Google Pixel 3 XL im Test: Spitzen-Phone ohne revolutionäre Neuerung

Google setzt mit dem Pixel 3 XL wieder auf Oberklasse-Hardware mit stolzem Preis. Wir haben getestet, ob die Kritikpunkte der vorigen Modelle behoben wurden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 239 Kommentare lesen
Google Pixel 3 XL im Test
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Stefan Porteck
Inhaltsverzeichnis

Googles eigene Pixel-Smartphones hatten es noch nie leicht: Seit der ersten Generation wird ihnen ihr altbackenes Design vorgeworfen und dass sie – gemessen am hohen Preis – zwar gute, aber keine revolutionäre Hardware mitbringen. Entsprechend hoch waren die Erwartungen an die mittlerweile dritte Generation der Vorzeige-Phones von Google. Wir haben beim Pixel 3 XL getestet, ob sie diesmal erfüllt werden.

Wie bisher gibt es die Pixel-3-Phones in einer kleinen Variante mit einem 5,5-Zoll-Display und in einer XL-Version mit einer Diagonale von 6,3 Zoll. Das OLED-Display des großen Modells hat 2960×1440 Bildpunkte und bringt Fotos und Videos gestochen scharf auf den Schirm. Die maximale Helligkeit beträgt 390 cd/m2, womit sich das Display zwar unter Sonnenlicht ablesen lässt, aber hinter der Konkurrenz bleibt. Wie bei allen OLEDs sorgt aber das sehr satte Schwarz für einen enormen Kontrast und ein sehr knackigen Bildeindruck. Ebenfalls OLED-typisch sind die satten Farben, die das Pixel 3 XL zu natürlich anmutenden Fotos und Videos mischt. Wer die Darstellung als zu kräftig empfindet, kann die Farbsättigung von maximal auf neutral umstellen.

Das Display des Pixel 3 XL hat eine ziemlich große Einkerbung.

Der Design-Sprache ist Google auch in der dritten Generation treu geblieben. Der Fingerabdrucksensor findet sich weiterhin auf der Rückseite, die im oberen Viertel mit Glas bedeckt ist. Ist das Display ausgeschaltet, sieht man auf den ersten Blick keinen Unterschied zu den bisherigen Pixel-Phones. Vor allem der 1,5 cm breite obere und untere Display-Rahmen des Pixel 2 XL sorgte für ein altbackenes aussehen und erntete einige Kritik. Hier wollte Google es besser machen und hat den Rahmen schmaler gehalten. Geblieben sind am unteren Rand 10 mm und oben 2 mm – doch hier prangt eine wuchtige Einkerbung (Notch) in der Mitte, die man in dieser Größe eher bei Telefonen des vergangenen Jahres findet.

In der Aussparung stecken der Lautsprecher sowie die nun zwei Frontkameras mit jeweils 8 Megapixel. Die zweite Kamera ist für weitwinklige Selfies mit einem Sichtfeld von 97 Grad gedacht. Bei der Rückkamera scheint Google den Trend zu Dual-Cams zu ignorieren und schießt Fotos mit einer einzelnen 12,2-Megapixel-Kamera mit Blende f/1,8 und optischem Bildstabilisator (OIS). Google verspricht, dass sich beispielsweise ein Bokeh-Effekt bei Portraits mittels Software genauso gut realisieren lässt wie mit zwei Kameras. Das klappt beim Pixel 3 XL genau wie bei den 2er Modellen tatsächlich gut – und sogar besser als bei anderen Geräten mit zwei Kameras. Das zeigt auch, welche Rolle mittlerweile die Kamerasoftware spielt. Hier hat das Pixel 3 derzeit die Nase vorn: So fertigt die Top-Shot-Funktion Serienbilder und die KI sucht das vermeintlich beste Foto aus. Darüber hinaus helfen Algorithmen, den Fokus automatisch auf bewegten Objekten zu halten und den Zoom-Bereich zu erweitern.

Wir haben diverse Fotos mit dem Pixel 1, dem Pixel 2 und dem Pixel 3 XL sowie dem iPhone Xs Max aufgenommen und miteinander verglichen. Ob der sehr guten Fotoqualität der bisherigen Pixel-Phones überraschte das Ergebnis kaum: Die Bilder vom Pixel 3 XL sehen satt, brillant und scharf aus – lassen sich aber selbst im direkten Vergleich praktisch nicht von denen des Pixel 1 und 2 unterscheiden. Zur ebenfalls sehr guten Fotoqualität des iPhone ließ sich dagegen zielsicher ein Unterschied erkennen: Das iPhone Xs neigt zu kühleren und stärker aufgehellten Bildern, während die Fotos des Pixel neutral mit einer leichten wärmeren Anmutung erscheinen.

