Post aus Japan: Telekommunikation im Visitenkartenformat

Nippons Telekom-Industrie ist zwar geschrumpft, aber nicht totzukriegen. Der Elektronikkonzern Kyocera bringt das derzeit dünnste Mobiltelefon der Welt auf den Markt.

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Post aus Japan: Telekommunikation im Visitenkartenformat

(Bild: Kyocera)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Martin Kölling

Von japanischen Handyherstellern, den einstigen Technikführern der Welt, erwarte ich schon lange nichts mehr. Umso größer ist meine Überraschung über ein Produkt, das zur Abwechslung mal mein Interesse weckt: Der japanische Mobilnetzkonzern NTT Docomo bringt ein kreditkartenkleines, dünnes Handy des japanischen Elektronikkonzerns Kyocera auf den Markt.

Und mehr noch: Es soll das dünnste Handy der Welt sein. Auf 91 mal 55 Millimetern Fläche (der japanischen Visitenkartennorm) und 5,3 Millimeter Dicke bringt das Gerät ein 2,8-Zoll-Display aus elektronischem Papier, die Sendetechnik, Lautsprecher, Mikrofone und einen 380-mAh-Akku unter. Damit passt es nicht nur in die Westentasche, sondern sogar in die Visitenkartenbox. Und mit 47 Gramm ist auch noch leicht.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Für diese Vorzüge opfert das KY-01L allerdings viele Fähigkeiten von Smartphones. Videos kann man damit nicht anschauen, keine Fotos schießen, sondern nur telefonieren, Mails und die Uhrzeit checken und simple Seiten zweifarbig browsen. Aber das Gerät ist auch gar nicht als Smartphoneersatz gedacht, sondern zum Beispiel als Zweithandy für Personen, denen der Arbeitgeber ein Gerät verordnet.

In Japan ist das durchaus ein großer potenzieller Markt. Viele Menschen laufen derzeit mit zwei ausgewachsenen Smartphones in der Hand oder Tasche umher. Ein kleineres Gerät erleichtert den Hightechballast, den Tokios Pendler mit sich herumschleppen.

Mich wundert nicht, dass diese Idee von Kyocera stammt. Der Konzern hat in der Vergangenheit schon andere Innovationen ausprobiert. Ich erinnere mich noch an ein Smartphone, das Schall durch Vibrationen des Displays erzeugte. Legte man eine Ecke ans Ohr, konnte man damit dank der Übertragung des Schalls über Haut und Knochen sogar in lauter Umgebung einigermaßen telefonieren. "Das funktioniert sogar bei aufgesetztem Kopfhörer mit eingespieltem Baustellenlärm, demonstrieren die Hostessen am Kyocera-Stand", schrieb ich vor sechs Jahren.

Das Problem mit der Idee war damals, dass sie nicht gerade weltweit Wellen schlug. Und ich glaube, dass auch das Visitenkartenhandy ein Nischenprodukt bleiben wird, und ein kurzlebiges noch dazu. Nicht weil der Markt fehlen würde. Aber es kommt schlicht zu spät.

Inzwischen gibt es andere Kommunikationsgeräte, die ebenso weit portabler als Smartphones sind und zudem weit mehr Funktionen bieten als das KY-01L: Smartuhren mit eigener Sim-Karte. Wer sich allerdings kein solches Gerät ans Handgelenk binden will, wird vielleicht zum dünnen Handy greifen. Wenigstens in Japan. Ein kleiner Hingucker ist das Handy allemal.

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