VDE warnt vor "größter Ingenieurlücke in der Elektro- und Informationstechnik"

Der demografische Wandel und die digitale Transformation vergrößern den IT-Fachkräftemangel auf ein nie gekanntes Niveau, will der VDE ermittelt haben.

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VDE warnt vor "größter Ingenieurlücke in der Elektro- und Informationstechnik"

(Bild: VDE)

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"Deutschland steuert auf die größte Ingenieurlücke in der Elektro- und Informationstechnik aller Zeiten zu", warnt der Verband der Elektrotechnik, Elektronik und IT (VDE). In den kommenden zehn Jahren würden in Deutschland deutlich über 100.000 junge Ingenieure in dem Sektor mehr benötigt, "als hierzulande ausgebildet werden", erklärte VDE-Geschäftsführer Ansgar Hinz zur Vorlage der VDE-Studie "E-Ing 2025: Technologien, Arbeitsmarkt, Ingenieurberuf". Die Abbrecherquote in der Elektro- und Informationstechnik sei so hoch wie nie.

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Laut der Studie erreicht die Erwerbstätigkeit von Elektroingenieuren mit derzeit 393.600 besetzten Posten einen Spitzenwert. Das seien deutlich mehr als die knapp 188.000 Technikfachleute, die das statistische Bundesamt als "sozialversicherungspflichtig Beschäftigte" für diese Berufsgruppe ausweise. Dies liege offenbar daran, dass Selbständige, E-Ingenieure in Führungspositionen, Lehrende und selbst Vertriebsingenieure offiziell in den Statistiken nicht unter den typischen Berufsfeldern geführt werden.

Mit einer Erwerbslosenquote von knapp 2,2 Prozent besteht dem VDE zufolge im dem Sektor "praktisch Vollbeschäftigung". Der demografische Wandel vergrößere aber die dortige Ingenieurlücke: 2018 würden rund 10.900 neue Elektroingenieure benötigt, um die in den Ruhestand eintretenden Kollegen zu ersetzen. "Dieser Ersatzbedarf wird bis Ende der nächsten Dekade auf rund 13.000 Personen pro Jahr anwachsen", rechnet Hinz vor. Volkswirtschaftliches Wachstum und der Strukturwandel mit der laufenden "digitalen Transformation" führten zu einem Zusatzbedarf. Der langfristige Trend zeige bereits einen durchschnittlichen Anstieg des Bedarfs um rund 9600 Personen beziehungsweise 2,9 Prozent jährlich. Die größten Treiber dabei seien Künstliche Intelligenz, Robotik, Elektromobilität, Smart Cities oder die Industrie 4.0.

Von einer "Überakademisierung" in der Elektro- und Informationstechnik könne schon lange keine Rede mehr sein, meint der Verband. Die "hohe Schwundquote" bei Studierenden verschärfe das Problem: Sie erreiche inzwischen Spitzen von bis zu 58 Prozent Abbrechern in den Kernfächern. Bisher habe der wachstumsbedingte Zusatzbedarf vor allem noch "durch die verbesserte Ausschöpfung des Arbeitsmarktpotenzials älterer E-Ingenieure" und durch die Zuwanderung fertig ausgebildeter Spezialisten aus dem Ausland gedeckt werden können, was aber auch immer schwieriger werde.

Die Ergebnisse der heise online vorliegenden Untersuchung speisen sich unter anderem aus einer Umfrage des VDE unter seinen 1350 Mitgliedsfirmen und Hochschulen der Elektro- und Informationstechnik. Zudem wertete das arbeitgebernahe Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Daten aus dem Mikrozensus über die Bundesbürger und den Arbeitsmarkt aus. Sie beruhen auf der Befragung von einem Prozent der Gesamtbevölkerung. Die aktuellsten Zahlen dazu stammen von 2015.

Der VDE fordert eine weitreichende und wirkungsvolle digitale Bildungsinitiative, um die Zahl der aussteigenden Studierenden massiv zu senken. Dafür müsse der Unterricht in den naturwissenschaftlichen Fächern und insbesondere in der Mathematik in den Schulen verbessert werden. Weiter setzt sich der VDE dafür ein, noch mehr Jugendliche und vor allem Frauen für ein Studium der Elektro- und Informationstechnik zu gewinnen und Jugendliche überhaupt für einen technischen Beruf zu begeistern.

Die Mahnung des Verbands ist nicht die erste dieser Art. Schon 2009 prophezeite das IW, dass das Land auf einen dramatischen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften zusteuere und 2014 gut 220.000 Spezialisten aus den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) fehlten. Tatsächlich eingetreten ist dies nicht, das Institut erneuert seine Warnungen aber immer wieder. 2015 schätzte der Verein Deutscher Ingenieure (VDI), dass bis 2029 mindestens 84.000 und schlimmstenfalls 390.000 Ingenieure fehlen dürften. Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft sah die Situation gleichzeitig anhand einer eigenen Studie entspannter: Ein allgemeiner Fachkräftemangel in den MINT-Berufen drohe nicht. (anw)