Mit Kryptowährungen abgezockt in Sekunden

Börsen für Kryptowährungen werden noch nicht so streng reguliert wie traditionelle. Betrüger machen sich das zunutze – mit „Pump and Dump“-Aktionen, bei denen oft sogar ihre Partner verlieren.

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Abgezockt in Sekunden

(Bild: MS. TECH)

Lesezeit: 7 Min.
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Die Entwicklung bei Kryptowährungen in den vergangenen Jahren glich einer Achterbahnfahrt. Im Jahr 2017 stieg der Kurs von Bitcoins von 900 Dollar auf fast 20.000 Dollar, um dann drastisch einzubrechen. Anfang Dezember 2018 lag der Kurs unter 4000 Dollar.

All das hat zur rapiden Verbreitung von anderen Kryptowährungen beigetragen – nach Schätzungen inzwischen mehr als 1000. Der Traum ist, dass sie den Erfolg von Bitcoin wiederholen können. In der Realität aber werden nur wenige mit hohem Volumen oder zu nennenswerten Kursen gehandelt.

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Wenig überraschend ist, dass der spektakuläre Aufstieg und Fall von Kryptowährungen, zusammen mit ihrer angeblichen Anonymität, auch Kriminelle angezogen hat. Die Geschichte der Kryptowährungen ist voller Diebstähle, Pyramiden-Programme und anderer illegaler Aktivitäten.

In den letzten Monaten aber stand eine spezielle Art von Betrug im Vordergrund: so genannte „Pump and Dump“-Aktionen. Im Februar veröffentlichte die Commodity Futures Trading Commission eine Warnung für Verbraucher dazu, und die Organisatoren solcher Programme werden aktiv von Aufsichtsbehörden verfolgt.

Trotzdem ist weniger darüber bekannt, wie sie im Detail funktionieren. Jiahua Xu und Benjamin Livshits vom Imperial College London haben sie sich deshalb näher angesehen und jetzt Ergebnisse dazu veröffentlicht. Die Forscher haben sogar einen Algorithmus entwickelt, der vorhersagen kann, wann Pump and Dump wahrscheinlich ist – sodass man es einschränken oder verhindern könnte.

„Pump and Dump“ ist eine häufige Praxis, die auf konventionellen Rohstoff-Märkten entstanden ist. Bei Kryptowährungen beginnt eine solche Aktion mit einem Organisator, der eine obskure Währung auswählt und insgeheim Bestände darin akkumuliert.

Anschließend gibt er bekannt, dass eine Pump-Operation, also ein gemeinsamer Kauf zum Steigern des Werts, geplant ist. Und dass zu einer bestimmten Zeit die dafür ausgewählte Kryptowährung bekanntgegeben wird. Für solche Ankündigungen werden anonyme Kanäle wie Telegram genutzt, die man bei Interesse abonnieren kann.

Zur genannten Zeit gibt der Organisator die ausgewählte Kryptowährung bekannt – zufälligerweise die, die er schon vorher akkumuliert hat. Für die anderen Teilnehmer ist dies der Startschuss, mit dem Kaufen zu beginnen. Die plötzliche Aktivität führt dann zu einem steilen Anstieg des Kurses der Währung.

Wenn er seine Spitze erreicht, setzt eine Verkaufswelle ein, weil die Teilnehmer einen schnellen Profit auf Kosten von anderen machen wollen, die zu langsam oder zu ahnungslos sind. All das spielt sich innerhalb weniger Minuten ab.

Natürlich hat der Organisator die besten Chancen auf hohe Gewinne. Aber auch eine erhebliche Zahl von anderen Teilnehmern hofft darauf, früh genug ein- und auszusteigen, um Profit zu machen. Tatsächlich soll die „Pump“-Phase vollkommen automatisch und zufällig erfolgen, sodass niemand über Insider-Informationen verfügt und nur schnelle Reaktionen und Urteilsvermögen belohnt werden.

Solchen Programmen sind schon viele Menschen auf den Leim gegangen, und sie werden immer häufiger. Laut Xu und Livshits gibt es durchschnittlich zwei davon am Tag, und sie erzeugen pro Monat rund 7 Millionen Dollar an Handelsvolumen. Es ist also eine Menge Geld im Spiel.

