Ein Bus voller Daten

DNA könnte das Medium der Wahl werden, wenn es darum geht, Daten langfristig zu archivieren. Noch allerdings ist die Technologie dafür ausgesprochen aufwendig und sperrig.

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Ein Bus voller Daten

(Bild: Catalog)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Antonio Regalado
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In einer Welt voller Daten könnte DNA eine enorm kompakte Möglichkeit für ihre Speicherung sein. So könnten alle Daten auf allen iPhones, PCs und Server-Schränken dieser Welt in einem Whirlpool voller DNA untergebracht werden. Außerdem ist sie unglaublich haltbar: DNA kann tausende Jahre überdauern, solange sie relativ kühl und trocken gehalten wird.

Eines der Start-ups in dieser neu entstehenden Branche hat jetzt Pläne für einen Prototypen auf DNA-Basis vorgestellt: eine Maschine in der Größe eines Schulbusses, die eines Tages Filme oder Datenarchive in unsichtbare Stücke DNA konvertieren könnte. Gebaut wird sie von Catalog Technologies zusammen mit dem britischen Unternehmen Cambridge Consultants.

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Verschiedene Teams haben bereits gezeigt, dass es möglich ist, GIF-Bilder, Bücher, Geschenkekarten und andere Daten in DNA zu speichern und wieder aus ihr abzurufen.

Das Problem dabei ist, dass die Konvertierung von Bits in die As, Gs, Cs und Ts des genetischen Codes viel Zeit in Anspruch nimmt und dass auch das Auslesen aufwendig ist. Und auch die Kosten für maßgeschneiderte DNA sind hoch. Um ein paar DVDs in hoher Auflösung zu speichern, müsste man fast eine Million Dollar ausgeben.

Catalog aber gibt an, dass sein System billiger ist. Statt individuelle DNA-Stränge zu synthetisieren, kombiniert das Unternehmen kurze vorgefertigte Stücke zu längeren Strängen, in denen die Informationen enthalten sind. Hyunjun Park, CEO und Mitgründer von Catalog, vergleicht diesen Ansatz mit der Art und Weise, wie bei alten Druckmaschinen Worte aus fertigen Metall-Buchstaben entstehen.

Die US-Ausgabe von Technology Review durfte erste Blicke auf die Maschine dafĂĽr werfen, allerdings nur in Form einer computergenerierten Ansicht des begehbaren Labors und eines Fotos von Ingenieuren, die an dem Prototypen arbeiten.

Laut Park soll Anfang nächsten Jahres eine erste Prototypen-Maschine fertig sein, die pro Tag ein Terabit an Daten auf DNA schreiben kann. Das sind ungefähr so viele Daten, wie auf einen Laptop passen. „Das reicht noch nicht, aber es ist mehr, als je zuvor gemacht wurde“, sagt Park. Ein kommerzielles System, also eine Maschine oder mehrere zusammen, die pro Tag ein Petabit Daten speichern können, wird nach seinen Angaben noch bis mindestens 2021 auf sich warten lassen.

Und machen wir uns nichts vor: Das Gerät ist riesig – nicht gerade ein kleines Flash-Laufwerk. Das Computer-Bild zeigt eine Tür und dahinter einen Raum, in dem mehrere Techniker arbeiten können. Im Inneren wird es hunderte Tüten oder Flaschen mit vorbereiteter DNA geben müssen, zudem ein automatisches Labor, um die Stränge zusammenzumischen und Milliarden Reaktionen vorzunehmen. Auch eine DNA-Sequenziermaschine wird benötigt, um die Daten abzurufen – oder sogar mehrere davon. Das Rendering erinnert an ENIAC, den in den 1940er Jahren an der University of Pennsylvania gebauten frühen Computer, der mit mehr als 18.000 Vakuumröhren einen großen Raum für sich beanspruchte.

„Das ist die erste Maschine dieser Art überhaupt. Sie kann kleiner werden, aber diese Herausforderung haben wir uns noch nicht vorgenommen“, sagt Richard Hammons, Leiter synthetische Biologie bei Cambridge Consultants, das spezialisierte technische Projekt übernimmt.

Catalog hat in diesem Sommer 9 Millionen Dollar Wagniskapital aufgenommen und will die Maschinen zunächst nicht verkaufen. Stattdessen ist geplant, mit Partnern DNA-Speicherung als Dienstleistung anzubieten, wenn der erste Prototyp fertig ist. Allerdings will Park nicht sagen, ob schon solche Partner gefunden wurden.

Weil es so lange dauert, Bits in DNA umzuwandeln und die Informationen wieder daraus abzurufen, sollte man nicht damit rechnen, dass DNA-Speicherung bald auf jedem Telefon üblich ist. Eher könnte die Technologie langfristige Archivierung auf Magnetbändern ersetzen.

Bislang verrät Catalog nicht viele Details, sodass andere Wissenschaftler sich keine Beurteilung zutrauen. Victor V. Zhirnov von der Semiconductor Research Corporation im US-Bundesstaat North Carolina, der die Entwicklung bei DNA-Speicherung beobachtet, äußert sich zumindest über die Idee der „Bibliotheken“: Die sei wirtschaftlich theoretisch sinnvoll.

„Auf diese Weise müssen sie nicht für jedes neue Stück Information neue DNA synthetisieren. Stattdessen muss nur die vorfabrizierte DNA neu gemischt werden“, erklärt Zhirnov zum Praxisnutzen.

Catalog ist nicht das einzige Unternehmen, das sich an DNA-Speicherung im größeren Maßstab versucht. Luis Ceze von der University of Washington arbeitet mit Microsoft zusammen, das ebenfalls Pläne für ein kommerzielles DNA-System zur Datenspeicherung hat und den Prozess automatisieren möchte.

Beide Gruppen bewerben sich um Mittel der IARPA, der Forschungsorganisation von US-Geheimdiensten. Die hatte im Mai 2018 angekündigt, ein Millionen-Volumen an Verträgen zur Speicherung von Daten in biologischen Molekülen zu vergeben.

(sma)