Disruptosaurus Rex

Wir unterbrechen die Kulturgeschichte kurz für eine digitale tektonische Verschiebung.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Peter Glaser

Es zeigt sich gerade, dass Netzwerke hervorragend dazu geeignet sind, unser mit Arbeit und Terminen vollgestopftes Leben zu organisieren, das durch die Netzwerke überhaupt erst in dieser Form möglich respektive unvermeidlich geworden ist. Auch in der Wirtschaft streben Maschinenparks, Lager und Lieferlogistik danach, sich zu einer nahtlos ineinandergreifenden intelligenten Fabrik zu verbinden, die mit ihren gewaltigen Scheinfüßchen in die Welt hinausreicht. Nach Mechanisierung (1.0), Massenproduktion (2.0) und Automatisierung (3.0) steht Industrie 4.0 nun für den Einzug des Internet in die Fertigung, die dadurch deutlich individueller und effizienter werden soll.

Es ist, genauer gesagt, das Internet der Dinge auf dem Vormarsch und vernetzt nicht nur große Geräte miteinander, sondern eine zunehmende Zahl alltäglicher bis allerkleinster Objekte – von der Türklinke bis zum winzigen Sensor –, die eine verfeinerte Art der Umweltwahrnehmung und -steuerung möglich machen ("Ambient Intelligence"). Vorreiter hierbei sind moderne Autos, in denen bereits hunderte von Messfühlern zusammenwirken, um dem Fahrzeug mittels Video, Ultraschall, Infrarot und Radar elektronische Augen und eine Art Tastsinn zu verleihen.

Manchen dieser Herausforderungen, die extreme Schnelligkeit, Flexibilität und Lernfähigkeit erfordern, kann klassische Software nicht mehr entsprechen, etwa eine brenzlige Situation auf einer Kreuzung in einem selbstfahrenden Auto zu entschärfen. Hilfe versprechen neue Methoden der Künstlichen Intelligenz. Programme, die auf spezielle Anforderungen trainiert, die menschliche Leistungsfähigkeit weit übertreffen können.

Im Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft verändert sich auch die Arbeit. Die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben verschwimmen. Dienstleister, Informationsarbeiter und Kreative heben den Megatrend New Work auf eine neue Ebene. Sie stehen als zunehmend Selbständige im kühlen Wind der Eigenverantwortung und sind zugleich fasziniert von der schönen, neuen Arbeitswelt.

In dieser Leitströmung gibt es gewissermaßen Vollbremsungen, die Boxenstops bei Formel-1-Rennen gleichen, bei denen nicht nur die Reifen, sondern das komplette Fahrzeug durch ein neues ersetzt wird. Solche Disruptionen bereiten herkömmlichen Techniken, Diensten und Produkten ein Ende und ersetzen sie durch Innovationen. Ein Musterbeispiel ist die 2001 initiierte Wikipedia, die dazu führte, dass die gedruckte Ausgabe der bis dato geltende Hochburg des Menschheitswissens, die Encyclopaedia Britannica, im Jahr 2012 nach 244 Jahren eingestellt wurde.

Auf Papier nicht umsetzbar war die fantastische Vernetzungsfähigkeit der Wissensaggregation, das dichte Gewebe aus Links zwischen den zahllosen Artikeln. Ihre Konnektivität. Auch sie ist eine der grundlegend neuen Qualitäten der digitalen Welt. Konnektivität betrifft nicht nur die Netzaffinität elektronischer Produkte, sondern gleichermaßen die Vernetzung von Individuen, Unternehmen oder Staaten.

Die Digitalisierung ist so tiefgreifend, dass sie sogar verändert, wie Veränderung verläuft. Früher gab es einen Zustand, dann kam eine Veränderung, dann ein neuer Zustand. Jetzt ist Veränderung der Zustand — die digitale Transformation ist zu einem permanenten Vorgang geworden, der die gesamte technische Zivilisation des Planeten erfasst hat.

(bsc)