Grüße aus dem Jenseits

Digitale Unsterblichkeit: Mit unseren Daten könnten wir schon bald eine digitale Version von uns selbst erschaffen, die für immer lebt.

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Grüße aus dem Jenseits

Hossein Rahnama will Verstorbene virtuell wieder zum Leben erwecken.

(Bild: Foto: Tony Luong)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Courtney Humphries

Hossein Rahnama hat einen Kunden, der nach seinem Tod weiterleben will – und Rahnama glaubt, dass er ihm dabei helfen kann. Der Kunde, dessen Namen er nicht nennen will, ist CEO eines großen Finanzunternehmens. Rahnama erstellt für ihn einen digitalen Avatar. Ein Avatar, von dem beide hoffen, dass er als virtueller „Berater“ dienen könnte. Ein Manager, der zum Beispiel entscheiden möchte, ob er ein Übernahmeangebot annehmen sollte, könnte dann einfach sein Smartphone zücken, ein Chatfenster öffnen und die Frage an den verstorbenen CEO stellen. Der digitale Avatar, der von einer KI-Plattform erstellt wurde, die persönliche Daten und Korrespondenz analysiert, könnte erkennen, dass der CEO eine schlechte Beziehung zu den Führungskräften des übernehmenden Unternehmens hatte. „Ich bin kein Fan der Führung dieses Unternehmens“, könnte der Avatar sagen, und der Bildschirm würde rot werden, um Missbilligung anzuzeigen.

Selbstverliebt? Sicherlich. Unheimlich? Vielleicht. Aber Rahnama glaubt, dass wir lernen werden, mit solchen Vorstellungen zu leben. Der Unternehmer und Forscher, der an der Ryerson University in Toronto am Media Lab des MIT arbeitet, entwickelt ein Programm, das er Augmented Eternity nennt. Es ermöglicht, eine digitale Kopie einer Person zu erstellen, die in ihrem Namen mit Menschen interagieren kann – nach dem eigenen Tod.

Während die meisten älteren Menschen nicht genügend digitale Spuren hinterlassen haben, um eine funktionierende künstliche Existenz aufzubauen, geht Rahnama davon aus, dass sich das in den nächsten Jahrzehnten ändern wird. Schon jetzt sammeln sich die digitalen Überreste der Toten an. Etwa 1,7 Millionen Facebook-Nutzer sterben jedes Jahr. „Wir generieren täglich Gigabyte an Daten“, sagt Rahnama. „Wir haben jetzt eine Menge Daten, wir haben eine Menge Rechenleistung, wir haben eine Menge Speicherkapazität.“ Mit genügend Daten darüber, wie Menschen mit anderen kommunizieren und interagieren, können lernende Algorithmen Persönlichkeiten – oder zumindest einen Teil davon – imitieren. Diese digitale Kopie könnte ein textbasierter Chatbot wie der des CEOs sein, eine Audiostimme wie Siri, ein digital bearbeitetes Video oder eine 3D-animierte Figur in einer Virtual-Reality-Umgebung. Sie könnte sogar in einen humanoiden Roboter eingebettet sein.

Noch ist das technisch nicht möglich. Es gibt keine Software, die so interagieren, kommunizieren und Entscheidungen treffen kann, wie Menschen es tun. Rahnama sagt, dass der Avatar des CEOs ein „Entscheidungshilfe-Tool“ sein wird, aber er wird nicht in der Lage sein, das Unternehmen zu führen. „Was heute in der KI fehlt, ist der Kontext“, sagt er. Unsere Kommunikation ändert sich je nachdem, mit wem wir sprechen, wo wir sind und wie spät es ist. Hat die Person gescherzt? War sie verärgert? Reagierte sie auf aktuelle Nachrichten? Solche Hinweise sind entscheidend, damit sich eine glaubhafte digitale Persönlichkeit erschaffen lässt. Doch Rahnama ist überzeugt, Chatbots diese Fähigkeit beibringen zu können. Die ersten Schritte hat er bereits gemacht: Mit seinem Unternehmen Flybits, für das die MIT Technology Review ihn 2012 zu einem von 35 Innovatoren unter 35 ernannt hatte, hat Rahnama bereits eine Plattform entwickelt, auf der Unternehmen ihre Kommunikation mit ihren Kunden auf der Grundlage von Kontextinformationen anpassen können. Eine Bank kann beispielsweise über ihre mobile App unterschiedliche Nachrichten anbieten, abhängig von der Kaufhistorie, im Kalender eingetragenen Terminen und der Umgebung – ob der Kunde beispielsweise gerade wandert oder Zug fährt. Genau diese Arbeit könnte sich jetzt als nützlich erweisen. Die Augmented-Eternity-Plattform soll Daten aus verschiedenen Quellen – Facebook, Twitter, Messaging-Apps und anderen – übernehmen und sie auf Kontext, emotionalen Inhalt und Semantik analysieren.

(wst)