Ohne Roamingaufschläge: Mobiler Datenverbrauch in der EU hat sich verfünffacht

In den ersten anderthalb Jahren nach dem weitgehenden Aus für Roaming-Gebühren in der EU waren die Bürger auf Reisen erheblich öfter online.

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Roaming

(Bild: dpa, Daniel Naupold/Illustration)

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Die EU-Kommission hat am Freitag ihren vorgesehenen Zwischenbericht über die Auswirkungen der Vorschriften zum weitgehenden Wegfall der Roamingaufschläge auf Reisen in andere Staaten der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) veröffentlicht. Demnach haben die Bürger "das Beste aus ihren neuen digitalen Rechten gemacht". Insbesondere die Nutzung mobiler Daten ist im Vergleich zu den Werten vor dem Stichtag am 15. Juni 2017 im Durchschnitt auf das Fünffache gestiegen. Parallel haben Reisende gegenüber dem vorherigen Zeitraum ungefähr doppelt so viele Anrufe von ihrem Mobiltelefon aus getätigt.

2014 schaltete trotz bereits gesetzlich gesenkter Roaming-Gebühren noch mehr als die Hälfte der Europäer das Datenroaming auf Reisen in der EU ganz aus. Nur einer von zehn nahm in anderen Mitgliedsstaaten Anrufe genauso häufig wie im Heimatland vor oder entgegen. Die Vorgaben für das "Roaming zu Inlandspreisen" haben es der Kommission zufolge schließlich ermöglicht, dieses Verhalten "grundlegend zu ändern und die unbefriedigte Mobilfunknachfrage der Reisenden in der EU zu erschließen".

Laut einer kürzlich durchgeführten Eurobarometer-Umfrage gehen inzwischen etwa 34 Prozent der Reisenden unterwegs im Ausland ebenso gerne und viel online wie zu Hause. Vor Juni 2017 waren es nur 15 Prozent. Parallel dazu sank der Anteil derjenigen, die im Ausland niemals Mobilfunk-Datendienste genutzt haben, auf 19 Prozent im Vergleich zu 42 Prozent vor der Änderung. 62 Prozent der Europäer ist bekannt, dass die Roaming-Gebühren in der EU abgeschafft worden sind. 69 Prozent gaben an, dass sie selbst oder Bekannte davon profitierten.

Schon zum Sommer 2017 hatte sich dem Bericht nach in der EU und im EWR die Roamingnutzung von Mobilfunk-Datendiensten gegenüber dem Vorjahr mit 5,35 multipliziert, was einem Anstieg um 435 Prozent gleichkomme, und die Zahl der Roaming-Telefonanrufe mit 2,45 multipliziert, ein Plus von 145 Prozent. In den beiden Quartalen danach sei das Gesamtvolumen der Roaming-Gespräche fast doppelt so hoch geblieben wie vor dem Greifen der neuen Regeln.

Roamingaufschläge galten in der EU im Sommer nur noch für 1,8 Prozent der Nutzer aufgrund einer von der nationalen Regulierungsbehörde gewährten Ausnahme und für 1,6 Prozent der Nutzer, weil sie nicht im Land des Betreibers wohnten beziehungsweise keine stabilen Verbindungen zu diesem Land hatten. Der Anteil der Nutzer‚ die eine SIM-Karte mit Roamingmöglichkeit haben, liegt seit dem Sommer 2017 unverändert bei rund 96 Prozent. Reine Inlandstarife seien so "eine Randerscheinung geblieben", schreibt die Brüsseler Regierungseinrichtung. Ausnahmen bildeten Rumänien, Estland, Lettland und Bulgarien, wo mehr als zehn Prozent der Kunden solche eingeschränkten Angebote nutzten.

Österreich ist dem Zwischenstand nach der einzige andere Mitgliedstaat, in dem der Anteil der Nur-Inlandsnutzer erheblich von vier auf neun Prozent zwischen Sommer 2017 und dem ersten Quartal 2018 gestiegen sei. Die Kommission will nun genau beobachten, wie sich die reinen Inlandstarife mit den weiter sinkenden Obergrenzen der Vorleistungsentgelte für Datenroaming entwickeln. Verlängerungen gewährter Ausnahmen müssten sorgfältig geprüft werden.

Die Bestimmungen scheinen sich laut dem Bericht "weder positiv noch negativ auf die mobile Breitbandnutzung ausgewirkt und die Investitionen der Betreiber in den Ausbau ihrer 4G-Netze nicht beeinträchtigt zu haben". So erreichte die EU-weite LTE-Verbreitung Ende 2017 einen Bevölkerungsanteil von 90,8 Prozent gegenüber 85,6 Prozent Ende 2016. Hierzulande hat die Jury der Gesellschaft für deutsche Sprache trotzdem gerade "Funklochrepublik" nach "Heißzeit" auf Platz 2 in der Liste der "Wörter des Jahres" gewählt.

Insgesamt haben die die Mobilfunkbetreiber die neuen Vorschriften weitgehend gut eingehalten, ist dem Bericht zu entnehmen. Die in der Roamingverordnung verankerten Vorkehrungen zum Schutz vor Wettbewerbsverzerrungen auf den Inlandsmärkten etwa durch die Maßgabe der "angemessenen Nutzung" der neuen Freiheiten, hätten "angemessen funktioniert, wo dies nötig war". Allgemein versicherte die Kommission, die Entwicklung auf den Mobilfunkmärkten in den Mitgliedsstaaten zusammen mit den nationalen Regulierungsbehörden wie der Bundesnetzagentur weiter zu überwachen. Ein umfassender Prüfbericht stehe Ende 2019 an. Ein erstes positives Fazit hatte Brüssel schon vorigen Herbst gezogen.

[Update 17.12.2018 – 15:55 Uhr] Das Ende der Roaming-Gebühren scheint sich dem Bericht zufolge "weder positiv noch negativ" auf die mobile Breitbandnutzung und den Ausbau der 4G-Netze ausgewirkt zu haben. Die ursprünglich anders lautende Formulierung wurde entsprechend geändert. (mho)