War die Online-Demo gegen Lufthansa ein Flop?

Blockiert werden konnte die Website nur kurzfristig, die Veranstalter der umstrittenen Aktion sprechen dennoch von einem Erfolg.

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Von
  • Florian Rötzer

Die Aktion "deportation.class" des Aktionsbündnisses "Kein Mensch ist illegal", "Libertad!" und weiterer Gruppen aus aller Welt sollte durch eine "Online-Demonstration" oder ein "virtuelles Sit-in" die Website der Lufthansa während der Aktionärshauptversammlung von 10 bis 12 Uhr "zeitweise" unzugänglich machen. Mit der Aktion wollte man gegen die Abschiebung von Flüchtlingen durch die Lufthansa protestieren, aber über die aktuelle Aktion hinaus ging es auch darum, ob bürgerliche Freiheiten, die das Grundgesetz wie Versammlungen oder Demonstrationen gewährt, auch in den Cyberspace übertragbar sind.

Erfolgreich im Sinne der Protestierenden war die durch ein Programm zum automatischen Aufrufen der Website geplante Blockierung nicht. "Wir haben verstärkt Zugriffe registriert", so Lufthansa- Unternehmenssprecher Thomas Ellerbeck. In den ersten Minuten der DOS-Attacke habe sich der Aufbau ihrer Site "verlangsamt". Schnell hätten jedoch die Techniker "die Kapazität der Leitungen erhöhnt". Ellerbecks Kollege Martin Riecken sprach gegenüber Nachrichtenagenturen allerdings davon, in den ersten zehn Minuten sei es nicht möglich gewesen, die Homepage aufzurufen (Online-Blockade gegen Lufthansa zeigt kaum Wirkung).

Sven Maier von der Onlinedemo erklärte gegenüber Telepolis, Sympathisanten hätten sich während der Blockade gemeldet und berichtet, zeitweise sei aus bestimmten Regionen die Homepage der Kranich-Airline nicht erreichbar gewesen. Zeitgleich aber teilte man aus anderen Regionen mit, sie sei unproblematisch aufzurufen. Maier vermutet, mithilfe verschiedener Breitbandnetze habe die Lufthansa den virtuellen Sturzflug verhindert. Falls nötig, habe man zwischen den Netzen geswitcht und wohl auch kurzfristig ganzen Knotenpunkte, Regionen und vermutlich auch den IP-Nummernraum des Deutschen Forschungs-Netzes (DFN) vom Zugriff auf die Homepage ausgesperrt. "Wer hinter einer möglichen Blockade zwischen DFN- und Lufthansa-Servern steht, ist nicht bekannt," so Maier. "Auf Kosten der Funktionalität versuchte die Lufthansa, das Image des aufstrebenden Netz-Konzernes und den Schein ständiger Erreichbarkeit zu retten", meinte Kampagnensprecherin Anne Morell: "Die Webseite glich einem Potemkinschen Dorf".

Unsicher sei auch, so Maier, ob der äußere Schein der Homepage nicht getrogen hat. Er habe etwa versucht, im sicheren Buchungsbereich der Homepage Flüge zu buchen oder Reiserouten abgefragt. In nahezu allen Fällen sei das gescheitert oder er sei wieder auf die Startseite umgeleitet worden. Maier geht deswegen davon aus, ihre Software habe wunderbar funktioniert. Und in Anbetracht dessen, dass die Lufthansa wohl "richtig Kapazität" und Technik "aufgefahren" habe, sei der Protest ein voller Erfolg. Alleine schon deswegen, weil das "schmutzige Geschäft mit der Abschiebung" über Wochen in den Medien präsent war und ist.

Mangels großer Störungen dürfte sich denn auch der Schaden bei der Lufthansa in Grenzen gehalten haben, auch wenn man sich natürlich technisch und personell auf die "Demonstration" vorbereitet hatte. Das Bundesjustizministerium hatte bereits im Vorfeld gegenüber Telepolis die Rechtmäßigkeit der Aktion bestritten. Im Cyberspace gebe es kein Demonstrationsrecht, da hier die Menschen nicht körperlich anwesend seien. Bei einer Blockade trete das Strafgesetz in Kraft, die beispielsweise als Computersabotage gelten würde. In Spiegel Online nannte Jürgen Weinknecht, bezeichnet als Spezialist für Medien- und Internetrecht, die Aktion kurzerhand als "Straftat": "Die Verantwortlichen der Kampagne Libertad! sind im Rahmen dieser Aktion nichts anderes aks ganz normale Kriminelle, die unter dem Deckmantel des angeblichen Kampfes für die Rechte von Asylbewerbern ihre Straftaten begehen."

Für die Cyberaktivisten oder Hacktivisten müssen hingegen die bürgerlichen Freiheiten auch im Cyberspace gelten. Sierk Hamann, Richter und Experte für Online-Recht, fordert dazu auch, auch solche DoS-Attacken "im Lichte der Grundrechte" zu sehen, die eine allgemeine Meinungsfreiheit garantieren. Die Diskussion darüber hat erst begonnen.

Mehr in Telepolis: Kein digitaler Sturzflug des Kranich? (fr)