Die ersten Green-Card-Inhaber können wieder einpacken

Aus Grün wird Rot: Die Canto Software AG feuert zwei ausländische Informatiker im Rahmen einer "Umstrukturierung".

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Hände ringend suchten Konzerne aus der IT-Branche und junge Firmen aus der New Economy während des vergangenen Jahres ausländische Fachkräfte, die sie mit der Green-Card-Regelung der Bundesregierung nach Deutschland zu locken hofften. "Sind sie Inder?", fragte beispielsweise das Berliner Startup datango vor gut zehn Monaten provokant auf Plakaten – und landete einen PR-Coup. Doch jetzt, da die Wachstumsträume zahlreicher Firmen am Platzen sind, dürfen die ersten "GreenCardler" ihre Siebensachen schon wieder einpacken: Die Berliner Canto Software AG hat zwei erst vor einem halben Jahr angeworbene Informatiker – einen aus der Ukraine und einen von der Elfenbeinküste – noch während der Probezeit von heute auf morgen vor die Tür gesetzt.

Die 1990 gegründete Firma, die sich mit der viel gelobten Produktreihe "Cumulus" zur Verwaltung von Multimedia-Dateien einen Namen gemacht hat, gibt sich bedeckt zu den Hintergründen der Entlassungen. "Wir befinden uns in einer Phase der Umstrukturierung", lautet der kurze Kommentar der Unternehmenssprecherin Sharron Sawyer. Ob weitere Angestellte ihren Hut nehmen müssen, ist bisher unklar. Herauskristallisiert hat sich aber, dass es sich bei der Aktion nicht um einen Aprilscherz handelt. Am morgigen Mittwoch will Canto trotz der sich nach wie vor verschlechternden Stimmung am Neuen Markt die Wirtschaftspresse über "die wirtschaftliche Substanz" sowie den "geplanten Börsengang" der Firma informieren. Die Softwareschmiede beschäftigt momentan an ihren Standorten in Berlin, San Francisco und Tokio rund 50 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Umsatz in Höhe von etwa 10 Millionen Mark.

Die Kündigung der ausländischen Fachkräfte kommt auch deswegen überraschend, weil Canto lange als Vorzeige-Unternehmen gerade im Bereich Mitarbeitermotivation galt. Die Vorstandsvorsitzende, Jennifer Neumann, sagte im vergangenen Jahr gegenüber Telepolis, dass es in der New Economy "nicht nur um die Börsenwerte" gehe. Die redegewandte Unternehmerin, die auch Schatzmeisterin bei der Initiative D21 ist und während der auflebenden Gründerzeit von einer Podiumsveranstaltung zur nächsten gereicht wurde, führte sogar Fußmassagen für ihre Angestellten ein, um ihnen das Arbeiten so angenehm wie möglich zu machen und sie ans die Firma zu binden.

Die nun vor die Tür gesetzten Green-Card-Informatiker, die bei Canto für ein nicht gerade üppiges Jahresgehalt in Höhe von 65 000 Mark arbeiteten, suchen nun verzweifelt nach einem neuen Job in Deutschland. Ihre Computerfähigkeiten reichen von Programmierkenntnissen in Visual C++, Java, Perl und anderen Skriptsprachen bis hin zum Arbeiten mit Design- und Grafikprogrammen. Ihre letzte Hoffnung besteht darin, eventuell bei einer anderen Mitgliedsfirma von D21 unterzukommen. Der von der Bundesregierung und von der Wirtschaft gemeinsam getragenen Vernetzungsinitiative gehören Unternehmen wie Brokat, Cisco, Intel, Intershop oder Siemens an. (Stefan Krempl) / (jk)