Kolumne: Von plötzlichen Pressereisen - der Monatsrückblick von c't Fotografie

Alles im grünen Bereich: Im Oktober versuchte sich Andreas Kesberger als fotografierender Reisetester. Ein weiß er nun: Youtuber wäre nix für ihn.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Kolumne: Von plötzlichen Pressereisen - der Monatsrückblick von c't Fotografie
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Andreas Kesberger

Manchmal liest man im Zuge der Fake-News-Panik im Reise- oder Autoteil der großen Zeitungen unter dem Artikel – wenn der neue Super-Schummel-SUV mal wieder nur in südlichsten Gefilden vorgestellt werden konnte ­–, dass diese Reise vom Hersteller ermöglicht wurde. Ach, da denkt man doch, da wäre man gerne auch dabei gewesen. Das mit der journalistischen Unabhängigkeit hätten wir schon hingekriegt, vielleicht nicht wie Karl-Heinz Rummenigge das gerne hätte, aber immerhin. Bis jetzt hat mich noch kein Kamerahersteller auf eine Reise eingeladen. Nur Leica hat mich mal gefragt, ob ich ein Hotel brauche. Aber da habe ich bei der Vorstellung der damaligen Leica T lieber in meinem eigenen Bett in Berlin geschlafen und das S-Bahn-Ticket nicht in Rechnung gestellt. Aber jetzt bin ich im Club. Plötzlich lag im Spam-Ordner eine Einladung für 8-Tage-Irland von Panasonic und der irischen Tourismusbehörde. Journalisten sollen eine Gruppenreise für Fotografen testen. Oder so ähnlich. Ganz klar ist mir das nicht bis zum Ende der Fahrt geworden.

Zwei Fotoobjekte kurz vor dem Abschluss ihrer Model-Release-Verträge.

Toll. Wobei man sich das ja gut überlegen soll, mit wem man seine Freude teilt. Ertappte Steuerhinterzieher und Ehebrecher erzählen ja gerne, dass man im Shitstorm gut erkennt, wer die wahren Freunde sind. Erzählen Sie mal, Sie sind eine Woche nach Irland eingeladen und dann zählen Sie durch, wer sich mitfreut. Überschaubar. Der Rest ist neidisch. Egal, ich erzähl es sogar hier weiter, schließlich ist so ein Oktober nach der Photokina in der Branche eh immer ziemlich ruhig, weil die Neuheiten alle verkündet, aber meistens noch nicht da sind. Und nein, die neue Vollformat-Panasonic war noch nicht dabei. Da kann man ruhig auch wegfahren.

Sind wir dann auch. Ein Filmer und fünf Fotografen, wovon einer ein Youtuber war, also filmt und fotografiert und oft leicht daran zu erkennen ist, dass er vor Ort mit seiner Kamera spricht während die anderen mit ihr fotografieren. Davor und danach fotografiert er natürlich auch mit ihr. Man kann ja viel lernen auf so einer Reise, besonders wie die Kollegen arbeiten. Wenn man in der Klasse meiner Kinder die Berufswünsche abfragt, sagen wahrscheinlich 50 Prozent: "Youtuber". Kinder, überlegt euch das. Das sind die, die abends zuerst vom Essen aufbrechen und morgens früh aufstehen, um noch schnell ein Video zu schneiden und online zu stellen. Und dann ständig checken was für Kommentare kommen, um am nächsten Tag im Film darauf einzugehen. Was ne Arbeit. Ich könnte das so nicht. Vielleicht ist es ganz gut, dass mein Instagram-Account nur 62 Follower hat. Nicht dass noch einer glaubt, das wäre eine Urlaubsreise.

Und das war nicht mal gestellt...

Sowieso nicht für die Kollegen, die klassisch für Magazine, für die Reiseführer und hier für Panasonic arbeiten. Das bedeutet nämlich Reisefotografie – ständig auf Menschen zugehen und sie umgarnen. Schön mitzukriegen, wenn das jemand im Blut und damit seine Bestimmung gefunden hat. Eher ernüchternd anzugucken, dass das heute auch bedeutet, einen ganzen Ordner mit Model-Release-Verträgen mit sich rumzuschleppen und jeden ausfüllen zu lassen, der mal kurz in die Kamera gelächelt hat. Brave new Datenschutzworld. Ich habe auch unterschrieben. Da bin ich wohl jetzt Model. Anders drucken das viele Kunden gar nicht mehr.

Wir sind ja kein Reise-, sondern ein Fotomagazin. Fassen wir den Reiseteil mal ganz kurz zusammen, der wird ja anderswo im Netz noch genug ausgebreitet: Die Landschaft und die Leute halten sich an alle gängigen Irland-Klischees, sind also ziemlich großartig, das Wetter ist auch klischeebelastet, also ziemlich wechselhaft, nur das Essen ignoriert die gängige Meinung darüber und schmeckt großartig. Alles so local hier, vom Bier bis zum Käse und das Seafood sowieso, näher an Italien als an England. Und in einer Fotogruppe zu reisen ist sowieso der totale Luxus. Man lässt den Bus einfach halten, wo es schön ist. Keiner ist genervt, wenn es mal länger dauert. Liebe Kinder, das machen wir ab jetzt immer so. Und in Sachen Apps habe ich doch auch viel gelernt von den jungen Leuten im Bus: "Wenn wir jetzt drei Stunden durchfahren, sind wir zum Sonnenuntergang genau an der richtigen Stelle – guck mal!" Jetzt müsste man nur noch ein anderes Foto hinkriegen als das, das schon auf Instagram ist.

Irland ist, wenn das Meer stürmisch und die Menschen goldig sind.

Irgendwie sollen wir ja auch den Wild Atlantic Way tief im Westen promoten. Und Bilder von Fotografen die Fotografen mit einer Panasonic G9 mit einer Panasonic G9 fotografieren. Völlig skurril wird es, als noch ein Kollege vor Ort über uns berichtet und uns beim Fotografieren fotografieren fotografiert. Aber der hat ne Nikon. Hol ich doch mal meine Holga raus. Ich bin ja eh fein raus. Meinen Testbericht zur G9 habe ich schon vor Monaten geschrieben. Hab mir kurz überlegt, stattdessen die GX9 auszuprobieren, aber bei dem wechselhaften Wetter war ich für den Nässeschutz der G9 sehr dankbar. Und den riesigen Pufferspeicher auch. Ist schließlich journalistische Arbeit, da muss man oft auslösen. Gucken ja alle zu, da kannst Du schlecht einfach nur auf's Meer schauen.

Wenigstens fachsimpeln muss sein. Es hilft schließlich auch, wenn alle die gleiche Kamera haben. So kann man sich nicht nur Objektive leihen, sondern sich auch Schritt für Schritt das Menü gegenseitig erklären. Wie man die Kamera auf lautlos stellt, ohne gleichzeitig den elektronischen Verschluss zu benutzen habe ich allerdings erst auf dem Rückflug von Dublin gefunden. Sag mal, wie kann ich das Autobracketing wieder abschalten? Und ums Abschalten geht es ja eigentlich im Urlaub. Das teste ich doch gerne. Und wieder. Weitere Einladungen leitet die Redaktion bestimmt an mich weiter. (ssi)