Verkaufsstart für Game Boy Advance
Ab heute ist Nintendos neuer Taschenspieler in den Läden. Bei näherem Hinsehen offenbart das High-Tech-Gerät ergonomische Schwächen.
Ab heute liegt der neue Game Boy Advance von Nintendo in ganz Europa in den Verkaufsregalen. Als auffälligste Neuerung hat Nintendo das reflektive TFT-Display gegenüber der Color-Version um knapp 50 Prozent auf sechs mal vier Zentimeter vergrößert. 240 x 160 Bildpunkte stehen nun zur Verfügung, die statt der bisherigen 56 bis zu 511 Farben gleichzeitig darstellen können. Bei Standbildern sind gar 32.768 Farben möglich.
Unverständlicherweise fehlt allerdings auch dem neuen Display eine Beleuchtung – der Spieler tappt also ohne ausreichend Umgebungslicht im Dunkeln. Darüber freuen sich die Zubehörlieferanten und bieten beleuchtete Displaylupen an. Die Einsparung begründet Nintendo mit der angeblich höheren Batterielaufzeit. Im Test erreichten die Alkaline-Batterien zwar mit 16,5 Stunden ihr Soll, der Game Boy Color schaffte jedoch mehr als die doppelte Spielzeit.
Wegen der fehlenden Entspiegelung und dem mageren Kontrast kann der Advance seine stattliche Farbenanzahl nicht richtig ausspielen. Ungünstige Lichtverhältnisse degradieren ihn zum High-Tech-Taschenspiegel. Da verderben sich nicht nur Kinder schnell die Augen.
Der 32-Bit-RISC-Prozessor von ARM läuft mit 16,78 MHz und macht ordentlich Tempo. Eltern, denen das Gedudel der bisherigen Game Boys auf die Nerven ging, können etwas aufatmen: Der wesentlich bessere Sound kommt nun aus zwei PCM-Prozessoren, wahlweise über den Mono-Lautsprecher oder einen (nicht mitgelieferten) Stereo-Köpfhörer.
Gepatzt hat Nintendo bei der Anordnung der Tasten: Der Advance hat an seiner Oberseite zwei zusätzliche Knöpfe für die Zeigefinger. Jedoch ist der Abstand zum Steuerkreuz selbst für Kinderhände zu klein geraten: Bereits nach wenigen Minuten verkrampfen sich die Hände, wenn Daumen und Zeigefinger alle Tasten gleichzeitig bedienen müssen – die alten Game Boys liegen da deutlich besser in der Hand.
Der Clou des Game Boy Advance ist die neue Mehrspieler-Technik: Ein einziges Spielmodul reicht für bis zu vier Mitspieler aus. Per Knopfdruck überspielt der Advance die notwendigen Spieldaten über das Linkkabel in den 256 kByte großen RAM-Speicher der Geräte der Kontrahenten. Bei "F-Zero" dauerte dies 15 Sekunden. Hat jeder Spieler ein eigenes Modul, stehen weitere Mehrspielermodi zur Verfügung.
Elf neue Titel, die exklusiv auf dem Advance laufen, sollen zum Verkaufsstart in die Regale kommen. Die Spiele bewegen sich nach unserem ersten Eindruck technisch in etwa auf dem Niveau der zehn Jahre alten Super-NES-Videokonsole. Passenderweise kündigten viele Hersteller Neuauflagen ihrer Klassiker an. So soll neben Super Mario und Rayman auch der Ego-Shooter "Doom" auf dem Advance seinen zweiten Frühling erleben. Der Preis hat sich gegenüber den alten Game-Boy-Titeln kräftig erhöht, er liegt bei 90 bis 110 Mark. Alte Spiele brauchen jedoch nicht eingemottet zu werden – sie laufen problemlos auch auf dem neuen Gerät. Auf Knopfdruck vergrößert sich die Anzeige auf die volle Bildschirmbreite, wobei das Bild jedoch verzerrt wird; Pikachu macht dann ganz schön dicke Backen.
Für den 200 Gramm schweren Taschenspieler verlangt Nintendo 240 bis 260 Mark. Dazu kommen 25 bis 30 Mark für eine Leuchtlupe, 20 bis 25 Mark für ein Linkkabel und 40 bis 50 Mark für einen Akku mit Netzteil. Wer dann noch ein Spiel dazu kauft, wird im Laden fast 450 Mark los. Somit ist der Game Boy Advance ein High-Tech-Spielzeug für Kinder gut betuchter Eltern. (hag)