Schweizer Gewerkschaft nimmt Roboter als Mitglied auf

Weltpremiere in der Schweiz: Auf einer Gewerkschaftsversammlung bat am Wochenende der erste Roboter um Aufnahme in den Angestelltenverband.

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Schweizer Gewerkschaft nimmt Roboter als Mitglied auf

(Bild: Verband Angestellte Schweiz)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Tom Sperlich

In der Schweiz wurde vermutlich zum ersten Mal auf der Welt ein humanoider Roboter zum Gewerkschaftsmitglied. Aufgenommen wurde "das erste Robo-Mitglied“ – das Modell "Pepper" von SoftBank – vom "Verband Angestellte Schweiz", der vor hundert Jahren gegründet wurde.

Bei den Feierlichkeiten zu ihrem Jubiläum stellte Gewerkschaft die Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf die Arbeitswelt in den Mittelpunkt. "Mit der Aufnahme eines sozialen Roboters wollen wir verstehen, was bei der Interaktion von Mensch und Maschine abgeht, damit wir schon heute für die Herausforderungen von morgen parat sind", erklärt Stefan Studer, Geschäftsführer der Angestellten Schweiz.

Gewerkschafts-Chef Stefan Studer und sein neues Mitglied.

(Bild: Verband Angestellte Schweiz)

Tatsächlich waren viele Kongressbesucher schnell dabei, eine freundliche Beziehung mit dem ersten gewerkschaftlich organisierten Roboter der Welt aufzubauen – ist doch auch der Android Pepper ein besonders niedlich anzuschauendes Stück Plastik, Metall und Elektronik. Der Humanoide wurde so programmiert, dass er auf der Bühne unter großem Applaus der Teilnehmer des Jubiläums erfolgreich um Aufnahme in den Angestelltenverband bat.

Und das Ganze sei kein PR-Gag, versicherte der Verbandschef Studer gegenüber heise online. Wie er erläuterte, war die "Entlassung" Fabios, eines Pepper-Kollegen aus Edinburgh, der Auslöser, das erste Roboter-Gewerkschaftsmitglied aufzunehmen. Fabio arbeitete als Teil eines Forschungsexperiments als "Shop-Bot“ in einem schottischen Supermarkt, als er Anfang dieses Jahres seltsames Verhalten zeigte. Statt hilfreichen Auskünften, wo Crackers oder Mixed Pickles zu finden sind, gab er immer konfusere Informationen, sodass Kunden den Shop-Bot mieden und sich genervt zeigten.

Die darauf folgende Entfernung Fabios veranlasste Angestellte Schweiz, sich prinzipielle Gedanken zu machen, wie Studer ausführt: "Da Roboter grundsätzlich Entscheidungen treffen, sich selbständig bewegen können und sie mit Menschen und Maschinen kommunizieren, eröffnen sich Fragen wie: Wie gehen die Menschen mit diesen Fähigkeiten um, brauchen sie dafür neue Kompetenzen? Was geschieht, wenn in dieser neuen Art der Zusammenarbeit etwas schiefläuft?“ Zudem stiege die Zahl der Roboter stetig, Funktionen würden immer besser und in vielen Branchen werde die Roboterdichte noch mehr zunehmen, erklärte Studer.

Zumindest bei den weniger herzigen Industrierobotern trifft das zu, wie Zahlen des Roboterverbands International Federation of Robotics (IFR) zeigen: Global gesehen hat sich der Absatz von Industrie- und kollaborativen Robotern in fünf Jahren (2013-2017) mehr als verdoppelt (+ 114%). Allein 2017 wurden 30 Prozent mehr als im Vorjahr ausgeliefert. 381.000 Industrieroboter waren es, bei einem Umsatz von rund 16 Milliarden US-Dollar (rund 14 Milliarden Euro). In den kommenden drei Jahren soll sich diese Zahl nochmals fast verdoppeln. Die weltweit höchste Roboterdichte weist Südkorea auf. Dort sind 710 Industrieroboter pro 10.000 Beschäftigte im Einsatz – achtmal mehr als der globale Durchschnitt von 85. An dritter Stelle in der Statistik des IFR steht Deutschland mit 322 Industrierobotern, knapp vor Japan mit 308 Industrierobotern.

Bei den humanoiden Robotern wie Pepper oder Qrio sieht es anders aus: Die weisen bislang wenig praktischen Nutzen in der menschlichen Arbeitswelt auf. Die wesentlichen Herausforderungen bleiben Industrieroboter und kollaborative Systeme (Cobots), die direkt mit dem Menschen zusammenarbeiten. "Für die Arbeitnehmerorganisationen wird es unerlässlich sein, frühzeitig ihr Ökosystem grundlegend zu überdenken, um von der Geschwindigkeit der Anpassungsprozesse nicht überrollt zu werden“, sagt Studer. Den Roboter auf der 100-Jahr-Feier scherten solch tiefgründelnde Fragen wenig, er war ohnehin die Attraktion der Jubiläumsfeier, begab sich unter die Menschen und übte sich laut Beobachtern im Small Talk. (axk)