Kalendertürchen

Jürgen Schrempp - Der schwäbische Ikarus

Vom Kfz-Mechaniker zum Daimler-Konzernlenker: Die Karriere von Jürgen Schrempp hebt ab wie eine Rakete, nur um zur Apollo 1 zu werden. Heute ist die Kooperation von Daimler und Chrysler ein Musterbeispiel für schlechte Übernahmen

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(Bild: Daimler)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Bernd Kichhahn

Machen wir uns einen bösartigen Scherz und lesen in die Oktoberausgabe des Manager Magazins rein: „Die Entscheidung für den Spitzenmanager aus Stuttgart fiel mit deutlichem Abstand zu den anderen Kandidaten aus. Zwar weisen die Juroren auf die Risiken der Fusion hin, dennoch verteilten sie Bestnoten für die Kategorie „zukunftsweisende Entscheidungen“ ebenso wie für operative Effizienz und Shareholder-Value.“

Ein Husarenstück?

Sie lasen die Begründung des Magazins zur Ernennung von Jürgen Schrempp zum „Manager des Jahres 1998“. Zu diesem Zeitpunkt sah es tatsächlich so aus, als wäre dem Daimler-Chef mit der Chrysler-Übernahme ein Husarenstück gelungen. Der deutsche Autohersteller (Wert: 50 Milliarden) verschmolz mit einem kleinsten der Big Three (31 Milliarden) zu einer Firma mit 422.000 Angestellten und einem Umsatz von 118 Milliarden Euro. Ein vermeintliches Meisterwerk, das ohne Geldfluss entstand. Die Unternehmen tauschten einfach Aktien aus – wobei eine Chrysler Aktien gegen 0,6235 Aktien von Daimler-Chrysler getauscht werden konnte.

Es war - bis heute - der Karrierehöhepunkt des Jürgen Schrempp. Er hatte Kfz-Mechaniker gelernt, eine Ingenieursschule besucht und fing dann bei Daimler-Benz an. Er ging erst nach Südafrika, wo er sich die Lorbeeren holte, die nötig waren, um 1982 die in die USA gesandt zu werden. Dort sanierte er Euclid Trucks, eine Tochterfirma von Mercedes, womit klar war, dass für ihn höhere Weihen vorgesehen waren.

Verluste

Schon 1989 wurde er Chef der Deutsche Aerospace Aktiengesellschaft (DASA), was dann aber nicht so gut lief. Er setzte mit harter Hand Sparmaßnahmen um und kaufte in der Hoffnung auf Synergie-Effekte die Firma Fokker. Die ein paar Jahre später wieder verkauft werden musste – mit einem Verlust von 5,5 Milliarden Mark. Obendrauf kam noch ein intensiver Rechtsstreit um die Zerschlagung der Marke Dornier.

Immerhin hatte Schrempp aus dem Debakel gelernt. Denn als er sich 1995 zum Vorstandsvorsitzenden der Daimler-Benz AG aufschwang, setzte er umgehend durch, dass sich das Unternehmen fortan auf den Automobilbau zu konzentrieren habe und kein „integrierter Technologiekonzern“ mehr sei. Und wenn Daimler schon „nur“ ein Autokonzern sei, dann doch ein globaler. Sprach's und übernahm 1998 Chrysler.

Ein Jahr lang funktioniert die Zusammenarbeit zumindest vordergründig. Anfang 2000 präsentiert Schrempp sogar einen ordentlichen Jahresabschluss samt 5,2 Milliarden Euro Gewinn. Doch es knirschte unüberhörbar im Gebälk. Den Amerikanern wurde klar, dass es bei weitem keine „Hochzeit unter Gleichen“ war, wie es Schrempp formulierte, sondern dass sie über den Tisch gezogen und fortan von den Deutschen kontrolliert wurden.

Sanierungsversprechen lösen keine Probleme

Robert Eaton, der Chrysler-Chef ging recht schnell und Schrempp leitet fortan den Konzern alleine. An seiner Seite: Dieter Zetsche, der im November 2000 Chrysler-Chef wird. Zu diesem Zeitpunkt stürzt nicht nur der Börsenkurs ab. Gerade einmal neun Monate nachdem ein Jahresgewinn von 5,2 Milliarden präsentiert wurde, musste ein Quartalsverlust von 600 Millionen veröffentlicht werden. Es werden zu viele Autos gebaut, aber nicht verkauft, diverse Sanierungsversprechen lösen keine Probleme, dafür aber Unsummen von Geld auf. Es folgen Probleme mit Toll Collect, Smart und der Verarbeitungsqualität bei Mercedes.

Musterbeispiel für schlechte Übernahmen

Im Juli 2005 muss Schrempp gehen. Zetsche kann den Karren nicht mehr aus Dreck ziehen und verkauft 2007 die amerikanische Marke an Cerberus, einen Finanzinvestor. Bis heute wird der Daimler-Chrysler-Merger an Universitäten als Musterbeispiel für schlechte Übernahmen verwendet.

Heute ist Jürgen Schrempp Honorargeneralkonsul der Republik Südafrika und Vorsitzender von SAFRI (Südliches Afrika Initiative der Deutschen Wirtschaft) – eine Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Südafrika zu verbessern. Wohl nicht nur deswegen liest man seinen Namen im Manager Magazin höchstens noch in Nebensätzen und Rückblicken. (chlo)