Digitale Humorarbeit

Kennt jemand einen Computerwitz? Nein, ich meine: einen GUTEN Computerwitz? "It's fun to compute", singen Kraftwerk. Aber Computer sind eine ernste Sache. No Fun. Humor ist immer auch ein Zeichen von Souveränität. Aber die digitale Technik ist uns dazu offenbar noch viel zu nahe. Religiöser Ernst erfüllt den Nutzer angesichts technologischer Glanzstücke wie sie etwa die Künstliche Intelligenz hervorbringt. KI ist die Wissenschaft davon, wie man von einer Fahnenstange auf die nächste klettert und immer weiter Forschungsgelder kassiert.

Früher habe ich mir gern die Vorführungen von Spracherkennungssoftware angesehen. Dabei saß das Bedienungspersonal manchmal in Glaskästen, um den Umgebungsschall auszublenden, und redete dezidiert auf das Gerät ein. Ich hab mich mal auf der Cebit einem Pulk zugesellt, der sich mit offenen Mündern vor einer solchen Darbietung versammelt hatte und fiel gleich unangenehm auf. Ich war der einzige, der lachte. Wenn Blicke löten könnten!

Der amerikanische Robotikprofessor und Künstler Kenneth Y. Goldberg hat einen Algorithmus emtwickelt, der sowas wie mich wahrscheinlich ausfiltern würde. Die Informationsgesellschaft hat an dem Punkt begonnen, an dem klar war, dass wir nun definitiv zu viel Informationen haben, also sind Filter von großer Wichtigkeit. Und Goldberg hat sich zu oft über schlechte Witze geärgert, die ihm per E-Mail geschickt worden waren.

Sein online nutzbares Programm Jester, inzwischen in der Version 5.0 humorvernichtend tätig, ist eine Art Pointen-Geigerzähler. Das Programm versucht Witze zu erkennen, die dem jeweils persönlichen Geschmack entsprechen – der wird der Software nahegebracht, indem man erstmal eine Auswahl von vorgegebenen Normwitzen bewertet. Zu Forschungszwecken sind, von Jester erbrütet, Datensätze mit mehr als fünf Millionen anonymer Witzbewertungen von 150.000 Benutzern verfügbar. Kern des Ganzen ist der von Goldberg entwickelte Empfehlungsalgorithmus Eigentaste, der aus seiner Arbeit im Bereich der kollaborativen Filterung hervorgegangen ist.

KI-Forscher scheint das Humorproblem besonders anzuziehen. "Das Traumziel der KI wäre erreicht", so Professor Wolfgang Wahlster, Inhaber des Lehrstuhls für KI an der Universität des Saarlands und Leiter des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI), "wenn ein Computer einen Stummfilm mit Buster Keaton sieht und an den richtigen Stellen lacht."

Es gibt eine Mickymaus-Episode, in der die Entwicklung in ihrer letzten Konsequenz illustriert wird. Herr Ingenieur Düsentrieb wird in dieser Geschichte von der Stadt Entenhausen beauftragt, ein Elektronengehirn zu bauen, das Witze erzählen kann. Der Computer erzählt lauter Technikerwitze, an denen sich einzig der Herr Ingenieur beömmelt, Bürgermeister und Honoratioren verstehen kein Wort. Am Ende baut Düsentrieb ein automatisches Publikum – auf ein Brett geschraubte Köpfe, die verschiedene Arten von Heiterkeitsäußerungen beherrschen, von leisem Schmunzeln bis zu schallendem Gelächter.

Ok, ich glaube, es gibt doch einen brauchbaren Computerwitz. Er stammt aus dem Inventar der israelischen Firma NetCustomize. Die Geschäftsidee des Untrernehmens bestand darin, individualisierte Witze zu verschicken. Die Firma ist inzwischen pleite, aber der Witz ist immer noch gut, finde ich. Also, fährt ein Mann aus dem verschneiten Chicago auf Urlaub ins sonnige Florida. Seine Frau ist auf Geschäftsreise und will anderntags nachkommen. Nach seiner Ankunft schickt er ihr eine E-Mail, tippt ihre Adresse aus dem Kopf ein und vergißt dabei dummerweise ein Zeichen.

Dadurch wird die Mail irrtümlich an die Frau eines Pfarrers zugestellt, eine alte Dame, deren Gatte am Tag davor gestorben ist. Als die trauernde Witwe ihre E-Mail checkt, stößt sie einen Schrei aus und fällt tot um. Die hinzueilenden Verwandten lesen am Bildschirm: "Liebe Frau, ich habe gerade eingecheckt. Es ist alles für Deine morgige Ankunft vorbereitet. PS: Es ist unglaublich heiß hier herunten."

(bsc)