Zentral zum dezentralen Netz

Ein Protokoll namens IPFS könnte das Web zuverlässiger und vertrauenswürdiger machen. Noch ist seine Nutzung kompliziert, doch mit einem neuen Gateway könnte sich das ändern.

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Zentral zum dezentralen Netz

(Bild: MS. TECH)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Mike Orcutt
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Das vielleicht etwas großspurige Versprechen von Blockchain-Anhängern lautet, dass die Technologie zur Grundlage für eine neue Art von Internet werden könnte, in dem die Kontrolle über den Zugang von Nutzern zu Websites verteilt ist, statt in der Hand von wenigen Cloud-Anbietern wie Amazon und Google zu liegen. Die Hoffnung ist, dass ein solches dezentrales Web weniger anfällig für Denial-of-Service-Attacken, Zensur und sogar Naturkatastrophen wäre. Denn es gäbe keinen einzelnen Punkt, der ausfallen und so das gesamte System lahmlegen könnte.

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Erste Komponenten für das neue System entstehen bereits, doch sie sind noch nicht bereit für den großen Auftritt. Cloudflare, ein Unternehmen, das Internet-Inhalte auf breit verteilten Servern speichert und mit Hilfe von Algorithmen möglichst schnell ausliefert, will das jetzt ändern. Im ersten Schritt plant das Unternehmen ein neues „Gateway“. Jeder kann seine Website dort anmelden und Daten anbieten, die in einem Netzwerk für File-Sharing nach dem Peer-to-peer-Prinzip gespeichert sind; es wird als Interplanetary File System (IPFS) bezeichnet.

Cloudflare will, dass das IPFS zu einer ernsthaften Alternative für die Abkürzung mit vier Buchstaben wird, mit der bislang fast jede Web-Adresse beginnt: HTTP (für Hypertext Transfer Protocol). Im Kern ist dies eine Sammlung von Regeln, die bestimmen, wie Informationen an Internet-Nutzer geliefert werden. Bei HTTP werden Daten anhand ihres Standorts identifiziert, bei IPFS dagegen mit kryptografischen Fingerabdrücken, die sich nicht fälschen lassen. Inhalte werden bei IPFS nicht anhand ihrer IP-Adresse vom jeweiligen Server abgerufen, sondern durch die Angabe des Fingerabdrucks angefordert.

Dieser Ansatz könnte das Internet vertrauenswürdiger machen, sagt Nick Sullivan, der Kryptografiechef von Cloudflare, Denn die Nutzer müssten sich dann nicht mehr darauf verlassen, dass Dritte wirklich die Daten liefern, die sie abrufen wollen. „Wenn Sie wissen, was Sie haben wollen, können Sie nicht mehr mit Tricks dazu gebracht werden, etwas anderes herunterzuladen“, erklärt Sullivan. Das IPFS-Netz funktioniert ähnlich wie Peer-to-Peer-Netze für File-Sharing, BitTorrent etwa. Solange irgendjemand im Netz einen digitalen Inhalt wie eine Video-Datei oder Website bereitstellt, kann das Protokoll einem Nutzer, der diesen Inhalt haben möchte, den Zugriff darauf ermöglichen.

Allerdings gibt es einen Haken dabei (oder sogar zwei): Das Protokoll ist schwierig zu nutzen und viel zu langsam, als dass es für viele Nutzer hilfreich sein könnte. An diesem Punkt will Cloudflare für Besserung sorgen. Bereits heute speichert das Unternehmen Caches von beliebten Seiten, Dateien und anderen Inhalten in 154 Datenzentren rund um die Welt und liefert sie bei Bedarf an Web-Nutzer aus. Mit dem Start seines Gateway-Systems könnte Cloudflare rasch Daten im großen Stil über IPFS verfügbar machen.

Nehmen wir das Beispiel von CryptoKitties, einem Spiel, bei dem Nutzer in einem Ethereum-Vertrag einzigartige Digital-Katzen züchten können. Die Besitzer jeder Katze und ihre digitale „Genetik“ sind in der Ethereum-Blockchain gespeichert – dezentralisiert. Aber die eigentlichen Bilder liegen auf Servern von Amazon, weil es bislang keine gute Option für ihre dezentrale Speicherung gab, wie der Mitgründer Dieter Shirley sagt.

Eine Speicherung in der Blockchain wäre „unmöglich teuer“, erklärt er. Zwar gebe es Werkzeuge, um über IPFS Web-Bilder zu laden, doch die seien bislang langsam und unzuverlässig. Die Performance-Steigerung durch das Cloudflare-Gateway aber hat das Unternehmen dazu gebracht, ernsthaft über den Einsatz von IPFS nachzudenken.

Natürlich ist das Gateway selbst zentral, weil es unter der Kontrolle eines einzelnen Unternehmens liegt. Cloudflare gibt dazu an, es habe die Möglichkeiten von IPFS genutzt, um sicherzustellen, dass weder Nutzer noch Inhalte-Anbieter darauf vertrauen müssen, dass sein Gateway die korrekten Daten ausliefert. Cloudflare könne Inhalte im IPFS-Netz weder verändern noch löschen, und auch wenn das Unternehmen das Gateway abschalten würde, wären sie noch da. Das System ist also nicht vollständig dezentralisiert, aber immerhin weniger zentralisiert als zuvor.

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