Britische Kampagne gegen Suizid

Die Selbstmordraten sind zu hoch. Vor allem unter Männern. In Großbritannien widmet sich nun eine Staatssekretärin der Prävention.

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Von
  • Inge Wünnenberg

Eigentlich können sich die Briten über ihre Zahlen freuen. Mit 5821 verzeichneten Selbsttötungen im vorigen Jahr sank die Selbstmordrate auf 10,1 Tote pro 100.000 Einwohner. Dies berichtet das britische Amt für nationale Statistiken. Zum Vergleich: In den USA lag die Quote 2016 bei 13,4 und 2015 in Deutschland bei 12,3. Was also können andere Länder von den Briten lernen?

Vielleicht ist es besonders wichtig, die Einstellung zu ändern: So ernannte erst vor wenigen Tagen die britische Premierministerin Theresa May eine explizit für die Selbstmordprävention zuständige Staatssekretärin im Gesundheitsministerium. Natürlich fand die Vorstellung der neuen Amtsträgerin Jackie Doyle-Price öffentlichkeitswirksam während des Weltgipfels für Geistige Gesundheit in London statt. Die Staatssekretärin, schon zuvor in ähnlicher Position im Gesundheitsministerium tätig, wird nun eine neue Task Force leiten. Diese wird mit Experten für Selbstmord- und Selbstverletzungsprävention, Wohltätigkeitsorganisationen, Ärzten und von Selbstmord in deren Umfeld Betroffenen zusammenarbeiten.

Aber auch die englische Kinderbeauftragte Anne Longfield meldete sich in der Tageszeitung The Guardian zu Wort: "Ich möchte einen Berater in jeder weiterführenden Schule und in jeder Grundschule sehen, der Zugang zu Beratungsdiensten hat", sagte Longfield und forderte zugleich, die große Lücke bei den Ausgaben für die psychische Gesundheit von Erwachsenen und Kindern zu schließen. Vor allem mahnte sie ein System an, "das jedem Kind, das dies braucht, Unterstützung und Behandlung gewährt, wenn es dies braucht".

Auch Premierministerin May betonte in einem Bericht des Senders CNN: "Wir können dem Stigma ein Ende setzen, das zu viele gezwungen hat, schweigend zu leiden." Denn nicht nur in Großbritannien sind von Selbsttötungen überdurchschnittlich viele Männer betroffen. Selbstmord gehört weltweit zu den häufigsten Todesursachen bei Männern unter 45 Jahren.

84 Männer jedoch nehmen sich allein in Großbritannien jede Woche das Leben. Das führt die seit dem Frühjahr gezeigte Installation des US-Künstlers Mark Jenkins auf dem Londoner Hochhaus des Fernsehsenders ITV eindrücklich vor Augen. Ein erklärtes Ziel der die Installation begleitenden Kampgane Project 84 – die einzelnen Skulpturen erinnern übrigens jede an ein konkretes Schicksal – war die Einrichtung solch einer Position im Gesundheitsministerium, wie Jackie Doyle-Price sie jetzt innehat. Das heißt nicht, jedes Land benötigt solch eine Maßnahme. Wichtig aber ist es, Menschen – und Männern – in existentiellen und psychischen Notlagen zu helfen. Ohne Tabu und ohne Drama. (inwu)