Kostenlose Chat-Software könnte ISDN-Netze verstopfen

Eine Windows-Software soll Textnachrichten kostenlos zwischen ISDN-Anschlüssen übertragen.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Dusan Zivadinovic

Unter dem Namen Linefire will der Programmierer Aron Spohr am morgigen Donnerstag eine Windows-Software unter www.linefire.de zum Download bereitstellen, die Textnachrichten zwischen ISDN-Anschlüssen kostenlos befördert.

Aron Spohr machte bereits 1998 auf sich aufmerksam, als er die Zugangscodes der Online-Dienste AOL und T-Online geknackt hatte. Auf die Idee für die Linefire-Software kam er noch vor dem Wirbel um die Zugangscodes, als ihm klar wurde, dass Informationspakete, die bei jedem ISDN-Anruf übermittelt werden, als Transportmittel für einige wenige Bytes in Frage kommen. Üblicherweise werden mit den Paketen, die ISDN-Anrufe einleiten, Informationen wie Rufnummern oder Service-IDs übertragen. Spohr erkannte jedoch, dass man zusätzlich zu den essenziellen Daten pro Anrufversuch noch "sechs bis sieben beliebige" Bytes an die angerufene Gegenstelle mitschicken kann – das soll nun das Windows-Programm Linefire bewerkstelligen, das einen PC mit handelsüblicher ISDN-Karte nutzt.

Die Software birgt einiges an Zündstoff: Sie ist wie zum Beispiel der Online-Messenger von AOL zum Chatten ausgelegt, doch ein mit Linefire ausgestatteter Empfänger-PC bekommt die Daten, ohne dass dabei eine kostenpflichtige Verbindung aufgebaut wird. Selbst grenzübergreifend soll das Verfahren funktionieren, sofern auf der Gegenseite ein Euro-ISDN-Anschluss vorhanden ist. Spohr zufolge seien schon einige der Texttelegramme erfolgreich zwischen ISDN-Anschlüssen in Deutschland und den Niederlanden übertragen worden.

Die Telekom – und wohl auch andere ISDN-Netzbetreiber – müssen nun fürchten, dass die Software ihre Vermittlungen zumindest vorübergehend lahm legen wird. Linefire setzt zwar eine Datenkompression ein, um die niedrige Transportkapazität der ISDN-Pakete besser auszuschöpfen und eine 100 Zeichen lange Nachricht ist laut Spohr in nur fünf Sekunden übertragen, doch sind dafür rund ein Dutzend "Anrufversuche" notwendig. Wenn sich wie befürchtet zahlreiche Anwender dieser Software bedienen, ist wegen der "hochfrequenten" Nutzung der Vermittlungsrechner, die ja für solche "Anwendungen" nicht gedacht sind, mit Behinderungen im Sprach- und Datenverkehr zu rechnen. Nach Lage der Dinge lassen sich Linefire-Meldungen bisher technisch nicht unterbinden.

Spohr erklärte jedoch in einem Gespräch mit heise online, dass die Telekom über Linefire schon im Vorfeld informiert gewesen sei: "Ich habe Ron Sommer persönlich angeschrieben und eine Kooperation vorgeschlagen". Doch ein mit der Anwort betrauter T-Online-Mitarbeiter schrieb zurück, dass man an keiner Zusammenarbeit interessiert sei. Spohr rechnet nun damit, dass der Kommunikationsriese eine Störung seiner Vermittlungen nicht hinnehmen werde, es sei bereits ein Anwalt hinzugezogen.

Nach Meinung von Fachleuten dürfte eine einstweilige Verfügung seitens der Telekom nicht lange auf sich warten lassen. Eine lange Lebensdauer dürfte Programmen wie Linefire ohnehin nicht beschieden sein: Die Netzbetreiber werden wohl in wenigen Wochen Updates für ihre Vermittlungen einspielen können, die die Linefire-Inhalte filtern. (dz)