Computerschnittstelle: Ein Netz aus Gehirnen

Mit modernen Techniken können Forscher sowohl Signale aus dem menschlichen Gehirn erkennen als auch Einfluss auf es nehmen. Eine Gruppe hat auf diese Weise mehrere Personen direkt miteinander vernetzt.

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Ein Netz aus Gehirnen
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  • TR Online
Inhaltsverzeichnis

Die Fähigkeit, Gedanken direkt von einem Gehirn zu einem anderen zu schicken, ist Stoff für Science-Fiction – oder war es zumindest.

In den vergangenen Jahren haben Physiker und Neurowissenschaftler ein Arsenal an Werkzeugen entwickelt, mit denen sich bestimmte Arten von Gedanken erkennen und Informationen darüber an andere Gehirne übertragen lassen. Dies hat Kommunikation von Gehirn zu Gehirn zu einer realen Möglichkeit gemacht.

Zu den Werkzeugen zählen Elektroenzephalogramme (EEGs), die elektrische Aktivität im Gehirn aufzeichnen, und transkranielle Magnetstimulation (TMS), mit der sich Informationen ins Gehirn übertragen lassen.

Im Jahr 2015 nutzten Andrea Stocco und Kollegen an der University of Washington in Seattle diese Technik, um zwei Personen mit einem Hirn-zu-Hirn-Interface zu verbinden. Anschließend spielten die Probanden ein „wer bin ich?“-Fragespiel.

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Ein offensichtlicher nächster Schritt lag damit darin, einen solchen Austausch zwischen mehr als zwei Personen möglich zu machen. Tatsächlich berichteten Stocco und Kollegen Ende September, dieses Ziel erreicht zu haben – mit dem weltweit ersten Hirn-zu-Hirn-Netzwerk. Über das BrainNet, wie sie es nennen, kann eine kleine Gruppe zusammen ein Tetris-ähnliches Spiel spielen. „Unsere Ergebnisse sprechen für die Möglichkeit zukünftiger Hirn-zu-Hirn-Schnittstellen für das kooperative Lösen von Problemen durch Menschen, die ein 'soziales Netzwerk' vernetzter Gehirne nutzen“, schreiben sie.

Die Technologie dahinter ist relativ einfach. EEGs messen die elektrische Aktivität der Gehirne. Sie bestehen aus einer Reihe von auf dem Schädel platzierten Elektroden, die elektrische Aktivitäten aufnehmen.

Wichtig dabei ist, dass Menschen relativ leicht Einfluss darauf nehmen können, welche Signale ihr Gehirn produziert. So stellen sich Hirn-Signale leicht auf externen Reize ein – wenn man ein Licht betrachtet, das mit 15 Hertz blinkt, geht vom Gehirn ein starkes elektrisches Signal mit derselben Frequenz aus. Bei einer Änderung der Blink-Frequenz auf 17 Hertz reagiert das Hirn-Signal so, dass es sich mittels EEG gut erkennen lässt.

TMS wiederum nimmt über die Zufuhr von elektrischer Aktivität in bestimmte Bereiche Einfluss auf die Hirnaktivität. Ein auf den Occipitallappen fokussierte Magnetimpuls zum Beispiel erzeugt die Wahrnehmung, ein Blitzlicht zu sehen, genannt Phosphen.

Zusammen machen es diese beiden Technologien möglich, Signale direkt ans Gehirn zu senden und von dort zu empfangen. Vor Stocco und Kollegen aber hatte noch niemand ein Netzwerk zur Gruppen-Kommunikation damit errichtet. Über das Netzwerk der Forscher können drei Personen Informationen direkt zwischen ihren Gehirnen austauschen. Nach Angaben der Forscher lässt es sich leicht skalieren und wird nur von der Verfügbarkeit von EEG- und TMS-Geräten begrenzt.

Bei ihrer Machbarkeitsstudie waren drei Personen verbunden: zwei als Sender und eine, die sowohl senden als auch empfangen kann, alle getrennt voneinander in unterschiedlichen Räumen. Zusammen sollen sie ein Tetris-ähnliches Spiel lösen, bei dem ein fallender Block so gedreht werden muss, dass er in einen Platz unten am Bildschirm passt.

Die beiden Sender tragen EEG-Sonden und können beide den gesamten Bildschirm sehen. Das Spiel ist so angelegt, das der fallende Block entweder passt, wenn er um 180 Grad gedreht wird, oder wenn das das nicht geschieht. Die Sender müssen entscheiden, was der Fall ist, und diese Information an das dritte Gruppenmitglied schicken.

Dazu variieren sie die Signale, die ihre Gehirne produzieren. Wenn das EEG ein 15-Hertz-Signal erkennt, wird der Cursor zur rechten Bildschirmseite bewegt. Wenn er dort ankommt, schickt das System ein Signal an den Empfänger, den Block zu drehen. Die Sender können ihr Signal kontrollieren, indem sie intensiv auf LEDs auf beiden Seiten des Bildschirms blicken – eine blinkt mit 15 Hertz, die andere mit 17 Hertz.

Der Empfänger, angeschlossen an EEG und TMS, hat eine andere Aufgabe. Er kann nur die obere Hälfte des Tetris-Bildschirms sehen, also den Block, aber nicht, ob er gedreht werden muss. Er erhält jedoch von beiden Sendern über TMS Signale, die entweder „drehen“ oder „nicht drehen“ sagen. Das Signal ist ein einzelnes Phosphen, wenn gedreht werden soll – wenn nicht, gibt es keinen Lichtblitz. Die Datenrate ist also niedrig: Sie beträgt nur ein Bit pro Interaktion.

Nachdem er Informationen von beiden Sendern erhalten hat, führt der Empfänger die Aktion aus. Doch dann sieht das Spiel eine weitere Interaktionsrunde vor. Die Sender können den fallenden Block sehen und somit feststellen, ob der Empfänger die richtige Entscheidung getroffen hat. Anschließend übertragen sie die nächste Handlungsvorgabe – drehen oder nicht – an ihn.

Dadurch konnten die Forscher etwas Spaß haben. In einigen Versuchen veränderten sie gezielt die Informationen von einem der Sender, um zu prüfen, ob der Empfänger sich angewöhnt, sie zu ignorieren. Dies führt ein Element von Fehlern ein, wie sie bei echten sozialen Situationen oft vorkommen.

Die eigentliche Frage der Forscher aber lautete, ob Menschen auch bei einer sehr geringen Datenrate herausfinden können, was zu tun ist. Dabei zeigte sich: Als soziale Tiere konnten sie allein anhand des Hirn-zu-Hirn-Protokolls zwischen korrekten und falschen Informationen unterscheiden. Die interessante Arbeit ebnet den Weg zu komplexeren Netzwerken. Nach Angaben der Forscher wurde ihres eigens zwischen drei Räumen in ihrem Labor eingerichtet. Grundsätzlich aber gibt es keinen Grund, warum es nicht über das Internet erweitert werden könnte, sodass Teilnehmer aus aller Welt darüber zusammenarbeiten könnten.

„Ein Cloud-basierter Server für Hirn-zu-Hirn-Kommunikation könnte die Informationsübertragung zwischen beliebig vielen Geräten in einem Netzwerk steuern und es weltweit über das Internet nutzbar machen, sodass Cloud-basierte Interaktionen zwischen Gehirnen im globalen Maßstab möglich wären“, schreiben Stocco und Kollegen. „Dies hat das Potenzial, nicht nur neue Bereiche der menschlichen Kommunikation und Kooperation zu eröffnen, sondern auch unser Verständnis des menschlichen Gehirns zu verbessern.“

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