Fotos des Pixel 3 XL im Vergleich mit anderen Smartphone-Kameras (9 Bilder)

Das Pixel 3 XL kommt mit Schatten und Gegenlicht gut zurecht.

Auch die restliche Hardware zählt zur Oberklasse: Der Snapdragon 845 mit 2,5 und 1,6 GHz Octa-Core-CPU sorgt dafür, dass das Google-Phone in unseren Benchmarks zusammen mit anderen High-End-Telefonen auf den vorderen Plätzen rangiert. Auffällig war jedoch, dass sich der Snapdragon 845 im Vergleich zur vorherigen Qualcomm-Chips schneller erwärmt und somit früher den CPU-Takt drosselt. Im Alltag haben wir davon aber nicht viel bemerkt: Sämtliche Apps starten flott und die Android-Oberfläche selbst läuft butterweich – kein Ruckeln, kein Haken, keine nervigen Gedenksekunden.

Selbstverständlich läuft das Pixel 3 XL mit dem aktuellen Android 9 alias Pie. Zu den größten Vorteilen zählt, dass Google sein Betriebssystem ohne Bloatware-Apps ausliefert und für die kommenden drei Jahre Betriebssystem-Updates garantiert. Pixel-3-Telefone werden somit auch in den Genuss von Android 10 und 11 kommen – und zwar zum Veröffentlichungstermin und nicht erst Monate später. Darüber hinaus gibt es bis Oktober 2021 monatliche Sicherheits-Patches.

Die Always-On-Funktion des Displays lässt sich auf Wunsch ausschalten.

Funktional unterscheidet sich das Android nur in Details vom Betriebssystem der vorherigen Pixel-Generation, wie etwa die derzeit noch exklusive "Flip to Shhh"-Funktion, die das Telefon stumm schaltet, solange es mit dem Display nach unten auf den Tisch gelegt wird. Die mit Android Pie eingeführte Gestensteuerung zum schnellen Aufruf der App-Übersicht und der zuletzt genutzten Apps lässt sich anders als bei Pixel-2-Telefonen nicht mehr deaktivieren.

Abgesehen von Funktionen, die spezielle Hardware voraussetzen, wie etwa die Weitwinkel-Selfies, gehen wir davon aus, dass die Neuerungen der Kamera-App und des Betriebssystems mit kommenden Updates auch für ältere Pixel-Phones verfügbar sein werden.

Die Akku-Kapazität von 3430 mAh verhilft dem Pixel 3 XL zu einer langen Laufzeit. Während der Videowiedergabe mit einer Display-Helligkeit von 200 cd/m2 hielt es rund 13 Stunden durch und liegt damit auf dem Niveau des Vorgängers und des iPhone Xs Max, aber leicht hinter dem OnePlus 6 und dem Huawei P20 Pro. Deutlich muss es sich von den 17 Stunden Videolaufzeit des Samsung Note 9 geschlagen geben. Geladen wird das Pixel 3 XL über USB-Typ-C.

Zusätzlich kehrt das drahtlose Laden zurück. Hier setzt Google wie seinerzeit beim Nexus 5 und Nexus 6 auf den QI-Standard, sodass man nicht zwingend auf die als Zubehör erhältliche Ladeschale Pixel Stand angewiesen ist, sondern beliebige günstige Ladepads nutzen kann. Auch neu ist, dass die Gehäuse des Pixel 3 nun IP68 zertifiziert sind. Statt wie die Vorgänger mit IP67 halten sie so nicht nur Spritzwasser und kurzzeitiges untertauchen aus, sondern überstehen auch auch bis zu dreißigminütiges Untertauchen bei einer Tiefe von einem Meter.

Das Pixel 3 XL hat eine Top-Ausstattung, eine sehr gute Kamera und garantiert für drei Jahre ein aktuelles und unverbasteltes Android-System. Doch revolutionäre Neuerungen finden sich nicht. Wer bereit ist, Abstriche bei der Geschwindigkeit und der Fotoqualität zu machen, kann stattdessen ein Auge auf Android-One-Smartphones anderer Hersteller werfen, die ebenfalls mit "Vanilla"-Android daherkommen. Wer mehr Wert auf leistungsstarke Hardware legt, greift zu High-End-Geräten anderer Hersteller, muss aber langsamere und längere Update-Zyklen in Kauf nehmen.

Die größte Konkurrenz für das Pixel 3 (XL) dürfte mit den Pixel-2-Phones aus eigenem Haus kommen. Sie schießen vergleichbare Fotos, laufen nach einem Jahr immer noch sehr flott, werden noch zwei Jahre mit Updates versorgt und sind deutlich günstiger zu haben. Selbst Besitzer eines Pixel der ersten Generation dürften immer noch so zufrieden sein, dass das drahtlose Laden und der bessere Schutz vor Wasserschäden wohl kein drängendes Argument zum Neukauf ist.

Siehe dazu auch bei Techstage:

(spo)