiträge für diese Konferenz aus der ganzen Welt will, dann könnte sie dies bedauern", meint etwa Roger Gigman von Friends of the Earth. Die Gruppe hatte bereits den Mailserver des Weißen Hauses mehrmals mit einer Flut von E-Mails aus Protest gegen die Energiepolitik von Bush lahm legen können.
Ein Sprecher der Weltbank sagte gegenüber dem Guardian, dass man sich der möglichen Störungen bewusst sei: "Wir haben ausreichende Vorsichtsmaßnahmen vorgenommen, aber wenn es eine größere Aktion gibt, uns lahm zu legen, dann kann ich nicht versprechen, dass unsere Computer dem standhalten werden." Gleichzeitig warnte er, dass eine solche Störung der virtuellen Konferenz ein schlechtes Licht auf die Globalisierungsgegner und ihre Einstellung zur Diskussionsfreiheit werfen würde.
Mehr in Telepolis: Keine Fluchtmöglichkeit vor den Protesten. (fr)