World Robot Summit: "Roboterwettbewerbe bringen Innovationen"

Heise online hat vor dem anstehenden neuen Roboterwettbewerb World Robot Summit mit Satoshi Tadokoro gesprochen, einem der Organisatoren.

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World Robot Summit: "Roboterwettbewerbe bringen Innovationen"

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

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  • Hans-Arthur Marsiske

In Tokio beginnt am morgigen Dienstag der World Robot Summit, ein neuer, groß angelegter Roboterwettbewerb mit dem erklärten Ziel, das Wohl der Menschheit zu befördern und "neue Formen des Glücks" hervorzubringen. Einer der maßgeblichen Organisatoren ist Satoshi Tadokoro (Tohoku University). Er gilt als einer der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der Rettungsrobotik und hat das Vorhaben in den vergangenen Jahren in zahlreichen Vorträgen bekannt gemacht. Jetzt leitet er die Wettbewerbskategorie "Desaster" für Rettungsroboter. Während in den Hallen des Ausstellungsgeländes Tokio Big Sight letzte Vorbereitungen getroffen wurden und Teams sich auf das Turnier vorbereiteten, hatten wir Gelegenheit, mit ihm über die neue Robotik-Großveranstaltung zu sprechen.

Herr Tadokoro, in den vergangenen Jahren sind viele Roboterwettbewerbe ins Leben gerufen worden, sodass man sich fragen könnte, ob es überhaupt noch Raum für einen neuen Wettbewerb gibt. Was unterscheidet den World Robot Summit (WRS) von anderen Wettbewerben?

Satoshi Tadokoro, Leiter der Disaster Robotics Category, vor der Arena der Standard Disaster Robotics Challenge.

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Tadokoro: Roboterwettbewerbe haben Innovationen vorangebracht. Die von der US-Militärforschungsbehörde Darpa veranstalteten Wettbewerbe etwa hatten einen enormen Einfluss auf die Entwicklung autonomer Fahrzeuge. Auch der RoboCup hat erhebliche Auswirkungen. So hat der Roboter Pepper von der Firma Softbank, der jetzt sehr populär geworden ist, seine Wurzeln im RoboCup, wo er als Standardplattform verwendet wird. Die Erfahrungen der Teams, die ihn verwendet haben, sind stark in die Entwicklung eingeflossen. Ähnlich ist es bei Drohnen. Die AUVSI (Association for Unmanned Vehicle Systems International) blickt mit der IARC (International Aerial Robotics Competition) ebenfalls auf eine lange Wettbewerbsgeschichte zurück, die viele Innovationen hervorgebracht hat. Wenn es bereits einen Markt für Roboter und eine florierende Robotikindustrie gäbe, wären solche Wettbewerbe wohl nicht nötig. Dann gäbe es genügend Investoren, um die weitere Entwicklung zu fördern. Solange der Markt aber noch nicht ausgereift ist und es in der Gesellschaft keine ausreichende Akzeptanz für die Technik gibt, sind Wettbewerbe ein sehr guter Weg, um die Wissenschaft und Technologie voranzubringen.

Aber angesichts der Vielzahl bereits existierender Wettbewerbe ist es nicht ohne Risiko, einen so großen Wettbewerb wie den WRS neu zu etablieren. Noch einmal: Was macht der WRS anders?

Tadokoro: Wir möchten Innovationen für die nächste Generation hervorbringen. Die Technik allein reicht allerdings nicht. Wir brauchen auch die Akzeptanz der Öffentlichkeit. Gute Roboter werden nicht allein von Ingenieuren und Wissenschaftlern entwickelt, sondern von den Nutzern. Das gilt für Serviceroboter, die Menschen im Haus oder beim Einkaufen unterstützen ebenso für Roboter, die bei Rettungseinsätzen oder der Inspektion von Fabrikanlagen helfen sollen. Dafür ist es wichtig, Wettbewerbe in einer möglichst realistischen Umgebung auszutragen und zu erproben, wie Roboter genutzt werden können.

Was war der Ausgangspunkt, den WRS zu entwickeln?

Tadokoro: Japan hat lange Zeit mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten gekämpft. Unser Premierminister Shinzō Abe forderte daraufhin im Jahr 2014 mehr Innovationen, unter anderem in der Robotik. Eine Idee war es, in Anlehnung an die Olympischen Spiele alle vier Jahre eine Roboterolympiade zu veranstalten. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat uns zwar nicht erlaubt, diesen Namen zu verwenden, aber ansonsten ist es bei dem Vier-Jahres-Zyklus und wechselnden internationalen Austragungsorten geblieben. Japan macht im Jahr 2020 den Anfang, der nächste WRS könnte dann 2024 vielleicht in Frankreich oder einem anderen Land stattfinden. Der diesjährige Wettbewerb dient der Vorbereitung, weil wir aus der Erfahrung mit dem RoboCup wissen, dass sich eine Veranstaltung dieser Größenordnung anders nicht realisieren lässt.

