Das virtuelle Leben der anderen

In der VR geht es meist recht einsam zu. Die App Rec Room will das ändern – mit ziemlich unkonventionellen Methoden.

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Das virtuelle Leben der anderen

(Bild: Against Gravity)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Rachel Metz

Als Facebook-Chef Mark Zuckerberg 2014 den VR-Pionier Oculus kaufte, nannte er soziale Interaktionen als wichtigsten Grund. Seltsamerweise hat sich Facebook seitdem kaum mit sozialen VR-Apps beschäftigt. Erst in diesem April unternahm es mit "Spaces" einen ersten – ziemlich langweiligen – Versuch: Man kann nur mit seinen eigenen Freunden interagieren, von denen die wenigsten eine VR-Brille besitzen dürften. Und trifft man sich doch einmal mit Freunden, steht man lediglich herum, macht virtuelle Selfies oder schaut sich 360-Grad-Filme an. Kürzlich aber stieß ich auf eine soziale Plattform, die tatsächlich Spaß macht: die kostenlose App Rec Room (für Rift- und Vive-Brillen). Mit ihr betrete ich eine Turnhalle im Comic-Stil, in der ich etwa Paintball, Basketball, Tischtennis oder Völkerball spielen kann. Für geschäftliche Treffen gibt es private Konferenzräume.

Die Interaktionen mit anderen sind intuitiv: Um Freundschaften zu schließen, schüttelt man sich etwa die Hand; der obligatorische Hand-Controller quittiert dies mit einem Vibrieren.

Ich hatte erstaunlich viel Spaß dabei, mich bei einem "Capture the Flag"-Spiel in Schiffscontainern zu verstecken und auf Gegner zu schießen. Rec Room hat mir wirklich das Gefühl gegeben, mit anderen in einem Raum zu sein. Es war viel angenehmer als Facebook Space, wo es zu wenig zu tun gibt, oder AltspaceVR, wo es zu viele Optionen gibt, von denen keine sonderlich unterhaltsam ist.

Außerdem ist Rec Room die einzige mir bekannte VR-Umgebung, die mich mit Fremden auf eine Art und Weise zusammenbringt, die nicht so peinlich ist, dass ich mir sofort die Brille vom Kopf reißen möchte. Dazu nutzt die App ziemlich unkonventionelle Methoden: Sobald man mit ein paar anderen den virtuellen Raum betritt, wird man von der Software einem Team zugeteilt und in ein Spiel geschubst. Ehe ich mich versehe, fuchtele ich in einem Pantomimenspiel mit einem gigantischen Stift herum. Dank dieser Überrumpelungstaktik hatte ich mehr Spaß, als wenn ich mich zu überwinden versucht hätte, Fremde anzusprechen.

In sozialen Umgebungen wähle ich gern einen Avatar, der mir möglichst ähnlich sieht. Allerdings erhöht sich mit einem weiblichen Charakter auch das Risiko, mit anstößigem Verhalten konfrontiert zu werden. Bei Rec Room und AltspaceVR lassen sich aggressive Nutzer jedoch stumm schalten oder durch eine unsichtbare Schutzzone abwehren. Bei Rec Room können die Nutzer zudem darüber abstimmen, jemanden aus dem Spiel zu werfen. So ist mir nichts weiter passiert, als dass sich ein weinerlicher Jugendlicher über meine schwache Leistung bei einem Spiel beklagt hat. Das hat mich zwar verletzt, aber um fair zu sein: Manchmal war ich wirklich grottenschlecht.

Rec Room hat viele Schwächen. Die Tools für die soziale Kontrolle beispielsweise müssen noch intuitiver werden. Visuell ist die App zudem ziemlich schlicht. Mein Avatar ist eine Art geometrische Rachel: eierförmiger Kopf, rechteckiger Torso, Hände wie Fausthandschuhe und eine helmartige Frisur. Zu einer Killer-Anwendung für Jedermann wird Rec Room daher kaum werden. Aber es zeigt, dass VR soziale Interaktionsmöglichkeiten bietet, an die Videotelefonate oder frühere Ansätze – erinnert sich noch jemand an Second Life? – nie herankommen werden.

Produkt: Rec Room
Hersteller: Against Gravity
Preis: Free to Play

(bsc)