Für die Details konzentrierten sich die Forscher auf ein einzelnes Programm, das am 14. November um 19.30 Uhr europäischer Zeit begann. Sie zeichneten Ankündigungen über mehrere Telegram-Kanäle auf, darunter Official McAfee Pump Signals, der mit rund 12.000 Mitgliedern zu den größten zählt. Parallel dazu registrierten sie die Kursentwicklung und das Handelsvolumen der gewählten Währung.

Um 19.30 Uhr und 4 Sekunden nannte Official McAfee Pump Signals die ausgewählte Digitalmünze, eine wenig bekannte namens BVB, die 2016 von Fans von Borussia Dortmund geschaffen wurde. Mehr als ein Jahr lang war es ruhig um sie gewesen, mit kaum Handelsvolumen und Kursen um 35 sat (1 sat entspricht 10 hoch minus 8 Bitcoin).

Dann aber ging es schnell. „Der erste Kaufauftrag wurde innerhalb einer Sekunde nach der ersten Ankündigung erteilt und ausgeführt“, schreiben Xu und Livshits. „Nach nur 18 Sekunden einer manischen Kaufwelle schoss der Preis der Münze bereits auf seinen Höhepunkt“. Der lag bei 115 sat.

Nicht alle Telegram-Kanäle waren so schnell. Wer „Bomba bitcoin cryptopia“ folgte, war deutlich im Nachteil – hier wurde der Pump erst um 19.30:23 bekanntgegeben. „Zu beachten ist, dass Bomba bitcoin cryptopia die Münze erst zu einer Zeit meldete, als ihr Preis schon seinen Höhepunkt erreicht hatte, sodass Anleger, die sich auf diese Ankündigung verließen, kein Geld verdienen konnten“, halten Xu und Livshts fest.

Als die Teilnehmer dann Gewinne mitnahmen, brach der Kurs ein. „Dreieinhalb Minuten nach Beginn des Pump and Dump war der Preis der Münze unter den Eröffnungskurs gefallen“, schreiben die Forscher. Anschließend ging auch das Handelsvolumen stark zurück.

Die Analyse von Xu und Livshits lässt interessante Details erkennen. So konnte niemand, der mehr als 18 Sekunden nach dem Start einstieg, noch etwas gewinnen. Zweitens kauften die Teilnehmer ungefähr doppelt so viele BVB-Münzen, wie sie verkauften. Das dürfte bedeuten, dass viele noch auf Teilen ihrer Bestände sitzen. „Diese Münzenbesitzer können nur darauf hoffen, ihre Position beim nächsten Pump auflösen zu können, der aber vielleicht nie kommen wird“, kommentieren Xu und Livshit.

Die beiden Forscher untersuchten noch 236 weitere Pump and Dump-Fälle, die sich zwischen 21. Juli und 18. November ereigneten. Nach ihren Ergebnissen ging vielen davon ungewöhnliches Kaufinteresse in der Zielwährung voraus. Dies würde zu der Annahme passen, dass Insider schon vor dem offiziellen Start Bestände in der Pump-Währung aufbauen. „Die Studie zeigt, dass Betreiber von Pump and Dump-Programmen ihre Insider-Informationen problemlos nutzen können, um auf Kosten der anderen Teilnehmer zusätzliche Gewinne zu machen“, erklären Xu und Livshit.

Doch die Studie zeigt auch eine Möglichkeit, um Zielwährungen zu erkennen, bevor sie veröffentlicht werden: Man muss nur nach unerwarteten Transaktionen in obskuren Währungen suchen. Dazu trainierten Xu und Livshits einen Maschinenlern-Algorithmus mit Daten bekannter Pump and Dumps darauf, verräterische Anzeichen für eine kommende Aktion zu erkennen.

Anschließend wandten sie den Algorithmus auf Live-Daten an, in denen er zwischen 30.Oktober und 6. November sechs Fälle identifizierte. Fünf von diesen Warnmeldungen erwiesen sich als korrekt.

Die Arbeit weist einen Weg zur Bekämpfung oder Verhinderung solcher Aktionen. Andererseits dürfte sie nur ein weiterer Schritt in einem Katz-und-Maus-Spiel sein, in dem Sicherheitsexperten gegen böswillige Akteure antreten. Vermutlich werden die Betreiber der Betrügereien ihre Vorgehensweise bald so anpassen, dass sie für Algorithmen schwieriger zu erkennen ist. Und so geht es weiter.

Betrug mit Kryptowährungen dürfte es also noch eine Weile geben. Aber genaue Informationen darüber, wie er funktioniert, können ihm zumindest etwas entgegenzusetzen.

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