World Robot Summit: Erste Eindrücke (9 Bilder)

Mit den Standard-Testmethoden für Rettungsroboter wird unter anderem deren Wendigkeit auf engem Raum herausgefordert. (Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Hinsichtlich der Wettbewerbskategorien wirkt der WRS ein wenig wie RoboCup ohne Fußball. Nun steht der Fußball beim RoboCup aber für eine klare langfristige Zielsetzung: Bis 2050 soll mit humanoiden Robotern die Fußballweltmeisterschaft gewonnen werden. Die Botschaft des WRS ist dagegen sehr viel undeutlicher: Robots for Happiness. Was für Überlegungen stecken dahinter?

Tadokoro: Für 2020 haben wir vier Kategorien ausgewählt: Industrie, Service, Desaster und Junior, weil sie für wichtige soziale Probleme stehen. Zu deren Lösung möchten wir beitragen. 2024 mag es noch weitere Kategorien geben, aber für die erste Ausgabe des Wettbewerbs mussten wir uns zunächst auf diese vier beschränken. Sie sind eng an den RoboCup angelehnt, weil wir uns stark auf die dort gesammelte Erfahrung stützen. Die konkreten Aufgaben unterscheiden sich allerdings vom RoboCup.

Insbesondere bei der Desaster-Kategorie fällt auf, dass die beim RoboCup verwendeten Standard-Testmethoden jetzt mit realistischeren Szenarien verbunden werden.

Tadokoro: Die Standard-Testmethoden sind vornehmlich für Roboter entwickelt worden, die Sprengfallen untersuchen und entschärfen sollen. Die dafür erforderlichen Fähigkeiten überschneiden sich mit denen für andere Anwendungen, aber eben nur zum Teil. Deswegen haben wir auch beim RoboCup damit begonnen, neue Testmethoden zu entwickeln, etwa zur Inspektion von Industrieanlagen. So gab es zum Beispiel im vorigen Jahr bei der RoboCup-WM in Nagoya bereits Aufgaben, bei denen Ventile betätigt werden mussten.

Die Anlageninspektion ist beim WRS jetzt eine eigene Wettbewerbskategorie, daneben gibt es die Nachstellung eines Unfalls in einem Tunnel.

Tadokoro: Ja, solche Unglücksfälle haben sich in vielen Ländern ereignet. So kam es 1999 im Mont-Blanc-Tunnel zwischen Italien und Frankreich zu einem schweren Brand, dem 39 Menschen zum Opfer fielen. In Japan sind auf Stelzen errichtete Autobahnen bei Erdbeben zusammengebrochen. In solchen Situationen können Roboter von großem Nutzen sein.

Wie viel kostet der WRS?

Tadokoro: Das Problem war weniger das Geld als das Personal. Während es für die Organisation der Desaster-Kategorie genügend erfahrene Leute vom RoboCup gab, war das in den anderen Kategorien schwieriger. Aus diesem Grund gibt es in der Industrie-Kategorie diesmal nur einen Wettbewerb statt drei wie bei Service und Desaster. Finanziell ist der WRS von der japanischen Regierung mit ein paar Millionen US-Dollar ausgestattet, die in die Durchführung der Veranstaltung, etwa die Errichtung der Wettbewerbsarenen, geflossen sind. Von der Industrie kamen Gelder in ähnlicher Höhe, mit denen Teams unterstützt wurden, etwa in Form von Zuschüssen zu den Reisekosten.

Förderungen für die Robotik werden von der EU oder der deutschen Regierung in der Regel wirtschaftlich begründet. Ziel ist es etwa, die Konkurrenzfähigkeit der europäischen Industrie zu verbessern oder ähnliches. In der Botschaft des WRS werden wirtschaftliche Aspekte dagegen mit keinem Wort erwähnt. Hat das einen bestimmten Grund?

Tadokoro: Der japanischen Regierung ist die Wettbewerbsfähigkeit der einheimischen Industrie sicherlich auch wichtig. Ich persönlich denke aber, dass die Robotik, abgesehen von den industriellen Anwendungen, noch nicht ausgereift ist. Die für den Einsatz bei Katastrophen erforderlichen Roboter werden nicht durch wirtschaftlichen Wettbewerb hervorgebracht, sondern durch den Austausch zwischen Ingenieuren, Wissenschaftlern und Nutzern. Der wirtschaftliche Wettbewerb ist dafür zu kurzfristig orientiert. Nationale Interessen spielen ebenfalls keine Rolle. Viele halten zum Beispiel Nissan für eine japanische Firma, dabei ist sie in französischem Besitz, mit Produktionsanlagen überall in der Welt und Mitarbeitern, die überwiegend nicht aus Japan kommen. Die "einheimische Industrie" ist nicht immer so leicht zu identifizieren. Außerdem kann kein einzelnes Unternehmen allein die Grundlagen für die Robotikindustrie schaffen. Bevor die heutigen Automobilkonzerne darum wetteifern konnten, wer die besseren Fahrzeuge baut, brauchte es auch zunächst ein ausreichend großes Straßennetz und allgemein akzeptierte Verkehrsregeln. Das ging nur miteinander, nicht gegeneinander.

Warum findet der WRS nur alle vier Jahre statt? Glauben Sie, dass sich die Technik für kürzere Intervalle nicht schnell genug entwickelt?

Tadokoro: Nein, das hat mehr mit der Suche nach neuen Austragungsorten zu tun. Ein Land, das den WRS bei sich veranstalten will, braucht ausreichend Zeit für die Vorbereitung. (olb)